Rohstoff-Welt.de - Die ganze Welt der Rohstoffe

Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar Juni 2009

13.07.2009

Performancerückblick: Alles ist relativ

Den Juni begannen die großen Rohstoffindizes so, wie sie den Mai beendet hatten - mit einer fulminanten Aufwärtsbewegung. Diese währte allerdings nur bis etwa zur Monatsmitte, bevor schließlich die von uns im letzten Marktkommentar prognostizierte technische Korrektur einsetzte. Diese führte die Indizes schließlich etwa wieder auf ihr Ausgangsniveau von Ende Mai zurück, sodass für den DJUBS Commodity Index (DJUBS) zum Monatsende ein leichtes Minus von -0,4% übrig blieb.

Spannender als die Bewegung der Rohstoffindices waren die relativen Trends der letzten Monate. So haben sich die Subsektoren des DJUBS stark unterschiedlich entwickelt. Zählten in den ersten Wochen des Jahres noch die Edelmetalle und Soft Commodities zu den großen Gewinnern, kam es ab der zweiten Monatshälfte des Februars zu einer signifikanten Trendwende. Bis Ende Juni besaßen gerade die industrienahen Rohstoffe (Erdölkomplex, Basismetalle) relative Stärke, während die Edelmetalle und der Lebendviehsektor deutliche relative Verluste hinnehmen mussten. Durchschnittlich entwickelten sich die Getreide und die Softs. Seit Ende Juni scheint allerdings eine erneute Trendumkehr stattzufinden, durch welche sich die Lücke wieder etwas zu schließen begann.

Open in new window

Der am 30. Juni veröffentlichte Ackerflächenbericht des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) führte genauso wie der Ende März veröffentlichte Vorgängerbericht (Prospective Plantings) zu erheblichen Kursreaktionen. Nahezu alle Agraranalysten erwarteten eine weitere Abnahme der Ackerfläche von Mais zu Gunsten von Sojabohnen in den USA aufgrund der ungünstigen Wettereinflüsse in den Hauptanbaugebieten östlich des Mississippis. Daher sorgte die vom USDA veröffentlichte zweitgrößte Maisanbaufläche seit 1946 in Höhe von 87 Millionen Acres zu einem extremen Kursverlust bei Mais.

Die im Vergleich zu Ende März um 2 Millionen Acres gesteigerte Anbaufläche löste innerhalb von Sekunden nach Handelsbeginn eine Talfahrt aus. Der Maismarkt konnte den maximal zulässigen Verlust, der auf 30 US-Cents pro Tag begrenzt ist (limit down), im weiteren Handelsverlauf nicht mehr korrigieren und schloss mit einem Minus in Höhe von fast 8%. In der Summe ist der Bericht bearish einzustufen, da auch Sojabohnen und Weizen höhere Anbauflächen aufweisen als noch vor drei Monaten geschätzt. Sojabohnen erzielen mit 77,5 Millionen Acres einen Rekord-Wert und bei Weizen wurden die Erwartungen nochmals um 1,15 Millionen Acres gesteigert. Relativ zu Weizen und Sojabohnen dürfte Mais aufgrund eines prognostizierten US-Defizits und sinkender Lagerbestände im Verhältnis zum Einjahresverbrauch allerdings langfristig noch die besten Aussichten besitzen.


Performance unserer aktiven Rohstoff-Fonds

Unsere aktiv gemanagten long only Rohstofffonds erlebten nach den sehr guten Vorgängermonaten im Juni einen leicht negativen Monat. Dies gilt für die absolute und relative Kursentwicklung. Absolut verloren der Commodity Alpha OP (CA$) 0,91%, der Tiberius Active Commodity OP (TAC) 0,95% und der Tiberius Commodity Alpha Euro OP (CA€) 1,61%. Die Performanceunterschiede zu den Vergleichsindices betrugen beim CA$ und CA€ (Benchmark DJUBS Commodity Index) -0,46% bzw. -1,27% und beim TAC (Benchmark Rogers International Commodity Index) -1,34%. Der relative Performancevorteil des CA$ geht zu einem kleinen Teil (+0,3%) auf das aktive Management von Optionsgeschäften, in denen überwiegend eine Stillhalterposition eingenommen wurde, zurück. Die beiden USD-Fonds CA$ und TAC konnten zudem durch die Beimischung von Non-USD-Währungen im Umfang von ca. 8% einen Performancevorteil von 15 Basispunkten gegenüber dem Euro-Fonds CA€, der momentan keine Fremdwährungsposition eingenommen hat, erzielen.

