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Surrealer Uran-Markt - niemand ahnt, was sich zusammenbraut!

11.08.2020 | 7:00 Uhr | Uli Pfauntsch, CompanyMaker

Gold ist nicht das einzige "gelbe" Metall, das dieses Jahr gut läuft. Auch Uranaktien konnten über den Monat Juli zulegen. Zumindest bis vor einigen Tagen.

Der Grund ist offensichtlich - denn Cameco kündigte an, seine Cigar Lake Mine - die weltweit größte, hochgradige Uranmine - im September neu zu starten. Das kam für einige Marktteilnehmer vermutlich überraschend früh. Kurzum, der Markt mochte die Nachricht nicht und die Aktie von Cameco verlor an Boden.

Zuvor floss vermehrt frisches Kapital in den Uransektor, was sich etwa an Kurs und Volumen der Aktie von Uranium Participation Corp. zeigte, ehe die Notierungen infolge der Cameco-News wieder zurückkamen.

Doch der Markt scheint zum jetzigen Zeitpunkt noch längst nicht zu ahnen, was sich hinter den Kulissen zusammenbraut. Um Cigar Lake bereits im September zu starten, muss Cameco sehr gute Gründe haben. Die Mine besitzt eine Kapazität von 18 Millionen Pfund Uran/Jahr. Der gesamte Ausstoß in 2020 wird auf 10,6 Millionen Pfund geschätzt. Gleichzeitig warnte das Unternehmen, dass Verzögerungen und Aufschübe in 2020 die Produktionsrate in 2021 negativ beeinflussen könnten.

In einer Einschätzung vom 29. Juli äußerte sich die Scotiabank skeptisch zu den Plänen. Die Analysten schätzen derzeit den Neustart für Anfang 2022. Demzufolge sieht man ein sehr großes Defizit im Uranmarkt von 39 Millionen Pfund in 2021 voraus. Die Wiederaufnahme der Produktion auf Cigar Lake würde das Defizit auf 21 Millionen Pfund reduzieren - was noch immer bedeutende 12 Prozent der globalen Nachfrage wären.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die Produktion auf Cigar Lake dazu bestimmt ist, vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Damit kommt kein zusätzliches Material auf den Spotmarkt.

Cameco war dieses Jahr sehr aktiv auf dem Spotmarkt. Insgesamt kaufte das Unternehmen 19,3 Millionen Pfund zu durchschnittlich 30 Dollar je Pfund, einschließlich erheblich höhere 14,7 Millionen Pfund in Q2/2020.

Das bedeutet, dass die Urankäufe von Cameco über das restliche Jahr abnehmen werden. Doch der springende Punkt ist folgender: Selbst dann, wenn Cameco den Neustart von Cigar Lake in Rekordzeit bewerkstelligt (was aufgrund der Infektionslage in Saskatchewan unsicher bleibt), wird für dieses Jahr fast eine halbe Jahresproduktion nicht in den Markt geliefert.

Das alles macht Uranaktien bei Rücksetzern zu einer großartigen antizyklischen Gelegenheit – insbesondere deshalb, weil die Hausse bei den meisten anderen Aktien bereits sehr stark gereift ist und die Gefahren zunehmen.


Kazatomprom - es ist offiziell!

Der dominierende Player im Uransektor, Kazatomprom, bestätigte zuletzt stillschweigend, dass man damit begonnen hat, ein Käufer im Spotmarkt zu werden. Im letzten Absatz des "Q2/2020 Operations and Trading Update" heißt es:

"Das Unternehmen strebt weiterhin einen laufenden Lagerbestand von etwa sechs bis sieben Monaten jährlicher zurechenbarer Produktion an. Es wird jedoch erwartet, dass die Lagerbestände in den Jahren 2020 und 2021 unter diese Werte fallen, ohne dass in diesen Zeiträumen Produktionsausfälle aufgeholt werden können. Daher wird das Unternehmen die Marktbedingungen weiterhin auf Möglichkeiten zur Optimierung seiner Lagerbestände überwachen und hat zum Ende des zweiten Quartals einige Mengen auf dem Spotmarkt gekauft".

