Edelmetalle Aktuell
19.06.2009 | Wolfgang Wrzesniok-Roßbach
Gold
Das gelbe Metall musste in den letzten zehn Tagen zwar keinen Erdrutsch hinnehmen, allerdings entfernte sich die Notierung noch weiter weg von der 1.000 $-Marke, deren Überschreiten noch in der ersten Juniwoche nur eine Frage der Zeit zu sein schien. Statt in den vierstelligen Bereich vorzudringen, muss das Metall inzwischen aufpassen, dass sein Preis nicht plötzlich mit einer “8“ beginnt.
Noch allerdings ist es nicht soweit und eine in den letzten Tagen herausgebildete kleinere charttechnische Unterstützung könnte das Schlimmste verhindern. Hierzu müsste die Notierung allerdings über 930 $ verharren und in den nächsten Tagen dann auch wieder leicht ansteigen. Insgesamt wird das Gold aber weiter den Vorgaben von Öl und Dollar folgen.
Falls die oben genannte Marke - möglicherweise aufgrund der genannten externen Faktoren - nicht hält, könnte der Preis dann rasch wieder auf den Tiefstkurs dieser Woche fallen, der bei 925,50 $ gelegen hatte. Sollte sich dann auch diese zweite Unterstützung als zu schwach erweisen, sind Kurse 900 $ je Unze nicht länger auszuschließen. Dies wäre dann aber ein Niveau, bei dem sich sowohl industrielle Verbraucher, wie auch institutionelle Anleger, über das Platzieren von Kaufaufträgen Gedanken machen sollten.
In den letzten Tagen haben sich, wie schon in den Wochen zuvor, eher langfristig orientierte Investoren wieder sehr rar gemacht. Dazu war nicht nur hier in Europa, sondern auch in Asien das Kaufinteresse bei den Investmentbarren ungewöhnlich verhalten. Offensichtlich nähren steigende Aktienkurse und der festere Ölpreis Hoffnungen auf eine Erholung der Weltwirtschaft und drücken aktuell das Gold in seiner Rolle als Versicherung gegen eine tiefergehende Krise ins Abseits. Immerhin gab es in Hongkong unseren Kollegen zufolge erstmals seit einiger Zeit wieder bescheidene Aufgelder für Investmentgold.
Nicht viel besser sah es in den letzten beiden Wochen bei den ETFs aus. Hier wurde z.B. gestern Abend berichtet, dass die Bestände in dem bei weitem größten derartigen Produkt, dem SPDR Gold Trust, bereits seit dem 5. Juni unverändert bei 1.132,15 Tonnen stehen. Der bisherige Rekord hatte am 1. Juni bei knapp über 1.134 Tonnen gelegen.
Auch in der Goldindustrie in Südafrika stehen aktuell Lohnverhandlungen an. Die NUM erklärte hier, dass man mit den Arbeitgebern an einem toten Punkt angekommen sei. Einer Forderung von 15% steht ein zuletzt leicht erhöhtes Angebot von 7% gegenüber. Um einen Streik noch zu verhindern, ist jetzt von beiden Seiten ein Schlichter eingeschaltet worden.
Die englische Beratungsfirma GFMS verwies in einer Erklärung darauf, dass die Rückkäufe von Termingeschäften durch Minen im ersten Quartal auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen seien. Nur 110.000 Unzen seien in diesem Zeitraum gekauft worden.
Silber
Erneut deutliche Verluste musste in den letzten Tagen das Silber hinnehmen. Das Metall fiel angesichts einer neuerlichen Verkaufswelle von über 15,50 $ vor zehn Tagen auf zeitweise nur noch 13,93 $ zurück. Für die Verkäufe waren eindeutig spekulativ orientierte Händler und Fonds verantwortlich und nicht längerfristig orientierte Investoren. So erreichten die Bestände des weltgrößten ETFs am 16. Juni ein neues Allzeithoch in Höhe von 8.724,86 Tonnen. Die Nachfrage nach Investmentbarren war im Gegensatz dazu zwar gering, allerdings gab es von dieser Seite zumindest keine Abgaben.
Die Händler werden auch in den nächsten Tagen weiter auf das Gold und vor allem auch die Charttechnik schauen, beides spricht derzeit dafür, dass zunächst eher die Untergrenze der in unserem letzten Bericht vorhergesagten Handelsspanne zwischen 13 $ und 16 $ getestet wird.