In der reinen Rohstoff-Futures Selektionsperformance gab es im Juni keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Fonds, die alle zwischen 1,05% (CA$) und 1,34% (TAC) hinter ihren Vergleichsindices zurückblieben. Größere relative Verluste gab es bei fünf Rohstoffen: Aluminium, Kupfer, Kaffee, Sojabohnen und Zucker. Bei den beiden Basismetallen fordern die Modellportfolien eine leichte Übergewichtung, da diese akzeptable Fundamentaldaten (geringe Marktüberschüsse, im historischen Vergleich noch relativ niedrige Lagerbestände) und vergleichsweise attraktive Terminkurven aufweisen sowie in den letzten Monaten relative Stärke demonstrierten (s.o.). Wir haben uns dennoch zu einer diskretionären Untergewichtung der Basismetalle durchgerungen, da die überdurchschnittliche Performance der Basismetalle aus unserer Sicht vorwiegend durch ein (einmaliges) Auffüllen der Lagerbestände in China ausgelöst wurde und wir eine technische Korrektur erwarteten, nachdem dieser Faktor in den letzten Wochen weggefallen ist. Diese ist bisher noch nicht eingetreten.

Kaffee hingegen wurde in allen long only Portfolien leicht übergewichtet, da der Rohstoff fundamental (niedrige Lagerbestände in Produzentenländern, Wetterrisiken für die Ernte in Südamerika) attraktiv schien. Mittlerweile hat sich das Wetter in Südamerika recht vorteilhaft für die Kaffeeernte entwickelt, so dass die im Kaffeepreis zuvor aufgebaute Wetterprämie ausgepreist wurde und Kaffee den DJUBS Commodity Index um rund 13% underperformte.





Bei Sojabohnen und Zucker mussten wir ebenfalls negative, relative Performancebeiträge hinnehmen. Beide Rohstoffe zählen zu den Lieblingen der Hedge-Fonds (Non Commercials), da sie im aktuellen Marketingjahr noch relativ attraktive Fundamentaldaten aufweisen. Im Juni blieb die Performance der Sojabohnen um etwa 3% hinter der der Rohstoffindices zurück. Wir hatten Sojabohnen längst nicht so stark übergewichtet wie dies die statischen Modellportfolien forderten. Dennoch stand am Ende noch eine kleine Underperformance von durchschnittlich -0,2%. Zucker hingegen entwickelte sich im Juni überdurchschnittlich im Vergleich zu den Rohstoffindices. Die Performance war vor allem durch ausbleibende Monsun-Regenfälle in den Anbaugebieten in Indien bedingt.

Wie unten ausgeführt wird, halten wir es sowohl bei Sojabohnen als auch bei Zucker für wahrscheinlich, dass die hohe spekulative Netto-Long-Position unter hohen Kursverlusten veräußert wird, da die relativ hohen Preise beider Rohstoffe die fundamentalen Aussichten im kommenden Marketingjahr erheblich eingetrübt haben.

Im Energiebereich und bei den Edelmetallen ergab sich eine gemischte Performance, da hier vor allem Spread-Positionen innerhalb eines Sektors (z.B. Benzin über-, Heizöl untergewichtet oder Gold über-, Silber untergewichtet) eingenommen wurden.

Open in new window

Unser long/short Fonds Tiberius Absolute Return Commodity OP zeigte im Juni ebenfalls eine durchwachsene Performance. Nachdem im April und Mai ein Kursplus von rund 4% verbucht werden konnte, ging es im Juni mit -0,7% wieder einen Schritt zurück. Die Kursverluste entstanden zum größten Teil am letzten Handelstag im Juni, als Mais mit einem Minus von knapp 8% limit down gehandelt wurde (s.o.). Wir hatten wenige Tage vorher einen Pairtrade Mais long gegen Zucker short auf das Buch genommen, was sich bezogen auf das taktische Timing als unglücklich erwies. Der Pairtrade kostete uns in den letzten Junitagen knapp 0,7%. Mittelfristig sind wir dennoch der Überzeugung, dass Mais das bessere Ethanol-Play als Zucker ist. Im Gegensatz zu Zucker ist eine Angebotserhöhung bei Mais schon voll eingepreist. Die spekulative Netto-Long-Position (Non Commercials) wurde im Zuge des Kurssturzes von rund 25% in wenigen Wochen um mehr als die Hälfte abgebaut, zudem halten die Kleinspekulanten (Non Reportables) eine relativ große Short-Position.

