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Höchst angespannte Platin- und Palladiummärkte

04.04.2014  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)

In der südafrikanischen Platinminenindustrie wird mittlerweile seit mehr als zehn Wochen gestreikt. Da die Lagerbestände zur Neige gehen, fällt es den betroffenen Minenunternehmen zunehmend schwer, ihren vertraglichen Lieferverpflichtungen nachzukommen. Bei Palladium bestimmen Sorgen das Bild, inwiefern Russland auf mögliche tiefergehende Sanktionen des Westens gegen das Land reagieren könnte. Zugleich zeigt sich an beiden Märkten die Nachfrage - ausgehend von der Automobilindustrie - robust. Die Lage scheint sich merklich anzuspannen, was unseres Erachtens für höhere Platin- und Palladiumpreise spricht.

Platin wurde im März durch die Preisschwäche von Gold belastet und gab ebenfalls merklich nach. Es fiel vorübergehend unter die Marke von 1.400 USD je Feinunze auf ein 6-Wochentief. Palladium behauptete sich etwas besser und bewegte sich unter großen Schwankungen seitwärts. Zwischenzeitlich wurde sogar erstmals seit August 2011 die Marke von 800 USD je Feinunze überschritten. Dieses Niveau konnte jedoch nicht gehalten werden (Grafik 1).

Aus fundamentaler Sicht sind unseres Erachtens wegen der Angebotsrisiken beide Edelmetallpreise zu niedrig. Wir betrachten in dieser Ausarbeitung die Angebotslage in Südafrika, dem weltweit größten Platinproduzenten und der Nummer zwei bei Palladium, und werfen einen Blick auf Russland, dem größten Anbieter von Palladium.

Gemäß Daten von Johnson Matthey hat Südafrika im letzten Jahr 4,12 Mio. Unzen Platin und 2,35 Mio. Unzen Palladium produziert. Das Land stand damit für 72% der weltweiten Platinminen- bzw. 37% der globalen Palladiumminenproduktion (Grafik 2). Palladium wird für gewöhnlich gemeinsam mit Platin gefördert. Seit dem 23. Januar wird in der südafrikanischen Platinminenindustrie aber gestreikt. Die radikale Gewerkschaft AMCU (Association of Mineworkers and Construction Union) hat ihre Mitglieder dazu aufgerufen, um ihren Lohnforderungen Nachdruck zu verleihen.

Die 1998 gegründete und 2001 formal registrierte Gewerkschaft vertritt die Mehrheit der Arbeiter in der Platinminenindustrie. Sie hat mittlerweile der gemäßigten Gewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) klar den Rang abgelaufen. Betroffen sind die drei weltweit größten Platinproduzenten - Anglo American Platinum, Impala Platinum und Lonmin. 87% deren Arbeiter sind in Gewerkschaften organisiert. Mit einem Anteil von 66%ist AMCU vorherrschend (Grafik 3).

Dem Aufruf zum Streik sind über 70.000 Arbeiter gefolgt. Der Streik ist der umfangreichste im südafrikanischen Minensektor seitdem Ende des Apartheid-Regimes 1994. Im Jahr 1987 gingen 350.000 Arbeiter auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen zu protestieren. Dieser Streik war aber nach etwa drei Wochen beendet. Er hat die Minenunternehmen laut NUM damals rund 250 Mio. ZAR gekostet.

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AMCU verlangt von den Produzenten eine deutliche Anhebung der Gehälter. Die Kernforderung ist eine Verdopplung der Einstiegsgehälter auf 12.500ZAR pro Monat. Ursprünglich drängte AMCU die Minenunternehmen, die Forderungen sofort zu erfüllen. Mittlerweile ist AMCU den Unternehmen etwas "entgegengekommen". In zwei Schritten wurde die Kernforderung "gelockert" und AMCU verlangt nun eine Verdopplung der Gehälter innerhalb von vier Jahren. Die Unternehmen ihrerseits haben der Gewerkschaft das Angebot gemacht, die Löhne über drei Jahre gestaffelt zu erhöhen - im ersten Jahr um 9%,im zweiten um 8% und im dritten um 7,5%.

