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Biokraftstoffe am Scheideweg

18.04.2012  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)

Der Stern der Biokraftstoffe leuchtet nicht mehr so hell wie vor Jahren. Die Diskussionen, ob und inwieweit der Ausbau der Biokraftstoffe der Umwelt schadet oder nutzt, erhalten immer neue Nahrung. Im Mittelpunkt steht dabei zumeist, wie bedeutend indirekte Landnutzungsänderungen (indirect land use change, iLUC) und damit einhergehend der Verlust an Waldflächen sind. Hinzu kommt die Frage, ob die steigende Nachfrage nach Getreide zur Herstellung von Ethanol die Agrarpreise treibt. Auch wenn es keine unumstrittenen Erkenntnisse gibt, so ist doch auch in der Politik die Begeisterung einer gewissen Skepsis gewichen.

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) haben Biokraftstoffe global mit 1,8 Mio. Barrel pro Tag einen Anteil am weltweiten Ölangebot von lediglich 2%. Beachtet man den niedrigeren Energiegehalt, reduziert sich dies nochmals. Die Bedeutung der Biokraftstoffe für den globalen Ölmarkt ist also eher gering. Die IEA erwartet einen Anstieg der Biokraftstoffproduktion auf 2,3 Mio. Barrel pro Tag in 2016. Bereinigt um den unterschiedlichen Energiegehalt entspricht dies einem Wachstum von 1,3 auf 1,7 Mio. Barrel pro Tag zwischen 2010 und 2016. Auch dann dürften die USA und Brasilien mit zusammen 76% der Weltproduktion an Biokraftstoffen tonangebend sein. In diesen beiden Ländern bilden Biokraftstoffe eine wichtige Säule im Treibstoff-Mix.

In den USA liegt der Anteil bei ca. 10%, in Brasilien bei knapp 20%. In den USA basiert die Biokraftstoffproduktion größtenteils auf Mais, in Brasilien auf Zuckerrohr. Unter den Biotreibstoffarten entfällt der weitaus größte Teil auf Ethanol. Daneben wird, allerdings in weit geringerem Umfang, noch Biodiesel produziert, welcher aus pflanzlichen Ölen wie Sojaöl, Rapsöl oder Palmöl gewonnen wird.

In 2011 wurden in den USA täglich 900 Tsd. Barrel Bioethanol produziert, fast dreimal soviel wie 5 Jahre zuvor bzw. fast 10mal soviel wie im Jahr 1999 (Grafik 1). Das Ethanol wird überwiegend herkömmlichem Benzin zu 10% beigemischt. Das sogenannte E10 macht nun 90% des US-Benzinmarktes aus. Dass Ethanol die Schwelle von 10% gemessen am Benzinverbrauch sogar leicht übersteigt, ist auf die zusätzliche Verwendung von E85 zurückzuführen, welches zu 85% aus Ethanol besteht und ausschließlich in sogenannten "Flexi-Fuelern" (FFVs) eingesetzt werden kann. Mehr als 8 Mio. FFVs fahren nun in den USA.

Ihre Bedeutung sollte weiter zulegen, denn die großen US-Autohersteller haben angekündigt, ab diesem Jahr die Hälfte ihrer Modelle auch mit entsprechenden FF-Motoren anzubieten. Weiteres Wachstumspotenzial verspricht die Einführung von E15, also Benzin dem 15% Ethanol beigemischt ist. Die amerikanische Umweltbehörde (EPA) hat kürzlich die Nutzung von E15 in Pkws ab dem Baujahr 2001 für unbedenklich erklärt. Allerdings dürfte das Marktwachstum nicht ganz so dynamisch sein wie das von E10: Nicht nur das hohe Durchschnittsalter des amerikanischen Kfz-Bestands von knapp 11 Jahren bremst kurzfristig.

Auch der hohe Umrüstungsbedarf der Tankstellen setzt Grenzen. Alles in allem dürfte die Biokraftstoffproduktion in den USA laut Schätzung der US-Energiebehörde EIA bis zum Jahr 2020 auf 1,2 Mio. Barrel pro Tag zulegen, was wir angesichts der bisherigen Dynamik und der politischen Vorgaben als eher konservativ einschätzen. So soll laut Energy Independence and Security Act von 2007 die Verwendung von Biokraftstoffen bis zum Jahr 2022 auf 36 Mrd.
Gallonen gesteigert werden, was mehr als einer Verdopplung gegenüber dem derzeitigen Niveau entspricht.

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Die Produktion von Treibstoffen aus erneuerbaren Quellen hatte sich in den USA nach Angaben der Renewable Fuels Association in 2011 auf 13,9 Mrd. Gallonen mehr als verdoppelt. Kurzfristig scheint sich die Dynamik allerdings abzuschwächen. Bei den noch immer hohen Preisen für die Ausgangsprodukte haben sich die Produktionsbedingungen und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber fossilen Kraftstoffen verschlechtert. Die (zu) hohe Produktion von Ethanol - laut US-Energieministerium sind die Lagerbestände von Ethanol seit Dezember in
fast allen Wochen gestiegen - drückt auf dessen Preis, was die Rentabilität der Produktion ins Negative gedreht hat.

Die börsengehandelten Preise für US-Rohöl und Ethanol haben sich seit dem Winter 2011/12 deutlich auseinander entwickelt. Während WTI seit November weiter stieg, sackte der Ethanolpreis zwischenzeitlich um 25% ab und liegt derzeit um 18% unter dem Niveau von Anfang November (Grafik 2). Inzwischen wurde die US-Ethanolproduktion gegenüber ihrem Rekordhoch Ende Dezember zurückgefahren.

