Rohstoff-Welt.de - Die ganze Welt der Rohstoffe

Diamanten: Kellerkinder des Preises

08.12.2009  |  Hans Jörg Müllenmeister

Kein Sachwert kann für sich mit einer Preiszeitkonstanz schmücken, weder Edelmetalle noch Diamanten nebst Farbedelsteinen, auch keine Immobilie. Alle folgen sie den Launen und Schwankungen der Konjunktur.

Zu beachten ist, in welcher Währungseinheit die Sachwerte gehandelt werden. Global rechnet man Diamanten- und Goldgeschäfte in Dollar ab. Und nicht immer lag die grüne Dollar-Krätze im Siechtum zu anderen Währungen. Erinnern Sie sich: 1963 mußten Sie für einen US-Dollar vier Deutsche Mark berappen und 1976 erlebte das Britische Pfund zum US-Dollar sein erstes Tief bei der Parität. Hatte das Diamanten-Syndikat De Beers bis dahin Diamanten international in Britische Pfund abgerechnet, so war der Absturz des Pfundes gegenüber dem Dollar der Auslöser dafür, Diamanten in der Folgezeit in US-D zu fakturieren. Das ist bis heute so die Gepflogenheit.

Was heißt das für die Sachwerte? Die Diamanten, erworben auf Eurobasis, verbilligen sich in dem Maße, wie der Dollar gegenüber dem Euro an Wert verliert. Heute bekommen sie im Handel einen Einkaräter Top Wesselton, lupenrein für etwa 8.000 Euro. Das sah vor einiger Zeit wesentlich teurer aus. Es ist durchaus denkbar, dass De Beers diesem Verfall nicht mehr lange zusieht. Bereits 2010 könnte sich der Dollar auf Eurobasis halbieren. Fällt die “Leidwährung“ in ein Wachkoma, dann ist es sicher, dass der Weltkonzern De Beers auf eine andere Währung oder einen Währungskorb umschwenkt. Eine totale Dollarentwertung würde also die Diamantenpreise nicht mit in die Tiefe reißen.

Historisch gesehen lag ein feiner Einkaräter um 1970 bei 3.400 DM, und in der Spitze 1980 bei über 60.000 DM, eine Steigerungsrate um Faktor 17. Im gleichen Zeitraum stieg die Feinunze Gold von 50 auf 800 US-D, also Faktor 16. Ein US-Bürger, der 2002 eine Feinunze Gold am Tief für 253 US-D kaufte, hat beim heuten Kurs von 1.180 US-D mit dieser monochromatischen Tauschwährung Gold 460% Rendite erzielt. Ein deutscher Anleger kommt im selben Zeitraum mit 316 Euro zu 820 Euro auf “nur“ 260%, und das in sieben Jahren. Andererseits hat der Goldpreis seit dem Hoch von 1980 um 48% zugenommen, der Diamant von 32.000 US-D auf 12.000 US-D oder um über 60% verloren. Eine bittere Bilanz!

Bisher ist offensichtlich Gold als Anlageobjekt in der Gunst der Anleger gestiegen. Die Investoren haben großes Vertrauen in die aufkommende Inflation, trotz Deflationsgebrabbel aus Medien und Politik. Abgesehen von gewissen Sonderbewegungen auf dem Diamantenmarkt, fristen die herrlichen Kohlenstoffgebilde ein eher bescheidenes Dasein. Wenn aber alle Investitionspferde zur Tränke eilen, beobachtet man unterschiedliche Gangarten.

Es ist eine Eigenart des Diamanten und übrigens auch die des Silbers, dass sie gute Sprinterqualitäten im Finish zeigen und dann sogar dem Schwergewicht Gold davoneilen. Womit kann das zusammenhängen? In einer Hype, wenn das Gold in unerschwingliche Höhen strebt, möchte sich der Kleinanleger zumindest mit dem wesentlich preiswerteren Silber belohnen. Das führt am Top zu einer beschleunigten Preissteigerung bei Silber. Und spätestens dann erinnert man sich auch an die brillanten Kellerkinder. Wenn ich die Politik richtig einschätze, wird sie in Bälde dem Gold den Dämpfer verpassen, den Silber seit eh und je schon hatte: die Mehrwertsteuer! Damit fiel ein wichtiges Kaufargument - MSt-Freiheit - für Gold weg.