Es ist wichtig, darüber nachzudenken, was diese Ankündigung bedeutet. Ich frage Sie: In welchem Rohstoffmarkt hat es jemals die Situation gegeben, dass die beiden global dominierenden Produzenten am Markt Material aufkaufen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen - und das auch noch inmitten eines Defizits!?

Es ist ohne jedes Beispiel im Uran oder jedem anderen gehandelten Metall. So gab es infolge COVID-19 etwa auch im Silber ein Defizit, doch es gab keinen einzigen Produzenten, der das Metall am Markt aufkaufte.


Produktion "schwerwiegend beeinträchtigt"

Kazatomprom plant nun das schrittweise Hochfahren seines Betriebes. Im Update des Unternehmens heißt es: "Mit sorgfältig ausgearbeiteten Plänen glaubt das Unternehmen, dass es mit Einhaltung der Distanzierungs- und Hygieneanforderungen bei Schichtwechseln und im täglichen Betrieb seine Belegschaft wieder sicher schrittweise zu den Minenstandorten zurückbringen kann.

In der ersten Augusthälfte wird erwartet, dass die Mitarbeiter mobilisiert werden. COVID-19-Tests werden für alle Mitarbeiter durchgeführt, die vor Ort zurückkehren. Es wird erwartet, dass die Standorte innerhalb von zwei bis drei Wochen wieder normal besetzt sind. Der Hochlauf wird nach strengen Gesundheits- und Sicherheitsprotokollen durchgeführt, um das Risiko eines möglichen Ausbruchs zu minimieren. Es wird jedoch erwartet, dass das Produktionsniveau für das zweite Halbjahr durch die viermonatige Stilllegung schwerwiegend beeinträchtigt wird".


"Surreale" Situation am Spotmarkt!

Cameco war mit 19,3 Millionen Pfund Uran in diesem Jahr der größte Käufer. Doch auch kleinere Player wie Peninsula und Ur-Energy kaufen am Spotmarkt, um ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Und Orano (der weltweit drittgrößte Uranproduzent) wird sich angesichts seiner Produktionsausfälle aus Cigar Lake und Kasachstan ebenfalls fragen, wann die beste Zeit ist, um am Spotmarkt aktiv zu werden. Nicht zu vergessen, dass Orano seine Produktion aus Cominak im Niger ab kommenden März verliert und zusätzlich 5,4 Millionen Pfund Uran in 2023 aus einem Leihgeschäft an Cameco liefern muss.

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Die eigentlich interessante Botschaft ist nicht, dass Kazatomprom gezwungen ist, am Spotmarkt zu kaufen. Dies wurde vom Management bereits im Vorfeld angedeutet. Es ist vielmehr der frühe Zeitpunkt. Anstatt die Lagerbestände abzubauen, hat Kazatomprom entschieden, zu Preisen oberhalb von 30 Dollar mit Käufen am Spotmarkt zu beginnen. Eine solche Entscheidung erfolgt nicht ohne Grund - und deutet nicht darauf hin, dass der weltgrößte Uranproduzent über das kommende Halbjahr einen Markt mit reichlich verfügbarem Angebot erwartet.

Händler werden zweimal überlegen, ob sie in einen Spotmarkt verkaufen, der bereit ist, im Preis anzusteigen und werden eher zu Nettokäufern, um Versorger via Carry-Trade zu bedienen.

Aufgrund der Tatsache, dass Spot-Transaktionen bis zu 12 Monaten im Voraus geliefert werden können, ist sehr wahrscheinlich, dass einige Trader in die "Short-Falle" getappt sind, indem sie Uran bereits zu einem Zeitpunkt verkauft hatten, bevor COVID-19 die Uran-Welt auf den Kopf stellte.

Nicht zu vergessen sind ebenso die physischen Urankäufer wie Uranium Participation und Yellow Cake Plc. Diese hatten es zuletzt mit Unternehmensbewertungen zu tun, die weit unter ihrem Buchwert lagen und verkauften teilweise physisches Uran, um mit dem Erlös Aktienrückkäufe zu finanzieren. Doch die Lage könnte sich rasch ändern.