Platin
Der Platinpreis ist in den letzten Tagen trotz eher etwas positiverer Nachrichten in Bezug auf die fundamentale Lage deutlich unter Druck geraten und notierte zeitweise sogar unter der psychologisch wichtigen Marke von 1.200 $ je Unze. Dabei ignorierten die Verkäufer Meldungen über sich stabilisierende Autoverkäufe in Europa ebenso, wie möglicherweise anstehende Streiks in der südafrikanischen Minenindustrie. Auch der erneute Ausfall des wichtigsten Ofens in der Schmelze des drittgrößten Platinproduzenten in Südafrika, Lonmin, konnte keine Gegenbewegung in Form eines gestiegenen Kaufinteresses auslösen. Die Reparaturzeit für den Ofen wurde von Lonmin mit voraussichtlich 30 Tagen angegeben, drei kleinere (Ersatz-)Öfen mit der halben Kapazität des jetzt ausgefallenen sollen aber dafür sorgen, dass es nicht zu einem völligen Produktionsstillstand über den genannten Zeitraum hin kommt.
Das von uns im letzten Bericht für den Fall eines Durchbrechens der Marke von 1.235 $ vorhergesagte Kursziel von 1.170 $ hat das Metall bis jetzt noch nicht erreicht. Allerdings befindet es sich charttechnisch gesehen weiter in einer eher schwierigen Lage und ein weiterer Kursrückgang ist trotz der leichten Erholung in der vergangenen Nacht auf 1.210 $ je Unze nicht ausgeschlossen. Nach unten bildet vor der Marke von 1.170 $ nun der Tiefstkurs dieser Woche in Höhe von 1.190 $ eine erste Unterstützung, auf der anderen Seite des Preisspektrums würde ein Anstieg auf über 1.220 $ zumindest temporär für etwas Entlastung sorgen.
Insgesamt ist das derzeitige Handelsumfeld deutlich von den Aktivitäten der Händler und Spekulanten geprägt. Damit gewinnt, wie bei den anderen Metallen auch, die Charttechnik wieder einen höheren Stellenwert, als dies in den letzten Monaten, die überwiegend von fundamentalen Nachrichten geprägt waren, der Fall war. Mit dieser Entwicklung kehrt auf dem Platinmarkt auch ein Stück mehr Normalität ein, hin zu einer Situation, wie sie vor den Stromproblemen in Südafrika Anfang 2008 und dem späteren Wirtschaftskollaps bestand. Damit einher geht aber auch die Wahrscheinlichkeit einer zukünftig wieder höheren Volatilität des Preises.
Langfristig orientierte Käufer von ETFs (die in der letzten Woche wieder auf der Käuferseite standen), oder auch von Investmentbarren, büßen dagegen einen Teil der Bedeutung, die sie in den letzten 12 - 18 Monaten hatten, ein.
Nachdem wir schon in unserer letzten Ausgabe über das Plus beim PKW-Absatz in China berichtet hatten, wurden in dieser Woche u.a. die gesamteuropäischen Zahlen veröffentlicht:
Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters bremsen die von immer mehr Staaten gewährten Abwrackprämien für alte Autos die Talfahrt bei den Verkaufszahlen in Europa deutlich ab. Vor allem ein Anstieg der Neuzulassungen in den beiden größten Ländern Deutschland (plus 40 Prozent) und Frankreich (plus zwölf Prozent) sorgte im Mai dafür, dass sich der Verkaufsrückgang aller 15 westeuropäischen EU-Mitgliedsländer zusammen mit minus drei Prozent in Grenzen hielt. In den neuen EU-Ländern Osteuropas brachen die Neuregistrierungen dagegen um 26 Prozent ein. Europaweit ergab sich nach Angaben des europäischen Herstellerverbandes ACEA dadurch ein Verkaufsrückgang um fünf Prozent auf 1,3 Millionen Fahrzeuge.
Auch auf der anderen Seite des Atlantiks gibt es Erfolge mit einer staatlichen Verschrottungsprämie. Die Neuzulassungen in Brasilien kletterten im Mai um drei Prozent auf 237.400 Pkw. Damit ergibt sich laut Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) seit Jahresbeginn ein leichter Zuwachs von einem Prozent auf 1,1 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.