Bei Zucker hingegen ist das ohnehin schon sehr hohe Netto-Long-Exposure spekulativer Anleger zuletzt sogar noch angewachsen (s.u.). Viele Anleger spekulieren aufgrund zu geringer Regenfälle auf erneute Ernteausfälle in Indien, die das Land ein zweites Jahr in Folge zu Nettoimporten zwingen könnte. Die ersten Julitage brachten im Westen Indiens dringend benötigte Regenschauer, so dass sich die Wetterspekulation als sehr kurzlebig erweisen könnte. Zudem steigt durch das erhöhte Preisniveau das Angebot aus Brasilien, da Zuckerrohr aus der Ethanol-Produktion abgezogen wird, um damit den margenstärkeren Rohzucker zu produzieren.

Der zweite strategische Pairtrade, den wir im Agrarbereich umgesetzt haben, besteht aus einer Long-Position in Baumwolle und einer Short-Position bei Sojabohnen. Wie unten ausgeführt wird, halten wir Sojabohnen aus fundamentaler und technischer Sicht für eine klare Verkaufsposition. Die Long-Position in Baumwolle ist darin begründet, dass der Rohstoff im kommenden Marketingjahr 2009/10 global und in den USA im Defizit sein wird. Das Stocks-to-Use-Ratio wird in den USA nach unserer Prognose von 40,8% auf knapp 20% fallen. Zudem bestehen immer noch erhebliche Angebotsrisiken in den USA. Die im letzten Ackerflächenbericht des USDA angegebene Anbaufläche von mehr als 9 Mio. Acres scheint uns angesichts der relativen Preis- und Wetterentwicklung tendenziell überzogen. Das zu trockene Wetter im US-Hauptanbaustaat Texas dürfte darüber hinaus für einen geringeren durchschnittlichen Ertrag pro Flächeneinheit sorgen als ursprünglich angenommen.

Open in new window

Die taktischen Trades in unserem Outright-Portfolio brachten in der Summe eine leicht negative Performance von -0,5%. Die Verluste, die aus den Short-Positionen in Benzin, Aluminium und Zucker entstanden, konnten durch Gewinne aus taktischen Shorts bei Weizen, Kakao und Mais nicht ganz ausgeglichen werden. Bei Palladium wurde eine Long-Position eingenommen, die knapp 20 Basispunkte erbrachte. Diese Position wurde in einen strategischen Pairtrade long Palladium / short Aluminium überführt, den wir aufgrund der fundamentalen Perspektiven für sehr aussichtsreich halten (s.u.). Dieser Trade erzielte im Juni eine Performance von knapp 0,3%.






Marktausblick und Positionierung:

I Aktienmärkte: Bärenfalle?

In den vergangenen Wochen setzte die im letzten Marktkommentar angekündigte und von einzelnen Marktteilnehmern sehnlichst erwartete Aktienmarktkorrektur endlich ein. Mit den fallenden Kursen scheinen die Bären auch die Meinungsführerschaft in den Medien wiedergewonnen zu haben. Zuletzt dominierten pessimistische Marktansichten: ein globaler Konjunkturaufschwung sei ein reines Phantasiegebilde und beruhe nicht auf harten Fakten. Ein zwischenzeitliches Aufflackern einzelner Makro-Indikatoren sei nichts weiter als ein extrem kurzfristiges, durch Sonderfaktoren wie die staatlichen Fiskalprogramme verursachtes Strohfeuer, das an den Aktienmärkten keine Beachtung verdiene.

Die Situation sei vergleichbar mit dem Mai 2002, als die kurze konjunkturelle Zwischenerholung, die sich an den Schock des 11. September 2001 und den dadurch ausgelösten Politikstimulus anschloss, ihr jähes Ende fand. Die Aktienmärkte hätten nun ihre Bear-Market-Rallye beendet und würden demnach schnell fallen, in den nächsten Monaten neue Tiefpunkte erreichen oder zumindest die alten Tiefpunkte noch einmal ansteuern. Und in der Tat sehen die Aktienmarkterholungen von September 2001 bis März 2002 und von März 2009 bis heute auf den ersten Blick ähnlich aus.

