Szenarien für Gold und eine Radikalkur für die Finanzmärkte
31.03.2009 | Jochen Steffens (Stockstreet)
US-Finanzminister Timothy Geithner hat letzte Woche dem US-Kongress sein Konzept zur Regulierung der Finanzmärkte vorgestellt. Demnach soll es eine einzige, große Aufsichtsbehörde geben, die auch Hedgefonds, Versicherungen und Credit Default Swaps (CDS) kontrollieren soll. Die Aufsichtsbehörde soll dabei bestimmte Bereiche sichern:
- Systemische Risiken sollen vermieden werden.
- Regulative Lücken sollen geschlossen werden.
- Der Schutz der Verbraucher muss gewährleistet werden.
- Eine internationale Koordination muss ermöglicht werden.
Witzig finde ich die Reaktion der Märkte. Während in den letzten Jahrzehnten jede regulatorische Maßnahme mit Kursverlusten abgestraft wurde, war das Konzept von Geithner gestern von Kursgewinnen begleitet.
Es ist natürlich sinnvoll, gerade die CDS und größere Hedgefonds zu kontrollieren, aber man muss sich fragen, ob eine zu starke Regulation nicht doch schädlich für die Börsen und damit auch für die US-Wirtschaft sein wird. Man kennt doch die Menschen, sie neigen dazu, nach Krisen und Katastrophen immer ein wenig über zum Überreagieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass in 10 bis 15 Jahren wieder der Ruf nach Deregulierung laut wird. Aber das ist ein anderes Thema.
Nasdaq100 scheitert am Widerstand
Bevor ich zu dem Goldthema komme, noch kurz zum Markt: Der Nasdaq100 ist bereits gestern mit Dynamik an die 1287er Marke (siehe Steffens-Daily von gestern) gelaufen. Das Hoch lag bei 1281. Er hat damit den wichtigen Widerstand erreicht. Heute ist er erst einmal an dieser Marke abgeprallt, aber das ist auch nicht verwunderlich nach diesem steilen Anstieg der letzten Wochen. Die Bullen müssen Kraft sammeln. Jetzt muss sich zeigen, ob er nach ein, zwei oder mehr schwächeren Tagen diese Marke überwinden kann oder zurück an die 1.160/40er Marke läuft.
Gold und ein großer psychologischer Widerstand
Ich habe in den letzten Wochen von Ihnen immer wieder Fragen zum Gold erhalten. Darauf will ich heute eingehen.
Die Frage, ob Gold seinen bisherigen Aufwärtstrend fortsetzt und dynamisch weiter steigt, hängt natürlich auch mit der Frage zusammen, ob es zu einer Deflation oder Inflation kommen wird. Sollte es der Fed gelingen, die aktuelle Deflationsgefahr durch ihre massiven Kapitalmaßnahmen zu besiegen, besteht die Gefahr, dass auf der anderen Seite Inflation auf uns wartet. Das wird insbesondere dann geschehen, wenn die Fed es versäumt, rechtzeitig die Zinsen wieder anzuheben und die Geldmenge abzuschöpft.
Gold, die Inflationsanlage
Bei einer Inflation wird der Goldpreis in Dollar massiv zulegen. Angesichts der strukturellen Probleme wird Gold dann mindestens auf 1.300-1.500 Dollar steigen, je nach Art und Stärke der Inflation auch durchaus höher.
Deflation ist nicht gut für den Goldpreis
Eine Deflation ist dadurch gekennzeichnet, dass sich im Verhältnis zum Geld Vermögenswerte verbilligen. In diesem Zusammenhang kann auch der Goldpreis deutlicher zurückkommen. Insbesondere dann, wenn es zu einer Weltwirtschaftskrise kommt, kann ein Mangel an Nachfrage den Goldpreis unter Druck setzen. Hinzu kommt die Gefahr, dass Regierungen ihre Goldbestände auf den Markt werfen, um Konjunkturprogramme zu finanzieren oder einfach nur, um die Verschuldung in den Griff zu kriegen. In einer Deflation werden Schulden quasi “aufgewertet“. Positiv könnte sich auswirken, dass die Sorge vor Währungsreformen, politischen Instabilitäten und anderen Faktoren den Wunsch fördert, physisches Gold als Sicherheit zu besitzen. Unter dem Strich ist in einer Deflation aber nicht mit einem starken Anstieg des Goldpreises zu rechnen. Wenn es gut läuft, kommt es zu einer Seitwärtsbewegung oder einem sehr leichten Aufwärtstrend. Doch wahrscheinlicher ist ein Preisrückgang.
Da wir zurzeit noch nicht wissen, ob das größte Fed-Experiment zur Deflationsbekämpfung funktionieren wird, ist für Gold im Moment leider eine klarere Aussage nicht möglich. (Ansonsten hätte ich auch schon davon berichtet.)