Hinzu kommt, dass aufgrund der im Vergleich zu den vergangenen Jahren schwächeren US-Benzinnachfrage auch der Ethanolbedarf sinkt. Erstmals dürfte daher die Mengenvorgabe zur Beimischung von Biokraftstoffen nicht erreicht werden. Laut Gesetz soll die Beimischung um 4,8% gegenüber 2011 auf 13,2 Mrd. Gallonen steigen (und auf 13,8 Mrd. Gallonen in 2013), was bei rückläufigem Benzinverbrauch schwer zu erreichen ist. Die künftig größere Verwendung von E-15 allerdings bietet die Chance auf vermehrten Verbrauch von Biotreibstoffen (trotz geringerer Benzinnachfrage).





Erschwerend kommt der Wegfall von staatlichen Vergünstigungen hinzu. In den USA sind die Subventionen für die Ethanolbeimischung in Höhe von 45 US-Cents je Gallone sowie des Importzolls von 54 US-Cents je Gallone zum Jahresende 2011 ausgelaufen. Das Beispiel Deutschland zeigt den Einfluss politischer Entscheidungen dabei sehr deutlich: Nach der Abschaffung von Steuerpriviligien kam es zu einem Einbruch des Absatzes an reinem Biodiesel, es gibt nur noch wenige Zapfsäulen dafür. Weil der Absatz an E10-Benzin unter den Erwartungen blieb, ergab sich im Jahr 2011 ein Rückgang des gesamten Biokraftstoffabsatzes um 2%.

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In Brasilien ist die Ethanolproduktion 2011 (April bis Dezember) gegenüber der gleichen Periode in 2010 um fast 19% gesunken (Grafik 3, Seite 2). Gründe sind eine enttäuschende Zuckerrohrernte und ein gegenüber dem Vorjahr niedrigerer Anteil an Zuckerrohr, der der Verarbeitung zu Ethanol zugeführt wurde. FAO und OECD rechnen über den Zeitraum bis 2020 mit einem hoch bleibenden Preisniveau für Biodiesel und Ethanol, insbesondere angesichts hoher Ölpreise und hoher Preise für die Ausgangsprodukte. Dabei dürfte Zucker preislich relativ günstiger werden, was die Wettbewerbsfähigkeit brasilianischen Ethanols erhöhen dürfte. Bereits für dieses Jahr rechnet die Prognoseeinheit des brasilianischen Agrarministeriums wieder mit einem Anstieg der Ethanolproduktion im Land um 5%.

Brasilien könnte langfristig besonders davon profitieren, dass Ethanol aus Zuckerrohr geeignet ist, den Treibhausgasausstoß zu verringern (Grafik 4). So kategorisierte in 2010 die US-Umweltbehörde EPA Ethanol aus Zuckerrohr als advanced biofuel, was nur Kraftstoffen mit einer Einsparung von mindestens 50% gegenüber herkömmlichem Kraftstoff gewährt wird. Ethanol aus brasilianischem Zuckerrohr wird dabei eine Einsparung von 61% attestiert.

Die Auswirkungen der Produktion von Biokraftstoffen auf das Angebot und die Preise von Agrarrohstoffen sind nicht zu vernachlässigen. Im Erntejahr 2012/13 dürften nach einer ersten Einschätzung des US-Landwirtschaftsministeriums USDA 4,95 Mrd. Scheffel US-Mais zu Ethanol verarbeitet werden, nachdem diese Menge in 2011/12 sogar 5,0 Mrd. Scheffel betragen soll. Der Anteil der US-Maisernte, der zur Ethanolherstellung verwendet wird, liegt derzeit bei ca. 40%, verglichen mit 15% vor fünf Jahren. Seit zwei Jahren wird in den USA mehr Mais zur Ethanolherstellung verwendet als zur Tierfütterung, welche bis vor wenigen Jahren die mit Abstand wichtigste Nachfragekomponente war (Grafik 5).

Der Anstieg der Maisnachfrage in den USA in den vergangenen 10 Jahren war nahezu ausschließlich auf die Ethanolproduktion zurückzuführen. Auch in anderen Ländern bzw. Regionen wird ein beträchtlicher Anteil des Angebots von Agrarrohstoffen für die Herstellung von Biokraftstoffen verwendet und steht damit anderen Zwecken nicht mehr zur Verfügung. In Brasilien wird mehr als die Hälfte der Zuckerrohrernte für die Ethanolproduktion verwendet. In Europa gehen knapp 70% des Rapsöls in die Produktion von Biodiesel.

Von daher gibt es Bestrebungen, Biokraftstoffe aus anderen Quellen zu gewinnen. Bei Biokraftstoffen der nächsten Generation, etwa aus Pflanzenabfällen, musste in 2011 und auch 2012 das Ziel der Verwendung gegenüber den ursprünglichen Plänen allerdings reduziert werden, weil die kommerzielle Verfügbarkeit noch nicht ausreichend vorangeschritten ist. Erst langfristig dürfte deren Bedeutung merklich steigen. Bis 2022 sollen in den USA mehr als die Hälfte der Biokraftstoffe nicht mehr aus Mais, sondern anderweitig gewonnen werden, bspw. aus Zellulose.

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Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: "Rohstoffe kompakt", Commerzbank AG



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