Open in new window

Jedoch gibt es aus unserer Sicht gravierende Unterschiede:

Erstens war der 11. September ein exogen gesetzter Kontrapunkt inmitten eines Bärenmarktes, der die Übertreibungen der TMT-Blase zu beseitigen hatte. Die Schockwellen des 11. September unterbrachen diese Bewegung, indem sie die Talfahrt an den Börsen beschleunigten, kulminieren ließen und anschließend eine nationale Trotzreaktion in den USA hervorriefen. Der Bärenmarkt der Jahre 2008/09 wurde hingegen nicht durch exogene Ereignisse beeinflusst, sondern es handelt sich vielmehr um eine zyklische Abwärtsbewegung, verstärkt durch die Strukturkrise im Finanzsektor.

Die Bereinigung der Fehlentwicklungen im Finanzsektor wird noch Jahre in Anspruch nehmen, wohingegen der konjunkturelle Abwärtszyklus in der Realwirtschaft, der mit einer Dauer von 18 Monaten und stark negativen Wachstumsraten besonders lang und tief war, weitgehend ausgestanden sein sollte. Eine Unterbrechung des Zyklus durch exogene Faktoren wie 2001 hat es nicht gegeben.

Zweitens wurden die Weltbörsen im Jahr 2002 sehr stark von konkreten Kriegsvorbereitungen belastet. Im Verlaufe des Jahres 2002 wurde immer klarer, dass die USA nach dem gemeinsam mit der UNO geführten Krieg in Afghanistan, auch ohne UNO-Legitimation und ohne westeuropäische Bündnispartner im Irak einen weiteren Krieg führen würden. Im zweiten Golfkrieg 1991 hatte sich das irakische Militär als ein hartnäckigerer Gegner erwiesen als dies zunächst von amerikanischen Militärstrategen erwartet worden war. Dementsprechend groß war die geopolitische Risikoprämie, die von den Aktienmärkten 2002 eingefordert wurde. Heute ist ein militärischer Konflikt, in den einer der NATO-Bündnispartner verwickelt ist, nicht absehbar.

Und drittens waren die großen Aktienverluste über den Jahreswechsel 2002/03 auch dadurch bedingt, dass große institutionelle Marktteilnehmer sich aus regulatorischen Gründen zu einem Abverkauf ihrer Aktienpositionen gezwungen sahen. Heute sind die Aktienbestände der großen Kapitalsammelstellen vergleichsweise gering und zu großen Teilen durch Derivate abgesichert. Ein Sell Off wie 2002/03 steht nicht zu befürchten.

Zudem verdichten sich die Hinweise, dass sich die globale Konjunktur wirklich zum Besseren wendet. Die vorauslaufenden Indikatoren zeigen immer konstanter einen zyklischen Aufschwung an. Die in unserem Zyklenmodell enthaltenen Makro-Indikatoren (u.a. US-Einkaufsmanagerindex, IFO-Geschäftsklimaindex, Tankan) haben alle klar nach oben gedreht. Selbstverständlich ist dieser Stimmungsumschwung noch nicht bei nachlaufenden Indikatoren wie dem Arbeitsmarkt oder der Kreditvergabe der Banken angekommen.

Immer mehr wird von den Bären aber gerade auf diese Größen verwiesen, um die Notwendigkeit eines erneuten Aktienabschwungs zu begründen. Dies durchaus in Analogie zum Frühjahr 2003, als der Aufschwung der Frühindikatoren zunächst ebenfalls als “reine Stimmung“ und später als “jobless growth“ tituliert wurde. Beide Behauptungen ließen sich nicht halten. Das Fenster für negative Makrodaten schließt sich unserer Ansicht nach auch im Sommer 2009 langsam. Insofern halten wir eine weitere Rallye und Short Covering nach wie vor für die wahrscheinlichste Variante. Eine wichtige Unterstützung liegt im Dax 30 zwischen 4.450 und 4.500 Punkten. An dem im Jahresausblick 2009 ausgegebenen Kursziel von 5.400 Punkten halten wir nach wie vor fest. Unserer Ansicht nach ähnelt der Chartverlauf dem des Jahres 2003, als ebenfalls im März eine Rallye von 2.200 auf knapp 4.000 Punkte gestartet hatte.

Open in new window

Wie nachhaltig eine derartige Bewegung sein kann, steht auf einem anderen Blatt. Aufgrund der großen Strukturprobleme im Finanzsektor und den teilweise noch nicht konsolidierten Konsumentenfinanzen in den westlichen Industriestaaten erwarten wir nur einen gedämpften Konjunkturaufschwung und eine lange Phase unterdurchschnittlichen Wachstums. Insofern könnte die Zeit von Kursgewinnen bei Aktienindizes 2010 analog zum Jahr 2004 schon wieder vorüber sein. Vorsichtige Anleger laufen unserer Ansicht nach Gefahr, die einzige signifikante Aufwärtsbewegung der Jahre 2009-2011 zu verpassen. Eine langjährige Hausse wie in den Jahren 2005-2007 wird sich in dieser Periode unserer Meinung nach nämlich nicht noch einmal anschließen.






