Markteinschätzung Crude Oil / Erdöl
20.11.2007 | Jens Rabe
Sehr interessant waren die Bewegungen beim Crude Oil in der letzten Woche. Am Donnerstag/Freitag unterhielt ich mich noch mit meinen Tradingpartnern über einen möglichen Shorteinstieg beim Crude Oil, nur um dann am Samstagmorgen mit Erstaunen die aktuellen Daten des CoT Reports zu betrachten.
Was war passiert? Ausgehend von einem Intraday-Hoch am 07.11. bei 97,85 USD (Januar 08 Kontrakt NYMEX) hatten die Preise innerhalb von nur 4 Handelstagen um über 8 USD korrigiert und am Dienstag, dem 13.11. einen Intraday-Tiefpunkt bei 89,13 USD ausgebildet. Die Daten vom Dienstag sind diejenigen, welche noch in den aktuellen CoT Report eingeflossen sind. In diese Abwärtsbewegung von 8 USD haben die Commercials ihre Nettoshortposition um mehr als 60.000 Kontrakte (!) reduziert.
Damit besitzen die Commercials jetzt die geringste Shortposition seit dem 18.05.2007. Die Preise lagen damals allerdings bei nur 65 USD, also rund 43% niedriger. Und auch bei der letzten starken Reduzierung der Nettoshortposition der Commercials im Zuge der Augustkorrektur notierten die Preise 20 USD bzw. 27% unter den aktuellen Preisen.
Was bewegt also die Commercials dazu, ihre Absicherung gegen fallende Preise auf dem aktuell historisch hohen Preisniveau so radikal zu reduzieren? Die Erklärung, dass die Aussage von Hugo Chavez - dem Diktator von Venezuela – er wolle Öl als Waffe gegenüber den USA einsetzen, der Grund für diese Bewegung sei, klingt zwar plausibel, kann aber als Begründung nicht gelten, da seine Aussage erst am Wochenende auf dem OPEC Gipfel getroffen wurde.
Die Bewegung der Commercials erfolgte somit schon einige Tage vorher und ob diese sein Redemanuskript schon kannten, darf bezweifelt werden. Schauen wir daher auf andere verlässlichere Faktoren.
Die Terminkurve zeigt im Crude Oil nach wie vor eine Backwardation Situation an.
Und die Terminkurve zeigt eine Backwardation nicht nur in den Frontmonaten, sondern bis weit in das Jahr 2009 hinein an. Dies deutet darauf hin, dass die Preissteigerungen eben nicht wie gern von den Medien kolportiert rein auf Spekulation zurückzuführen sind, sondern auf tatsächliche Nachfrage.
In unserem Blog haben wir letzte Woche die aktuellen Lagerdaten beim Crude Oil eingestellt und mein Partner Henning Beck hat dazu einige sehr aufschlussreiche Grafiken erstellt. Die Lagerbestände beim Crude Oil befinden sich zwar immer noch über den 5- bzw. 10-Jahresdurchschnitten, aber eben auch deutlich unter den Beständen in 2006.
Anhand der aktuellen Preisbewegung ergibt sich jetzt eine Situation, die in den nächsten Tagen durchaus explosiv werden kann. Aktuell (Montag, 19.11. 12:56 UHR MEZ) notiert der Preis bei 94,56 USD und damit nur 3,49% unter seinem Alltimehigh. Der Chart mit den Nettopositionen zeigt, dass die Fonds in der letzten Woche stark abgegeben haben. Was passiert nun aber, wenn der Markt plötzlich diese 3,49% ansteigt und ein neues Alltimehigh erreicht.
Kann es sich dann ein Fondsmanager leisten, nicht im Crude Oil long positioniert zu sein? Wir glauben dies eher nicht. Daher könnte in den nächsten Tagen ein Preisanstieg in Folge von “Zwangskäufen“ durch die Fonds erfolgen, der die anvisierte 100 USD Marke pulverisiert und deutlich nach oben überschießt. Die Hausse nährt die Hausse.
Fazit: Angesichts der plötzlichen deutlichen Reduzierung der Nettoshortposition der Commercials sollte die Abwärtsbewegung der vergangenen Handelstage lediglich als Korrektur im weiter intakten Aufwärtstrend angesehen werden. Zwar besteht immer noch das Risiko, dass der Preis an den bisherigen Hochs abprallt und sich dann ein Doppeltop bildet. Diese Option halten wir aber aufgrund der aktuellen Situation und der Brisanz der Bewegung sowie den fundamentalen Hintergründen (Terminmarktkurve) für eher unwahrscheinlich. Der Markt will die 100 USD sehen und dann besteht auch sofort Potential für einen Anstieg bis in den Bereich von 105 USD. Die Preise dürften sich in den kommenden Tagen äußerst volatil verhalten. Entsprechende Vorsicht ist daher angebracht.
© Jens Rabe
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