Den russischen Automobilmarkt hat die Wirtschaftskrise dagegen voll erwischt. Die Neuzulassungen brachen um 58 Prozent auf rund 119.400 Fahrzeuge ein, weil der Neuwagenkauf wegen der hohen Kreditzinsen für viele Russen unerschwinglich geworden ist. Der russische Automobilverband fordert daher eine deutliche Ausweitung der staatlich geförderten Kreditvergabe.
In Indien, dessen Automarkt noch in den Kinderschuhen steckt, blieb die Pkw-Nachfrage im Mai nahezu stabil. In dem bevölkerungsreichen Land wurden im vergangenen Monat 140.800 Pkw neu registriert, ein Prozent weniger als vor einem Jahr. Seit Jahresbeginn errechnete der VDA ein leichtes Zulassungsplus von fast zwei Prozent.
Der weltweite Erfolg von Abwrackprämien und anderen staatlichen Unterstützungsprogrammen hat jetzt auch den Gesetzgeber in den USA bewogen, ein entsprechendes Programm aufzulegen. Der US-Kongress hat dazu in der vergangenen Nacht Grünes Licht für eine in letzter Minute allerdings etwas abgespeckte US-Version der Abwrackprämie gegeben. Statt den ursprünglich geplanten 4 Milliarden Dollar für die Aktion genehmigte der Kongress nun nur eine Milliarde. Dadurch sollen aber immerhin rund 250.000 Alt-Fahrzeuge durch neuere, spritsparende Modelle ersetzt werden. Die US-Regierung erhofft sich durch das Programm “Cash for Clunkers“ (“Bares für Rostlauben“) neben zusätzlichen Autoverkäufen auch eine Senkung des Ölverbrauchs und der Schadstoffemissionen.
Die südafrikanischen Platinmetallproduzenten freuen sich in der aktuellen Lage sicher über jede Unterstützung des Absatzes, zumal sie derzeit von den Gewerkschaften mit einer ausgesprochen hohen Lohnforderung konfrontiert werden. So verlangt die National Union of Mineworkers (NUM) von Impala - das Unternehmen ist die Nr. 2 am Kap - einen Anstieg der Löhne um 20%. Damit soll das Einstiegsgehalt für die Bergleute auf 5.000 Rand (ca. 450 €) pro Monat angehoben werden. Für die Zukunft soll der neue Vertrag außerdem auch nur ein Jahr statt bisher zwei gelten. Dies dürfte die Unruhe und die Chance auf mögliche Streiks in der Minenindustrie verstärken und vielleicht nicht im Moment, aber in Zeiten eines höheren Wachstums der Weltwirtschaft die Gefahr von erratischen Preissprüngen verstärken. Von Anglo Platinum, dem Marktführer in Südafrika, verlangt die NUM eine Lohnerhöhung um 15%. Damit beläuft sich auch hier die Forderung auf deutlich mehr als die derzeitige Inflationsrate in Südafrika, die bei etwas über 8% liegt.
Palladium
Das, was die Produktion angeht, bedeutendste Metall der Platingruppe zeigt in den letzten Tagen eine erstaunliche Widerstandkraft gegen die Verluste der anderen Edelmetalle. Am Ende fiel die Notierung nach einem kurzen Anstieg in der Mitte der vergangenen Woche zwar kontinuierlich zurück, mit aktuell 240 $ je Unze liegt die Notierung aber noch immer auf einem vergleichsweise hohen Niveau.
Anders als beim Platin hatte beim Palladium die erste wichtige charttechnische Unterstützung zunächst gehalten und eine neu herausgebildete Trendlinie sorgt aktuell bei 238 $ für zusätzliche Stabilität. Sollte das Metall allerdings unter 235 $ fallen, sind auch Kurse von 220 $ nicht auszuschließen.
Rhodium, Ruthenium, Iridium
Seit gestern beobachten wir beim Rhodium ein leicht steigendes Verkaufsinteresse von Händlern. Offensichtlich bildet die Marke von 1.500 $, insbesondere auch angesichts eines fallenden Platinpreises, eine nicht so leicht zu durchbrechende Hürde. Nach unten sehen wir derzeit aber ebenfalls wenig Potenzial, spätestes bei 1.350 $ je Unze dürfte ein Preisverfall vorerst stoppen.
Wieder einmal keine Änderungen gab es bei Iridium und Ruthenium, die bei 400 $ - 430 $, bzw. bei 70 $ - 100 $ notieren.
© Wolfgang Wrzesniok-Roßbach
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