II Rohstoffindizes: Letzte Korrektur vor dem Aufschwung?

Die Rohstoffmärkte müssten einem haussierenden Aktienmarkt nicht zwingendermaßen nachfolgen. Im ersten Halbjahr 2009 verliefen die Kursbewegungen beider Anlagesegmente weitgehend synchron. Insbesondere die Industriemetalle verhielten sich wie eine Call-Option auf die internationalen Aktienmärkte. Die physische Nachfrage nach Industrierohstoffen läuft den Frühindikatoren üblicherweise um 4-6 Monate nach. Momentan gibt es mit Ausnahme der durch das chinesische Konjunkturprogramm verursachten Sondereffekte bei Metallen keine Evidenz für eine Wiederbelebung der physischen Nachfrage der industrienahen Rohstoffe. Das fiskalpolitisch bedingte Auffüllen der chinesischen Lager scheint mittlerweile abgeschlossen, dies zumindest signalisiert der deutliche Rückgang der Preisaufschläge der Shanghaier Börse gegenüber der London Metal Exchange.

Über die Sommermonate könnte bei den Industrierohstoffen also eine “saure Gurkenzeit“ anstehen, bevor im Herbst der von den Frühindikatoren signalisierte Konjunkturaufschwung greift und die Lager in den westlichen Industriestaaten wieder aufgefüllt werden. Insbesondere die Basismetalle scheinen reif für eine weitere Korrektur, während der Preisverfall bei Energie- und Agrarrohstoffen bis zum 9. Juli bereits so stark ausgeprägt war, dass weitere Kursverluste nicht mehr zu erwarten sind. Viele Märkte in diesem Bereich weisen ein Marktdefizit auf, obwohl die Konjunktur noch nicht wieder angezogen hat. Sollte sich die Belebung der physischen Nachfrage im vierten Quartal wie erwartet einstellen, werden die Preise dieser Rohstoffe unserer Ansicht nach stark anziehen. Wir halten an dem im Kapitalmarktausblick 2009 ausgegebenen Preisziel von 290 Punkten im DJUBS Commodity Index Total Return fest. Vom heutigen Kursniveau (Schlusskurs 8. Juli) entspräche das einem Plus von ca. 28%.

Open in new window

III Relative Trends im Rohstoffsektor: Extrembewertungen

Das herausstechende Merkmal der Rohstoffmärkte in den letzten Monaten war nicht die absolute Kursbewegung der Rohstoffindices. Diese verlief weitgehend nach Plan (s.o.). Hingegen waren die relativen Performanceunterschiede in dieser Zeit so groß, dass in vielen Rohstoffsektoren extreme Bewertungsniveaus erreicht wurden. Für den aktiven Manager bieten sich derzeit ungewöhnlich viele, klar ausgeprägte Trade-Ideen. Wir haben uns deswegen entschlossen, von unserem üblichen Vorgehen an dieser Stelle - der Kommentierung der Marktperspektiven der einzelnen Rohstoffe, gegliedert nach Rohstoffsektoren - abzuweichen und stattdessen die Bewertungsunterschiede zwischen den Rohstoffen sektorübergreifend zu analysieren und zu Trade-Ideen, die in der Allokation der Fonds umgesetzt sind, zu verdichten.


Beispiel 1: Energiesektor: Erdöl gegen Erdgas

• Der Kassapreis für Rohöl der Marke WTI hat seinen zyklischen Tiefpunkt im Februar 2009 bei ca. 35 USD je Barrel erreicht und notiert aktuell etwas über 60 USD je Barrel (entspricht ca. 11,5 USD je mmBtU). Hingegen notiert der Kassapreis für Nymex Erdgas in den ersten Julitagen immer noch in unmittelbarer Nähe seines im Februar markierten Tiefpunktes bei ca. 3,3 USD je mmBtU. Das Preisverhältnis beider Energieträger ist dadurch auf einen Faktor von mehr als 3 angestiegen. Die seit 1993 etablierte Handelsspanne des Ratios zwischen 0,5 und 2,5 wurde nach oben durchbrochen.