Die Inflationsrate in Südafrika lag im Februar bei 5,9%. Die Positionen der beiden Parteien liegen also weit auseinander. Der eingeschalteten staatlichen Vermittlungsstelle (CCMA - Commission for Conciliation, Mediation and Arbitration) ist es bislang nicht gelungen, die beiden Parteien näher zusammenzubringen. Zwischenzeitlich waren die Gespräche sogar unterbrochen, da die Vermittlungsstelle keine Einigungsmöglichkeit sah.

Die Politik hat sich bislang nicht in den Streik eingeschaltet - offenbar wegen den anstehenden Wahlen im Land. Am 7. Mai werden die Parlamentswahlen abgehalten, im zweiten Halbjahr finden Präsidentschaftswahlen statt. Die Minenarbeiter stellen dabei eine große Wählergruppe dar, die sowohl die Regierungspartei ANC (African National Congress) als auch die Oppositionsparteien nicht verprellen wollen. Umfragen zufolge dürfte der ANC die Wahlen gewinnen. Ob es allerdings im Nachgang zu den notwendigen Reformen kommt, die auch die Minenindustrie in ruhigeres Fahrwasser bringen würden, bleibt abzuwarten.

Der südafrikanische Finanzminister hatte jüngst die negativen Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft heruntergespielt. Seinen Ausführungen zufolge richtet der aktuelle Streik weniger Schaden an als die Arbeitskämpfe vor zwei Jahren. 2012 kosteten verschiedene Streiks die Gold- und Platinproduzenten mehr als 16 Mrd. ZAR.

Die betroffenen Minenunternehmen verlieren eigenen Angaben zufolge jeden Tag 9.900 Unzen an Platinproduktion - 4.000 Unzen bei Anglo American Platinum, 2.800 Unzen bei Impala Platinum und 3.100 Unzen bei Lonmin. Unter der Annahme, dass für gewöhnlich sieben Tage die Woche in den Minen gearbeitet wird, haben die Produzenten seit Streikbeginn somit fast 700 Tsd. Unzen an Produktion verloren. Firmenangaben zufolge sind den Unternehmen dadurch Umsätze von über 11 Mrd. ZAR entgangen. Die Arbeiter, die während des Streiks nicht bezahlt werden, mussten bislang auf rund 5 Mrd. ZAR an Löhnen verzichten.

Während die Produktion seit Streikbeginn still steht, können die Unternehmen zumindest teilweise ihren Lieferverpflichtungen aus Lagerbeständen nachkommen. Eigenen Angaben zufolge haben die Produzenten im Vorfeld des Streiks umfangreiche Vorräte aufgebaut. Diese wurden von Industriekreisen auf eine Reichweite von zwei Monaten geschätzt. Die Situation stellt sich bei den einzelnen Unternehmen aber unterschiedlich dar. So hatte Anglo American Platinum Ende März bekannt gegeben, bis dahin die Hälfte seiner Lagerbestände von 430 Tsd. Unzen aufgebraucht zu haben.

Sollten die Vorräte zur Neige gehen, würde Material am Markt gekauft werden. Impala Platinum dagegen hatte schon Anfang März "force majeure" angemeldet und kann seit Anfang April seine Lieferungen nicht mehr garantieren. Impala erwägt ebenfalls, Material am Markt zuzukaufen, um seine Kundenverträge zu erfüllen. Auch Lonmin hatte frühzeitig seine Umsatzprognosen für dieses Jahr heruntergenommen.

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Selbst wenn der Streik beendet werden kann, wird es noch Wochen wenn nicht gar Monate dauern, bis die Platinproduktion wieder ihre Ausgangsniveaus erreicht hat. Denn zuerst müssen die Schäden in den Schächten und Stollen durch die Nicht-Benutzung erfasst und vor allem die Sicherheit wieder hergestellt werden. Die Unternehmen sprechen teilweise schon von irreparablen Schäden und erwägen, einzelne Schächte dauerhaft zu schließen. Auch dürfte es zu Entlassungen von Arbeitern kommen, da die Unternehmen eigenen Angaben zufolge sonst nicht mehr profitabel arbeiten können. Dies könnte zu neuerlichen Protesten führen und eine Teufelsspirale in Gang setzen, die dem ganzen Land schaden würde.