Gold im Chart
Es bleibt der Chart. Doch auch dieser spiegelt die noch bestehende Unsicherheit wieder. Vielleicht wird der Goldpreis sogar ein früher Anzeiger dafür werden, wann und ob die Fed die Deflation besiegen kann.

Noch ist der Aufwärtstrend im Gold eindeutig intakt. Gold scheitert allerdings an der psychologisch wichtigen 1.000-Dollar-Marke. Das ist nicht außergewöhnlich. Es gibt unzählige Beispiele in Charts, dass an derart bedeutenden psychologischen Marken Wertpapiere erst einmal eine zum Teil auch längere Konsolidierung einleiten. Bestes Beispiel ist wohl die 1.000-Punkte-Marke im Dow Jones, die über 20 Jahre nicht überwunden werden konnte. Aber auch im DAX gab es die 4.000 Punkte-Marke und die 5.000-Punkte-Marke, an der die Kurse einige Wochen und Monate konsolidierten.
Der Paradigmenwechsel
Leider ist im Vorfeld nicht prognostizierbar, wie lange ein Wertpapier oder ein Rohstoff an einer solchen Marke zu knabbern hat. Ein Indiz ist, wie wichtig diese Marke ist. Und die 1.000-Dollar-Marke im Gold stellt einfach einen Paradigmenwechsel dar. Somit kann es also gut sein, dass wir noch länger mit dieser Marke zu tun haben. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Kurse nach einem massiven Ausbruch diese Marke auch noch einmal von oben testen werden. Auch das sollte man im Hinterkopf behalten.
Das große Doppeltop
Aber es gibt auch noch ein anderes Szenario, auf das ich zumindest aufmerksam machen will. Dieses habe ich im Chart oben eingezeichnet. Kurse verhalten sich gerne symmetrisch. Denken wir die Bewegung des Goldpreises symmetrisch weiter (siehe rot gestrichelte Linien), entsteht ein mögliches Doppeltop.
Und es gibt ein paar kleine Hinweise, die die These eines Doppeltops unterstützen. Der vorherige Ausbruch aus dem großen Trend nach oben weist auf einen Übertreibungsphase hin. Diese haben wir zu diesem Zeitpunkt auch in den Medien miterleben können. Der zweite Angriff auf die Marke direkt anschließend scheiterte, so dass es zu einem doch extrem starken Einbruch kam. Und jetzt droht auch der dritte Angriff auf diese Marke zu scheitern. Sollte das passieren und anschließend auch noch ein vierte Angriff scheitern, werden die Goldbullen zunehmend die Geduld verlieren. Dann ist ein erneuter starker Kursrückgang auf 700 Dollar wahrscheinlich. Sollte diese Marke im weiteren Verlauf auch noch unten gebrochen werden, wäre das Doppeltop vollendet. Anschließend müsste mit Kursen um die 400 Dollar (!) gerechnet werden. Auch das wieder ein Szenario, mit dem so eigentlich fast niemand rechnet und das allein deswegen schon Beachtung verdient.
Umschichtung aus der Sicherheit
Der Einbruch auf die 700-Dollar-Marke könnte zum Beispiel im Zusammenhang mit einem stärkeren Anstieg der Aktienmärkte stehen. Anleger, die sehen, dass Gold sich nicht bewegt, während auf dem Aktienmarkt die dicken Gewinne gemacht werden, könnten dazu verleitet werden, Positionen zumindest teilweise umzuschichten - von Sicherheit zur Rendite.
Wieder nur ein Szenario
Noch ist es zu früh, wirklich bearish für Gold zu werden, noch ist der Aufwärtstrend intakt und es besteht die durchaus reelle Chance, dass Gold nach oben ausbricht oder eine Weile um / unter der 1.000-Dollar-Marke fluktuiert. Aber dieses Szenario im Chart passt vom Prinzip her zu der Analyse von gestern, die sich ebenfalls um den blinden Fleck der Märkte drehte.
Sollte sich Gold jedoch an die hier eingezeichneten rot gestrichelte Prognoselinie halten oder im Zuge weiterer Kurssteigerungen im Aktienmarkt deutlicher unter Druck kommen, ist auf jeden Fall Vorsicht angesagt. Leider gibt es zurzeit viele Analysten, die sich allzu sicher sind, dass Gold auf jeden Fall über kurz oder lang weiter steigen wird. Einige Indizien sprechen gerade im langfristigen Kontext dafür. Aber eins darf man sich an den Börsen trotzdem NIE sein: Sicher...
Viele Grüße
© Jochen Steffens
Quelle: Auszug aus dem Newsletters “Steffens Daily“