Open in new window

• Aus dem Preisverhältnis zu schließen, dass Erdgas gegenüber Rohöl unterbewertet sei, leitet aber in die Irre. Der amerikanische Erdgasmarkt wies in 2008 noch ein Angebotswachstum von in der Spitze 4% per annum auf. Laut den jüngsten verfügbaren Monatsdaten des amerikanischen Energieministeriums lag die Erdgasproduktion im April 2009 um rund 2,2% höher als im gleichen Vorjahresmonat. Ausschlaggebend für dieses Wachstum sind die neuen Erdgasfelder in Schiefergestein (shale gas), die in den USA in 2008 vermehrt erschlossen wurden. Zwar gehen die Bohrungen nach neuen Erdgasquellen in diesem Bereich auch zurück, dafür steigt die Effizienz der Bohrungen, so dass eine Angebotsreduktion momentan nicht in dem Maße erfolgt, das nötig wäre, um den Nachfragerückgang aufzufangen. Bei Rohöl hingegen hat die OPEC in den letzten Monaten dem Markt rund 3 Mio. Barrel pro Tag (mb/d) entzogen. Der globale Rohölmarkt dürfte sich dadurch an der Schwelle zum Defizit befinden, obwohl die Nachfrage nach Rohölprodukten noch nicht wieder angezogen hat.

• Durch die unterschiedliche Angebotsdynamik ergaben sich auch bei den US-Überschusslagerbeständen in Relation zum saisonalen 5-Jahresschnitt unterschiedliche Tendenzen. Während die US-Überschusslagerbestände bei Rohöl dank sinkender Importe (OPEC) zuletzt fielen, steigen die US-Erdgaslagerbestände immer weiter über ihre saisonal gerechtfertigte Norm an. Abhilfe schaffen könnte eine anhaltende Heißwetterperiode, die die Erdgasnachfrage aufgrund eines erhöhten Elektrizitätsbedarfs (Klimaanlagen) nach oben triebe oder eine ausgeprägte Hurrikan-Saison, die Angebot vom Markt nähme. Für beide Ereignisse gibt es im Moment keinerlei Evidenz. Die aus dem Elektrizitätsbedarf von Klimaanlagen induzierte Erdgasnachfrage verläuft auf einem durchschnittlichen Pfad.

• Sowohl bei Erdgas als auch bei Rohöl drohen in den kommenden Monaten erhebliche Roll-Verluste. Der Dezember 2009 Öl-Kontrakt steht mit 64 USD je Barrel um rund 6,5% höher als der in wenigen Tagen auslaufende August-Kontrakt. Bei Erdgas ist der Dezember-Kontrakt 2009 mit 5,15 USD je mmBtU um rund 50% (!) höher gepreist als der August-Kontrakt. Bei Rohöl besteht angesichts zurückgehender Überschusslagerbestände, die Chance, dass die Terminkurve allmählich von Contango auf Backwardation dreht. Der für das zweite Halbjahr erwartete Roll-Verlust wird unserer Ansicht nach nur etwas höher als 0% sein. Bei Erdgas siedeln wir die Wahrscheinlichkeit, dass der Kassapreis, angesichts der Angebots- und Nachfragedynamik der nächsten Monate, zu Beginn des Winters immer noch unter 4 USD je mmBtU steht, als sehr hoch an. Roll-Verluste von 40% und mehr sollten einkalkuliert werden.

Fazit: Aus fundamentaler Sicht ist ein Trade long Erdgas, short Rohöl nicht herzuleiten. Aus technischer Sicht ist der Erdgaspreis so stark überverkauft, dass negative Fundamentaldaten eingepreist scheinen. Wir sind für die Kontrakte August bis Oktober 2009 neutral eingestellt, während wir mittelfristig den Dezember-Kontrakt, der vermutlich Roll-Verluste von mehr als 40% aufweisen wird, noch short sind. Die Entwicklung des Rohölpreises sehen wir nach wie vor positiv, da ein globales Marktdefizit und fallende US-Lagerbestände den Markt stützen sollten. Zum Jahresende rechnen wir mit 75-80 USD je Barrel.






Beispiel 2: Metalle: Defizit-Weißmetall(Palladium) gegen Überschussmetalle (Aluminium, Nickel)

• Im Juni führten die Basismetalle Aluminium (+14,7%) und Nickel (+13,7%) die Performancerangliste deutlich an. Palladium (+5,7%) folgte mit deutlichem Abstand auf einem der vorderen Mittelfeldplätze. Nickel hat von seinem Tief bei 9.500 USD je Tonne im zweiten Quartal eine Preisrallye von mehr als 60% hingelegt, während die Performance von Palladium mit +14,1% in diesem Zeitraum deutlich zurückblieb.