Bei Palladium ist der Blick nach Russland zu richten. Daten von Johnson Matthey zufolge stand das Land 2013 für 42% des weltweiten Palladiumangebots (Primärproduktion und Reservenverkäufe von zusammen 2,7 Mio. Unzen) und für 14% der globalen Platinproduktion (780 Tsd. Unzen). Damit ist das Land der größte Palladium- und zweitgrößte Platinproduzent. Hier beherrschen Sorgen das Bild, inwiefern mögliche Sanktionen des Westens gegen Russland diese Branche treffen könnten bzw. wie Russland auf tiefer gehende Sanktionen gegen seine Wirtschaft reagieren würde. Bislang gibt es aber noch keine Anzeichen, dass die Lieferungen aus Russland gefährdet sind.

Der britischen Zeitung Financial Times zufolge verhandelt aber Norilsk Nickel, der weltweit größte Palladiumproduzent, derzeit mit chinesischen und japanischen Käufern über langfristige Lieferverträge für Palladium und Platin. Dies muss nichts bedeuten, könnte aber auch ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Westen sein.

Ausgehend von der Automobilindustrie zeigt sich die Nachfrage sowohl nach Platin als auch nach Palladium robust. In den USA ist die saisonbereinigte annualisierte Fahrzeugverkaufsrate im März auf 16,33 Mio. Einheiten gestiegen, den höchsten Wert seit Mai 2007. In China lagen die Autoabsätze im Januar und Februar zusammen mit 3,16 Mio. Einheiten gut 11% über dem vergleichbaren Vorjahresniveau. Damit erscheint das für 2014 ausgegebene Ziel des chinesischen Verbands der Automobilhersteller eines Verkaufsplus von bis zu 10% erreichbar.

Auch die europäische Autoindustrie könnte ihre Talsohle durchschritten haben, denn im Februar waren die Autoabsätze im Vorjahresvergleich den sechsten Monat in Folge gestiegen (Grafik 4).

Bei der Investmentnachfrage haben sich die Präferenzen der Marktteilnehmer im ersten Quartal offenbar von Palladium zu Platin verschoben. Denn während die von Bloomberg erfassten Palladium-ETFs Abflüsse von 51,9 Tsd. Unzen verzeichneten, kam es bei den Platin-ETFs zu Zuflüssen von 53,6 Tsd. Unzen. Der Trend bei Palladium könnte aber schon bald drehen (Grafik 5). Denn die südafrikanische Investmentbank Absa Capital hat Ende März einen lange erwarteten Palladium-ETF emittiert. Der ETF wird an der Börse in Johannesburg gehandelt und ausschließlich mit in Südafrika produziertem Palladium bestückt.

Sollte der Palladium-ETF den Weg des Platin-ETFs von Absa Capital einschlagen, der Ende April 2013 auf den Markt gebracht wurde, könnte dieser dem Markt viel Angebotentziehen. Der Platin-ETF ist innerhalb von nur vier Monaten nach Einführung zum weltweit größten Platin-ETF aufgestiegen und hatte Ende März mit über 952 Tsd. Unzen einen Marktanteil von 37%. Die Bestände aller Platin-ETFs zusammen entsprechen der weltweiten Minenproduktion von mehr als fünf Monaten, die der Palladium-ETFs von annähernd vier Monaten.

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Die Angebotsrisiken, gepaart mit der robusten Nachfrage, sprechen unseres Erachtens für höhere Platin- und Palladiumpreise. Die Angebots-Nachfrage-Situation an beiden Märkten war gemäß Daten von Johnson Matthey schon im letzten Jahr angespannt. Demnach bestand am globalen Platinmarkt 2013 ein Angebotsdefizit von 605 Tsd. Unzen. Am globalen Palladiummarkt übertraf die Nachfrage das Angebot um 740 Tsd. Unzen. Sofern die Angebotsprobleme nicht bald gelöst werden und die Nachfrage robust bleibt, wird sich wohl die Lage an beiden Märkten weiter anspannen. Zum Jahresende erwarten wir unverändert einen Platinpreis von 1.600 USD je Feinunze. Palladium dürfte dann bei 825 USD je Feinunze notieren.


Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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