Aluminium: Relative Stärke dank robuster Fundamentals
20.11.2007 | Sven Streitmayer
Aktuelle Marktentwicklungen
Ungeachtet des aktuell schwachen Marktumfelds für Industriemetalle, zogen die LME-Aluminiumpreise zuletzt deutlich an. Während Kupfer (-13%), Blei (-8%) und Zink (-9%) in den vergangenen vier Wochen allesamt starke Abschläge verzeichneten, verteuerte sich das Leichtmetall um rund 11% auf derzeit knapp 2.600 USD je Tonne (Spot). Bemerkenswert ist auch die extreme Diskrepanz in der Preisentwicklung von kurz und lang laufenden Terminkontrakten. Während Laufzeiten bis zu 15 Monate seit Jahresbeginn deutliche Abschläge hinnehmen mussten, verteuerten sich die langfristigen Kontrakte (63M-Future: +28%) massiv. Dies hat folglich zu einer substantiellen Verflachung der Terminkurve von Aluminium geführt. Am vordersten Ende weist die Kurve nach wie vor eine ausgeprägte Contango-Situation (50 USD oder 1,8% des Spotpreises) auf, welche die derzeit gute Verfügbarkeit von Aluminium widerspiegelt. Die relative Stärke der langlaufenden Aluminium-Kontrakte ist dagegen v.a. auf die stark gestiegenen Rohölpreise zurückzuführen, welche den Energiekostenanteil bei der Aluminiumproduktion nachhaltig erhöhen dürften.
Lagerbestände, Angebot und Nachfrage
Ende September kam der seit fast 12 Monaten währende Lageraufbau in den LME-Warenhäusern zum Stillstand. Seitdem war ein geringer aber stetiger Abfluss von physischen Aluminiumbeständen zu beobachten, welcher einen ersten Impuls für den Preisanstieg lieferte. Gleichwohl bleibt die kurzfristige Versorgung des physischen Marktes mit Aluminium weiterhin reichlich. Allein die LME-Bestände belaufen sich auf 912.000 t und sind damit knapp ein Drittel höher als noch zu Jahresbeginn. Weltweit wird der Aluminiummarkt in diesem Jahr voraussichtlich einen moderaten Primärüberschuss von 100.000 t bis 200.000 t ausweisen. Schon im kommenden Jahr dürfte der Angebotsüberhang jedoch weiter zusammenschrumpfen. Neben der zunehmenden Verbreitung von Aluminium in den Anwendungsgebieten Elektrizität, Transport und Infrastruktur, ist es v.a. das stürmische Wachstum der Emerging Markets, welches für zusätzliche Nachfrage sorgt. Im Hinblick auf den niedrigen Pro-Kopf-Verbrauch von Aluminium in Ländern wie China oder Indien, der sich derzeit auf ca. 3 bzw. 1 kg p.a. beläuft (ggü. 25-30 kg in den USA und Europa), dürfte das Potenzialwachstum der Aluminiumnachfrage in diesen Regionen auf absehbare Zeit hoch bleiben.
Die Sonderrolle Chinas
Als weltgrößter Produzent und Konsument von Aluminium nimmt China die Schlüsselrolle für die künftige Marktentwicklung ein. So wird die heimische Produktion des Metalls im Jahr 2007 auf voraussichtlich knapp 13 Mio. t ansteigen (+37% ggü. 2006). Dennoch dürfte die Volksrepublik bereits im kommenden Jahr zum Netto-Importeur von Aluminium mutieren und damit für eine Verknappung des Weltmarkts sorgen. Neben den bereits durchgesetzten Maßnahmen (Handels-, Steuerund Kreditvergaberestriktionen) zur Eindämmung der energieintensiven und ökologisch belastenden Aluminiumproduktion plant die Regierung in Peking nun auch (speziell für Aluminiumhütten) eine Erhöhung der staatlich regulierten Strompreise um bis zu 40%. Hinzu kommt, dass sich nach fünfmaliger Erhöhung der chinesischen Leitzinsen auch die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen spürbar verschlechtert haben.
