Einflussfaktor “Strategische Ölreserve“
13.09.2007 | Eugen Weinberg
Die Ölkrise der 1970er Jahre traf die westlichen Industriestaaten an ihrer verwundbarsten Stelle: Der Energieversorgung. Aus den Turbulenzen der damaligen Zeit zog man die Lehre, dass man die Wirtschaft vor kurzfristigen Angebotsstörungen auf den Ölmärkten schützen muss. Die so genannte Strategische Ölreserve wurde damals von den meisten Industrienationen aufgebaut. Durch den Aufstieg der Emerging Markets und deren Durst nach dem schwarzen Gold beginnen nun auch diese vermehrt Lagerbestände für Notsituationen anzulegen.
Als Strategische Ölreserve bezeichnet man die Bevorratung von Rohöl, Benzin, Heizöl und anderen petrochemischen Produkten. Die Strategischen Ölreserven wurden nach der Ölkrise 1973 ins Leben gerufen, um die Volkswirtschaften vor Schäden durch Angebotsstörungen zu bewahren.
Hintergrund
Die Strategische Ölreserve der USA beträgt aktuell 690 Mio. Barrel Rohöl. Dies entspricht einer Versorgung von 33 Tagen. Sie wird in ehemaligen Salzstöcken in Texas und Louisiana eingelegt. Diese werden in Krisensituationen bei der Ölversorgung, wie zuletzt bei Hurrikan Katrina 2005, angezapft. Die USA halten im Unterschied zu anderen Industriestaaten wie beispielsweise Deutschland nur Rohölreserven und keine Strategische Reserve für verarbeitete Produkte. In den USA liegt das Öl in mehr als 1.000 Metern Tiefe in Salzkavernen, welche zu diesem Zweck mit Wasser ausgespült wurden. Diese Lagerart ist relativ kostengünstig und sorgt wegen des Temperaturunterschiedes in der Kaverne für eine ausreichende Zirkulation. Die vier Lager befinden sich am Golf von Mexiko. Die Lage ist mit der Konzentration von Raffinerien in diesem Gebiet sowie der Nähe zu Häfen zu erklären.
Ziele der Strategischen Reserve
Die Strategische Ölreserve ist einer der Maßnahmen der IEA (Internationale Energieagentur) zur Verhinderung einer erneuten Ölkrise. Die Mitgliedsstaaten der IEA halten ca. 1,5 Mrd. Barrel an Rohöl- und Ölprodukten als Strategische Reserve, welche direkt durch die Regierungen kontrolliert wird. Darüber hinaus existiert jedoch noch ein Vielfaches an industriellen Lagerbeständen, welche in Notzeiten die Versorgung für einige Zeit gewährleisten.
Wie man in Grafik 17 erkennen kann, gab es zahlreiche bedeutende Angebotsstörungen auf dem Weltölmarkt in den vergangenen Jahrzehnten. Die Strategische Reserve wurde bisher jedoch erst zwei Mal in Notsituationen auf Anweisung des US-Präsidenten eingesetzt. Das erste Mal, 1991, zu Beginn der Operation Dessert Storm zur Befreiung Kuwaits. Hier wurde am Tag des Kriegsbeginnes der Verkauf von Öl aus der Reserve angekündigt. Daraufhin wurden 33,75 Mio. Barrel Öl über einen Zeitraum von 45 Tagen verteilt.
Das zweite Mal fand im September 2005 statt, nachdem Hurrikan Katrina die US-Ölproduktion sowie die Raffinerieindustrie in Louisiana und Mississippi massiv beschädigte. Der Einfluss von Hurrikan Katrina war so stark, dass die ersten Anfragen nach Öl aus der Strategischen Reserve bereits 24 Stunden nach dem Landfall abgegeben wurden.
US-Präsident George Bush hat die Weisung gegeben, die Strategische Reserve bis 2027 auf 1,5 Mrd. Barrel zu verdoppeln. Dies entspricht etwas mehr als 110 Tsd. Barrel pro Tag an Lageraufbau.
Fantasie durch chinesischen Lageraufbau
Die chinesische Regierung hat sich das Ziel gesetzt, langfristig eine Strategische Reserve von 400 Mio. Barrel aufzubauen. Vor vier Jahren hat China damit begonnen, die ersten von vier überirdischen Speichervorrichtungen zu bauen, welche insgesamt über eine Kapazität von 102 Mio. Barrel verfügen wird. Dies entspricht einer 33tägige Angebotsversorgung. Man geht davon aus, dass bei Fertigstellung der ersten dieser Vorrichtungen im September 2006 der Lagerbestand 3 Mio. Barrel betrug und derzeit laut der chinesichen Entwicklungsund Reformkommision bei knapp 22 Mio. Barrel.
Für 2010 plant China eine Reserve in Höhe von 30-Tagesimporten bzw. 88 Mio. Barrel und für 2020 in Höhe von 90 Tagen: Laut Schätzungen sollte die langfristige Wachstumsrate der chinesischen Reserven in Zukunft durchschnittlich 100 Tsd. Barrel pro Trag betragen (in etwa das gleiche Tempo wie in den USA). Aufgrund der hohen Preissensitivität ist jedoch davon auszugehen, dass man bei schwächeren Preisen verstärkt zugreifen wird und bei höheren Preisen - wie kürzlich von einem Regierungsvertreter bestätigt - keine Käufe durchführt. Der Aufbau der Strategischen Lager der USA und Chinas werden somit in dem nächsten Jahr zusammengenommen mehr als 0,25% an zusätzlicher Nachfrage am Markt schaffen.
Fazit
Die Tatsache, dass die Ölnachfrage aus den aufstrebenden Staaten Asiens in den nächsten Jahren wachsen wird, sollte dazu führen, dass neben China auch vermehrt andere Staaten mit dem Aufbau Strategischer Reserven an Rohöl beginnen werden. Betrachtet man die langfristigen Ziele der USA und Chinas, so sollte die hierfür benötigte Zusatznachfrage einen bedeutenden Einfluss auf die Preisbildung haben. Auf den ersten Blick macht es zwar nur einen einmaligen Nachfrageanstieg von 0,2% aus. Aufgrund der aus der Vergangenheit feststellbaren Preissensitivität der Chinesen rechnen wir damit, dass die chinesische Nachfrage vor allem bei Schwächephasen dem Markt stützend zu gute kommt. Darüber hinaus ist der psychologische Einfluss auf den Markt nicht zu unterschätzen.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank, Corporates Markets
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