Sollte Yellow Cake auf oder über dem Net Asset Value notieren, kann das Unternehmen jederzeit seine Option zum Kauf von 3 Millionen Pfund Uran von Kazatomprom ziehen - noch vor Dezember. Dann wäre der weltgrößte Uranproduzent gezwungen, seine Spotkäufe erheblich auszuweiten. Damit würde sich die bereits dramatische Lage am Spotmarkt zusätzlich zuspitzen.

Noch schneller könnte das Wall Street Kapital der Hedgefonds und Banken reagieren, die nun wissen, dass der Ausgang über einen illiquiden Markt erzwungen werden könnte.

Zu guter Letzt fehlt noch die wichtigste und größte Käufergruppe am Spotmarkt. Im Update von Kazatomprom heißt es dazu: Die Versorger blieben weitgehend an der Seitenlinie, wobei ihr Schwerpunkt auf der Gewährleistung der Sicherheit und Kontinuität ihrer Betriebsumgebungen inmitten von COVID-19 lag. Produzenten und Vermittler waren daher während des gesamten Quartals die Hauptabnehmer auf dem Spotmarkt und ersetzten verlorene Produktionsmengen durch Tonnage vom Spotmarkt, um ihre Lieferverpflichtungen zu unterstützen".


Beispiellose Lage und Auswirkung auf die Uranpreise!

Die beiden weltgrößten Produzenten kaufen nun im Spotmarkt, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Es ist eine beispiellose Situation, die im Uran oder jeglichen anderen Rohstoffen noch nie vorgekommen ist. Beide Player haben gute Gründe, ihre stillgelegte Produktion neu zu starten - da sie befürchten müssen, dass der Spotmarkt in absehbarer Zeit austrocknet und die Verpflichtungen somit nicht zu erfüllen wären.

Betrachten wir all das, was sich hinter den Kulissen zusammenbraut, hat der Markt die Nachricht von Cameco klar fehlinterpretiert. Deshalb bietet der Rücksetzer die vielleicht letzte antizyklische Kaufgelegenheit. Denn selbst dann, wenn es den beiden dominierenden Uranproduzenten gelingt, in Rekordzeit hochzufahren, bleibt ein enormes und nicht aufholbares Defizit im Uranmarkt. Zu bedenken ist, dass das Hochfahren einer Uranmine kein einfaches Vorhaben ist - insbesondere, was die COVID-19 Infektionsgefahr betrifft. Das Risiko, dass es zu Ansteckungen kommt, ist nicht zu unterschätzen. So haben sich etwa in Polen rund 20 Prozent aller Minenarbeiter mit COVID-19 infiziert.

Ob mit oder ohne COVID-19 steht fest: Die Lage am Uranmarkt ist zunehmend surreal und die Preise müssen sich mindestens verdoppeln, um den Anreiz für dringend benötigte Produktion zu schaffen!

Uran ist als Treibstoff für Atomreaktoren zur Stromerzeugung unverzichtbar. Dennoch ist die Bewertung für einen Sektor, der einen dringend benötigten Rohstoff bereitstellt, unfassbar gering. So kommt der gesamte globale Uransektor nur etwa auf ein Drittel des Börsenwerts von Barrick Gold.

Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn sich das Wall Street Kapital ein Ventil in einen Sektor sucht, der aus nur 50 börsennotierten Uranunternehmen besteht. Trifft die Kapitalflut auf einen engen, ausgetrockneten Markt, ist der Effekt in etwa so, als ob sich der Hoover-Staudamm seinen Weg durch einen Vorgarten bahnt.

Beginnt der Markt auf einen Anstieg der Uranpreise auf ein Level zu spekulieren, zu dem die Assets der Uranunternehmen gewinnbringend in Produktion gebracht werden können, werden die Anstiege der Uranaktien - ähnlich wie in der Zeit von 2005 bis 2007 - alles andere in den Schatten stellen!

Im CompanyMaker erfahren Sie Woche für Woche alles, was Sie zu Uran und Uranaktien wissen müssen!


© Uli Pfauntsch
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