Kostenbasis steigt unablässig
Die Rekordpreise für Rohöl und Strom verteuern die hochgradig energielastige Verhüttung und Verarbeitung von Aluminium signifikant. Nebenstehende Abbildung zeigt exemplarisch die Preisentwicklung der beiden größten Kostenblöcke bei der Produktion von Aluminium. Als Berechnungsgrundlage dienten chinesische Spotpreise für Aluminiumoxid (Tonerde) sowie Stromterminpreise (Annahme: langfristiger Stromeinkauf) der European Energy Exchange (EEX). Auf diese Weise ergeben sich bereits für den Einsatz dieser beiden Inputfaktoren Produktionskosten von derzeit mehr als 1.800 USD pro Tonne Aluminium (ggü. 1.400 USD im Vorjahreszeitraum). Derartige Werte sind eher indikativ zu verstehen, da v.a. die Energiekosten regional stark variieren und der Energieeinsatz von der Effizienz der Anlage abhängt (globaler Durchschnitt: 15 MWh/t Aluminium). In einer differenzierten Studie für das Jahr 2006 kommt die Beratungsgesellschaft Brook Hunt auf Gesamtkosten von mindestens 1.700 USD bis höchstens 2.100 USD je produzierter Tonne Aluminium. Die stark gestiegene Kostenbasis bei der Herstellung des Leichtmetalls ist aus unserer Sicht das zentrale Argument für langfristig hohe bzw. weiter steigende Aluminiumpreise. Zugleich stellen die heutigen globalen Produktionskosten von rund 2.000 USD eine “natürliche“ Untergrenze für den Weltmarktpreis von Aluminium dar.
Technik und Fazit
Aus technischer Sicht ist die Bodenbildung nun mit hoher Wahrscheinlichkeit abgeschlossen. Gleichwohl haben die Aluminiumpreise bislang noch keine wichtigen Hürden überwunden. In nächster Nähe warten die ehemalige Unterstützung der Plateauphase bei ca. 2.650 USD und der größere Widerstand aus fallenden Topps, der bereits bei ca. 2.710 USD verläuft. Da die jüngste Unterstützung jedoch auch schon bei 2.500 USD verläuft, bietet es sich für neue Positionen an, die Auflösung dieser Formation abzuwarten. Insbesondere bei einem weiteren Rücksetzer in die Nähe von 2.400 USD oder bei Überwindung der fallenden Topps zeigen Trading Longs ein attraktives Chance-Risiko-Profil (Stops dann bei ca. 2.300 USD bzw. 2.630 USD, Targets ca. 2.600 USD bzw. 3.160 USD).
Aus fundamentaler Sicht war der jüngste Zwischenspurt der Aluminiumpreise längst überfällig, da die veränderten Marktbedingungen (v.a. die stark gestiegenen Produktionskosten und die Angebotsrestriktion seitens Chinas) nur unzulänglich durch die aktuellen Preisen reflektiert wurden. Kurzfristig halten wir das weitere Aufwärtspotenzial dennoch für begrenzt, da hierfür derzeit schlicht zu viel überschüssiges Material (d.h. Lagerbestände) am Markt vorhanden ist. Mit dem Bewusstsein nachhaltig hoher Energiepreise dürften die Aluminiumproduzenten aber spätestens im kommenden Jahr damit beginnen, die gestiegenen Produktionskosten stärker auf die Preise zu überwälzen als dies bisher der Fall war. China treibt derweil die restriktive Politik gegenüber Rohstoff- und insbesondere Aluminiumproduzenten weiter voran. So wird derzeit auch die Einführung einer Steuer (i.H.v. 17%) auf Recycling-Aluminium diskutiert. Insgesamt erwarten wir, dass die politischen Restriktionen Pekings das Angebot der Volksrepublik schon 2008 spürbar reduzieren werden. Mittel- und langfristig sollten die Aluminiumpreise aus unserer Sicht daher weiter zulegen. Aluminiumpreise von rund 3.000 USD (je Tonne) halten wir bereits für das kommende Jahr für denkbar.
© Sven Streitmayer, Manfred Wolter
Commodity Analysten
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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