• Für alle drei genannten Metalle wird im Jahr 2009 ein Marktüberschuss von etwa 3% einer Jahresnachfrage geschätzt. Im Gegensatz zu Aluminium und Nickel, die im Vorjahr einen Marktüberschuss von 5% aufwiesen, war der Palladiummarkt 2008 mehr oder weniger ausgeglichen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass wir in unseren Berechnungen im Rahmen unseres Alpha-Modells lediglich die russische Minenproduktion, nicht aber die Verkäufe aus bereits vorhandenen überirdischen Lagerbeständen des russischen Staates (Gochran) zum Palladiumangebot hinzuzählen.

Die Verkäufe von Gochran sehen wir als Lagerverschiebung von Russland überwiegend in die Schweiz. Sie sind prinzipiell positiv zu werten, weil ein wenig preissensitiver Verkäufer abgelöst wird durch stärkere Hände, die aus unserer Sicht das Palladium erst bei wesentlich höheren Preisen wieder auf den Markt bringen. Für das Jahr 2010 erwarten wir bei Palladium ein kleines Marktdefizit, während bei den Basismetallen Nickel und Aluminium trotz einer etwaigen Konjunkturerholung noch einmal mit Überschussen gerechnet werden muss. Platin sehen wir nicht als eine vollwertige Alternative zu Palladium. Zwar war der Marktüberschuss 2006 und 2007 wesentlich geringer als bei Palladium. Die Lagerbestände verharren deswegen immer noch auf tiefem Niveau. Für 2010 schätzen wir jedoch einen Überschuss von etwas mehr als 2,5% einer Jahresnachfrage.

Open in new window

Fazit: Die jüngsten Preisrallyes von Nickel und Aluminium waren nach oben überzogen. Bei den gegenwärtigen Preisniveaus beider Metalle ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Teil des 2008 weggefallenen Angebots wieder zurückkommt. Gleichzeitig laufen die einmaligen durch die Aufstockung von Lagern in China bedingten Nachfrageeffekte aus. Die Folge sind hohe Überschüsse 2009 und vermutlich auch noch 2010. Auf der anderen Seite könnte der Palladiummarkt schon 2010 erneut ins Defizit drehen. Eine anziehende Investmentnachfrage von Exchange Traded Fonds (ETFs) könnte einen Preisauftrieb verschärfen. Wir sind Palladium long und Nickel und Aluminium short. Die übrigen Edelmetalle sehen wir neutral. Mit einer leicht unterdurchschnittlichen Performance rechnen wir kurzfristig bei Kupfer und Zink. Mittelfristig (ab Q4 2009) sollten beide Metalle aufgrund möglicher Defizite in 2010 jedoch mindestens neutral gewichtet werden.


Beispiel 3: Getreide : Defizit-Markt (Weizen, Mais) gegen Überschuss-Markt (Sojabohnen, Sojabohnenmehl)

• Am 30. Juni setzte der lang erwartete Ackerflächen Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) einen symbolischen Schlusspunkt unter das erste Halbjahr 2009. Berichtet wurde, dass die US-Anbauflächen für Weizen, Mais und Sojabohnen allesamt höher eingestuft werden als im Prospective Plantings Bericht Ende März angenommen wurde (s.o.). Bei Sojabohnen gingen die Marktteilnehmer von einer Erhöhung der ursprünglichen USDA-Schätzung aus. Da die berichtete Fläche allerdings unter den Markerwartungen lag, fielen die Kursverluste Ende des zweiten Quartals 2009 deswegen nicht so harsch aus wie bei Weizen und Mais. Der Getreidebereich wies im ersten Halbjahr enorme Performanceunterschiede auf. Sojabohnen konnten ein Kursplus von mehr als 16% verbuchen, während Mais und Weizen mit jeweils -19% tief ins Minus fielen.

• Recht überzeugt sind wir davon, dass sich die unterschiedliche Performanceausprägung in der zweiten Jahreshälfte umkehren dürfte. Bei Sojabohnen und Sojabohnenmehl befinden sich die Terminkurven in Backwardation. Allein der Preisabschlag des November-Kontrakts 2009 zu dem in wenigen Tagen auslaufenden Juli-Kontrakt betrug bei Sojabohnen in der Spitze knapp 20%. Durch die vorteilhafte Terminstruktur angelockt, nahmen quantitativ orientierte, spekulative Marktteilnehmer (Non Commercials) hohe Netto-Long-Positionen in den Sojabohnenkontrakten (Sojabohnen, Sojabohnenmehl, Sojabohnenöl) auf.