Wie entwickeln sich nun Gold und Diamanten in Zukunft? Das interessiert die Anleger vor allem. Würde sich der Goldpreis ähnlich ausbilden wie von seinem Tief aus in den 70er Jahre bis zu seinem Hoch 1980, also um Faktor 16, läge sein künftiges Hoch bei über 4000 US-D. Erfahrungsgemäß fallen aber nachfolgende Extrema im Chart immer höher aus, so dass ein Hoch um 5.000 US-D durchaus möglich wäre. Bei einem Paradigmenwechsel nähern sich Goldpreis und Vorzeige-Index Dow Jons auf Augenhöhe bei 1:1. Heute steht der Dow bei 10.460 Punkten. Nehmen wir an, er hätte gerade sein Maximum, dann müßte er um rund 50% fallen. Auch das ist wahrscheinlich und würde bedeuten: Für eine Unze Gold kann man sich in Gedanken den Index punktmäßig kaufen. 1980 war das auch der Fall.

Was macht dann der Diamantenpreis? Gold und Diamanten sind schwer miteinander vergleichbar. Zum inhomogenen Diamantenpreis kann es keinen Chart geben, weil jeder Diamant für sich ein Individuum ist. Ein Einkaräter kann zwischen 300 Euro und 10.000 Euro kosten. Gold dagegen hat keine individuelle Ausprägung. Es ist wie mit unterschiedlicher Partnertreue in der Ehe: Mister Diamant ist polygam veranlagt - bevorzugt unterschiedliche Größen, Farbsättigung, Reinheit und Schliff - das Gold ist dagegen “monogram“, um nicht zu sagen monoton.

Die damalige Diamantenentwicklung wurde stark durch die Hysterie um die so genannten Anlagediamanten hochgetrieben. Am gemeinsamen Hoch der beiden Sachwerte konnte man sich 1980 für einen Spitzeneinkaräter mit 34.000 US-D rund 42 Unzen Goldmünzen als Äquivalent kaufen. Rechnen wir: angenommener Höchstpreis für Gold mit 5.000 US-D mal 42; das ergibt 210.000 US-D für einen Spitzendiamanten. Einfach utopisch. Aus heutiger Sicht erscheint das schier unmöglich. Solche Preisanalysen sind für die Katz, entscheidend ist einzig und allein die Kaufkraft. Bedenken Sie: der Dollar entwertet sich dramatisch selbst. Je stärker die FED monetarisiert, also Staatsanleihen selber aufkauft, um so mehr schwindet die Kaufkraft des Dollars. Das ganze ist eine letzte verzweifelte Selbstbefriedigungsorgie, die im Desaster endet.

Beide Anlagevehikel sind, wie gesagt, an den Dollar gekoppelt. Gold ist seit 5000 Jahren als Wertkonzentrat bekannt und beliebig teilbar. Der Diamant tut sich da hart im wahrsten Sinne des Wortes. Überragend ist aber seine Wertkonzentration auf kleinstem Raum. Heikel wird’s bei seiner Bewertung, denn seine Graduierungsstufen - damit der Preis - sind nur dem Fachmann geläufig.

Natürlich liegen z. Zt. die Diamantenpreise wie keimende Einkellerkartoffeln im tiefen Keller. Die Großen von Ihnen über 10 Karat sahen vor einigen Jahren Ihr Hoch. Damit wurden jährlich sogar bis zu 100% Rendite erzielt. Diese Zeiten sind längst vorbei. Jetzt lockt man den Anleger damit, dass er seine erworbenen Spitzensteine jederzeit gegen Aufrechnen der Rendite dem Diamanten-Unternehmen zurück geben kann, um damit ein noch feineres und größeres Exemplar zu erwerben - plus Aufschlag versteht sich. Was der Käufer nicht weiß: es gibt ausgeklügelte Rückgabesysteme auf psychologischer Basis, und die funktionieren tadellos. Dafür sorgt die kalkulierbare Gewinnsucht. Das ist so wie mit einem einmal erzielten Spielgewinn; man lockt den Wiederholungstäter durch weitere Käufe ins Verderben.

Wie verhalten sich diese Sachwerte bei “systembedingten Zwangsausflügen“? Goldene Bremsklötze am Bein vermindern ungemein die Fluchtgeschwindigkeit. Diamanten dagegen wären die Turbos im Fortkommen. Unter ihnen gibt es farbige Sonderlinge, die besonders selten und damit begehrt sind. Typisch, sie sind in ihrem extrem hohen Preis über der Zeit zumindest konstant geblieben. Wenn schon plötzlich ein verarmter Stinkreicher so ein herrliches Gebilde verhökern muß, so macht er das in Genf auf einer Auktion. Den Mindestbieterpreis kann er ja bestimmen. Sie sehen, die härteste Währung der Welt hat ihre Vorzüge, aber nicht einjeder von uns kann diese nutzen.


© Hans-Jörg Müllenmeister