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Preiskorrektur bei Rohöl und Gold

15.08.2017 | 11:21 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Energie

Die Ölpreise sind gestern um 2,5% gefallen und haben den seit Ende Juni bestehenden Aufwärtstrend wieder nach unten verlassen. Zwar ließe sich der Preisrückgang mit einer geringen Ölnachfrage in China - im Juli ist die Rohölverarbeitung dort auf 10,7 Mio. Barrel täglich gefallen, den niedrigsten Stand seit September 2016 - oder der Aufwertung des US-Dollar erklären.

Wir sehen aber auch technische Indikatoren und den Rückzug der Anleger als verantwortlich für die Preisschwäche, nachdem diese zuletzt ihre Netto-Long-Positionen bei Brent an der ICE auf ein Viermonatshoch von über 417 Tsd. Kontrakten, bei Gasöl sogar auf ein Rekordhoch von mehr als 137 Tsd. Kontrakten erhöht haben. Bei einer spekulativen Überhitzung können bereits kleine belastende Nachrichten zum Stimmungsumschwung und einer Preiskorrektur führen. Vor allem ist die Versorgungslage weiterhin sehr entspannt.

So rechnet die US-Energiebehörde damit, dass die US-Schieferölproduktion im September um fast 120 Tsd. Barrel auf einen Rekordwert von 6,15 Mio. Barrel täglich steigen wird. Dabei stieg auch die Anzahl der sog. DUCs, d.h. der noch nicht fertiggestellten Bohrlöcher, im Juli erstmals auf über 7000. Auf Basis der von der EIA für September geschätzten Produktivität der neuen Bohrlöcher von 645 Barrel täglich, ergäbe sich bei vollständiger Erschließung ein zusätzliches Produktionspotenzial von 4,5 Mio. Barrel täglich.

Auch wenn das ein reines Gedankenspiel ist, dürfte ein steigender WTI-Preis zu einer wieder höhere Fertigungsstellungsquote der Bohrungen führen. Man stellt also fest, dass solange die US-Schieferölindustrie in der Lage ist, ihre Produktion zu steigern, die auf Preisanstieg getrimmte OPEC-Strategie scheitern dürfte.

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Edelmetalle

Gold steht seit gestern unter Druck und fällt am Morgen unter 1.275 USD je Feinunze. Der festere US-Dollar belastet Gold ebenso wie der Rückgang der Risikoaversion, nachdem die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA etwas nachgelassen haben. Insbesondere die Gefahr eines militärischen Konflikts im ostasiatischen Raum hatte den Goldpreis in der letzten Woche stark ansteigen lassen.

Es waren aber vor allem spekulative Finanzanleger, die in Erwartung eines steigenden Goldpreises Kaufpositionen eingingen und damit den Preis nach oben trieben. Diese Anleger dürften nun Gewinne mitnehmen, was den Goldpreis wieder nachgeben lässt. Die ETF-Anleger haben dagegen gestern erstmals seit längerem wieder nennenswert Gold gekauft.

Die Bestände der von Bloomberg erfassten Gold-ETFs stiegen um 6 Tonnen. Davon entfielen 4 Tonnen auf den SPDR Gold Trust, der somit erstmals seit Ende Juni wieder Zuflüsse verzeichnete. Der größte Goldverarbeiter in Indien rechnet mit einem Anstieg der indischen Goldimporte in diesem Jahr um ein Drittel auf 750 Tonnen. Der Großteil der Importe dürfte dabei bereits erfolgt sein.

Laut Thomson Reuters GFMS lagen die Goldimporte nach sieben Monaten bei 550 Tonnen. Die Einführung der Steuer auf Goldkäufe Anfang Juli dürfte das Kaufinteresse zunächst merklich bremsen. Unterdessen importieren indische Goldhändler verstärkt Gold aus Südkorea, um die Importsteuer zu umgehen. Im Juli und August könnten sich die Goldeinfuhren aus Südkorea in Summe auf bis zu 25 Tonnen belaufen.


Industriemetalle

China setzt eine Resolution der Vereinten Nationen um und wird vorerst unter anderem keine Kohle, kein Eisenerz und kein Blei bzw. Bleierz mehr aus Nordkorea importieren. Laut Angaben des Handelsministeriums werden die Einfuhren ab dem 5. September eingestellt. Während dies für Nordkorea eine massive wirtschaftliche Schwächung bedeuten dürfte, da China der Hauptabnehmer nordkoreanischer Produkte ist, hat dies für China selbst kaum Auswirkungen.

Im Falle von Eisenerz hat China im ersten Halbjahr 2017 aus Nordkorea Daten der Zollbehörde zufolge 1,34 Mio. Tonnen importiert (monatlich gut 220 Tsd. Tonnen im Durchschnitt). Dies waren jedoch nur 0,25% der gesamten chinesischen Eisenerzimporte in diesem Zeitraum. Dieser Ausfall sollte also problemlos aufgefangen werden können.

Im Falle von Bleierz sind die Zahlen relativ betrachtet höher. Einfuhren von 64,6 Tsd. Tonnen im ersten Halbjahr entsprechen einem Anteil von 10% an den gesamten Bleierzimporten Chinas von Januar bis Juni. Dieses Material wird China zukünftig also aus anderen Ländern importieren oder selbst mehr Bleierz im eigenen Land fördern müssen.

Ausreichende Vorkommen scheint es jedenfalls zu geben: Gemäß Daten der International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) wurde die weltweite Bleiminenproduktion in den ersten fünf Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr um fast 13% auf 2,2 Mio. Tonnen ausgeweitet. Auf ihrer Frühjahrstagung Ende April prognostizierte die ILZSG für 2017 eine Bleiminenproduktion von 4,9 Mio. Tonnen.


Agrarrohstoffe

Der leichte Preisanstieg bei Rohzucker seit Ende Juni wurde in der ersten Augusthälfte wieder neutralisiert. Trotz des gestrigen leichten Anstiegs notiert Rohzucker in New York aktuell bei 13,5 US-Cents je Pfund 10% niedriger als zu Monatsbeginn. Der rasche Fortschritt der Zuckerrohrverarbeitung im brasilianischen Anbaugebiet Center-South drückt auf die Notierungen. Die Zuckerindustrievereinigung Unica hatte für die zweite Julihälfte die Produktion von 3,41 Mio. Tonnen Zucker gemeldet. So viel Zucker war noch nie in einer Periode von 15 Tagen produziert worden.

Auch die verarbeiteten 50,7 Mio. Tonnen Zuckerrohr brechen den bisherigen Rekord. Davon wurde die Hälfte der Zuckerproduktion zugeführt, deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Ernte und Verarbeitung kam die trockene Witterung zupass. Zuletzt allerdings überwogen angesichts der Trockenheit im Juli und bisherigen August die Sorgen über die Entwicklungsmöglichkeit des erst später in der Saison erntereifen Rohrs. Nun aber versprechen die Wetteraussichten für die nächsten Tage die dringend erwarteten Regenfälle.

Mittelfristig sehr wichtig dürfte die Überarbeitung der brasilianischen Biokraftstoff-Politik sein. Ein neues staatliches Programm hat zum Ziel, die Biokraftstoffmenge zu erhöhen, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren. In den letzten Jahren hatten viele Ethanolproduzenten unter der Konkurrenz billigen Benzins gelitten. Würde nun mehr Zuckerrohr der Ethanol- statt der Zuckerherstellung zugeführt, könnte dies den Zuckerpreis stützen.


[pagebreak]Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets



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