Es ist bekannt, dass die Terminkurvensignale von Tiberius ebenfalls hoch gewichtet werden. In diesem Falle halten wir das vermeintlich positive Signal inzwischen jedoch für irreführend, da der US-Markt im kommenden Marketingjahr (2009/10) einen deutlichen Überschuss aufweisen sollte, der die Terminkurve stark verflachen dürfte. Eine Netto-Long-Position wurde bis Ende Mai auch bei Weizen und Mais aufgebaut, aber längst nicht in der Größenordnung wie bei Sojabohnen. Die Mais- und Weizenpreise begannen schon zwei Wochen vor dem Ackerflächenbericht des USDA zu fallen. In dieser Zeit wurde bereits die Hälfte der spekulativen Netto-Long-Position bei beiden Getreiden wieder veräußert. Mit dem Bericht des USDA setzte sich an den Märkten kurzzeitig die Meinung durch, dass die Ackerflächenausweitung negativ für Mais und Weizen und neutral bis positiv für Sojabohnen sei. Dadurch verstärkte sich der Verkaufsdruck bei den ersten beiden Getreiden, während bei Sojabohnen zuletzt immer noch eine sehr hohe spekulative Netto-Long-Position gehalten wurde.

Open in new window

• In den nächsten Wochen dürfte sich dies ändern. Der Markt fokussiert sich unserer Ansicht nach viel zu stark auf das Thema der jetzt noch extrem knappen US-Stocks-to-Use-Ratio in Höhe von 3% (Tiberius Schätzung). Ausgeblendet wurde bisher weitgehend, dass im nächsten Marketingjahr 2009/10 lediglich der Sojabohnenmarkt in den USA und global einen deutlichen Überschuss aufweisen dürfte. Die durch Sonderfaktoren bedingte Mehrnachfrage nach US-Sojabohnen (chinesische Importe, Ernteausfälle in Argentinien) läuft bereits diesen Sommer aus. Mit der neuen Ernte (November-Kontrakt) werden reichlich Sojabohnen vorhanden sein. Die US-Stocks-to-Use-Ratio steigt nach unseren Schätzungen von 3,0% auf 11,6% an. Ganz anders dürfte sich hingegen die Tendenz bei Mais entwickeln, dessen US-Stocks-to-Use-Ratio aufgrund der im Energy Act verankerten stetig zunehmenden US-Ethanolnachfrage von 14,5% auf 13,4% sinken dürfte. Bei Weizen erwarten wir auf US-Ebene ebenfalls einen Rückgang der Stocks-to-Use-Ratio von 28,6% auf 25,4%.

• In den monatlich veröffentlichten USDA-Berichten zur Einschätzung der globalen Angebots- und Nachfrageentwicklung im Agrarbereich (WASDE Reports) werden die preisinduzierten Substitutionseffekte immer erst sehr spät in die Schätzungen aufgenommen. Unter den Futtermitteln befindet sich Sojabohnenmehl gegenwärtig auf einem extrem hohen Preisniveau. Weizen- und Maispreise sind hingegen relativ zurückgeblieben. Verschiebungen hinsichtlich der Nachfrage dürften deshalb in den kommenden Monaten durch das USDA vorgenommen werden.

Wir haben trotz der extremen Preisspreads Substitutionseffekte nur zu einem geringen Teil in unsere Schätzungen eingearbeitet. Als zusätzlicher negativer Faktor dürfte den Sojabohnenmarkt belasten, dass es sich bei den Ende Juni berichteten Anbauflächen nicht um das endgültige Resultat handelt. Dieser Bericht bezieht sich auf Befragungen von Bauern innerhalb der ersten beiden Juniwochen, als die Ausbringung des Saatgutes noch nicht abgeschlossen war. Ein verspäteter Verlauf der Saatgutausbringung bewirkt traditionell gegen Ende des Zeitfensters für Mais eine Verschiebung von Maisfläche zu Sojabohnen. Somit könnte die US-Ackerfläche für Sojabohnen letztendlich noch etwas höher als bisher eingestuft ausfallen.

Open in new window

© Tiberius Rohstoff-Research
Stuttgart, den 10.07.2009