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Gold einmal mehr der sichere Hafen

19.07.2016 | 6:00 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Der Goldpreis ist nach dem Brexit-Referendum auf ein Mehrjahreshoch gestiegen. Die US-Notenbank Fed dürfte sich aufgrund der Unsicherheit mit der nächsten Zinserhöhung noch mehr Zeit lassen. Die Gold-ETFs verzeichnen weiterhin massive Zuflüsse. Allerdings war der Preisanstieg zum Teil auch spekulativ getrieben, was für ein gewisses Korrekturpotenzial sorgt. Wir erachten es allerdings als unwahrscheinlich, dass der Goldpreis auf das Niveau von vor der Brexit-Abstimmung zurückfällt und haben daher unsere Preisprognose für das Jahresende auf 1.350 USD je Feinunze erhöht.

Gold wurde seiner Rolle als sicherer Hafen zuletzt eindrucksvoll gerecht. Nachdem sich eine knappe Mehrheit der Briten am 23. Juni überraschend für den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU ausgesprochen hatte, stieg der Goldpreis am Tag der Ergebnisveröffentlichung zwischenzeitlich um 8% bzw. um mehr als 100 USD je Feinunze. Das war der stärkste prozentuale Tagesanstieg seit der Finanzkrise im Herbst 2008. Gold in Euro gerechnet verteuerte sich noch wesentlich stärker - es legte in der Spitze um 13% bzw. gut 140 EUR je Feinunze zu.

Die bemerkenswerteste Bewegung fand aber bei Gold in Britischen Pfund gerechnet statt. Da das Britische Pfund nach der „Brexit“-Entscheidung gegenüber dem US-Dollar auf den tiefsten Stand seit über 30 Jahren fiel, sprang Gold in der Spitze um fast 19% und überwand erstmals seit mehr als drei Jahren die Marke von 1.000 GBP je Feinunze. Auch drei Wochen nach der Brexit-Entscheidung ist kein Ende des Höhenfluges in Sicht. Anfang Juli stieg Gold auf ein 28-Monatshoch von 1.375 USD je Feinunze und ist in Euro gerechnet mit 1.245 EUR je Feinunze so teuer wie zuletzt vor 3¼ Jahren.

Ähnliches gilt für Gold in Britischen Pfund mit knapp 1.070 GBP je Feinunze. Seit dem Brexit-Referendum hat Gold in Britischen Pfund um 25% zugelegt. In Euro beläuft sich der Anstieg auf 13%, in USD auf knapp 10%.

Auch wenn sich die Lage allmählich beruhigen dürfte, wird das Thema Brexit die Märkte wohl noch lange beschäftigen. So könnte das Ergebnis der Volksabstimmung in Großbritannien auch Auswirkung haben auf die kommenden Wahlen oder Abstimmungen in anderen EU-Ländern. So muss zum Beispiel Anfang Oktober die Stichwahl zum Bundespräsidenten in Österreich wiederholt werden. Auch hier dürfte ein EU-Austritt im Wahlkampf thematisiert werden.

In Italien steht im Herbst ein Verfassungsreferendum an, welches zu Neuwahlen und zu einer EU-kritischen Regierung führen könnte. Ebenfalls im Herbst wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Die Unsicherheit, wie es vor allem auf der politischen Bühne weitergeht, sollte Gold unseres Erachtens in den nächsten Monaten gut unterstützen.

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Neben dem Brexit-Thema ist mit der Krise der italienischen Banken ein weiterer preisunterstützender Faktor hinzugekommen. Diese sitzen auf einem hohen Berg an notleidenden Krediten und benötigen laut IWF schnelle, "geeignete" Hilfen. Über deren Ausgestaltung bestehen zwischen Italien und der EU allerdings unterschiedliche Ansichten. Bevor der italienische Staat (Steuerzahler) einspringen darf ("bail-out"), müssten laut EU-Regeln zur Bankenabwicklung zunächst die Gläubiger und Anteilseigner ihren Beitrag leisten ("bail-in").

Sollten davon auch die normalen Bankkunden betroffen sein, könnte dies zu einem Ansturm auf Gold führen, welcher wahrscheinlich über die Grenzen Italiens hinausgehen würde. Ähnliches war in Großbritannien auch nach dem Brexit-Refendum zu beobachten, als Goldhändler von einer sprunghaft gestiegenen Nachfrage nach Goldmünzen berichteten. Werden die italienischen Banken entgegen der Regeln auf Kosten der Steuerzahler gerettet, würde dies das Misstrauen in die EU weiter steigen lassen.

Das Interesse der ETF-Anleger dürfte daher voraussichtlich anhalten. In den drei Wochen vor dem Referendum kam es bereits zu kontinuierlichen Zuflüssen in die Gold-ETFs von gut 60 Tonnen. In den sieben Tagen nach der Abstimmung summierten sich die Zuflüsse sogar auf 93 Tonnen. Der Juni insgesamt verzeichnete den zweitstärksten Monatszufluss in diesem Jahr nach Februar. Im ersten Halbjahr wurden die Bestände der von Bloomberg erfassten Gold-ETFs um 491 Tonnen bzw. 34% aufgebaut. Sie lagen per Ende Juni auf dem höchsten Stand seit August 2013 (Grafik 2).

Daneben zeigt sich die Münznachfrage sehr stark. Gemäß Daten der US-Münzanstalt wurden in den USA im ersten Halbjahr 501 Tsd. Unzen Goldmünzen verkauft, 84% mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Damit sind die Münzabsätze klar auf Kurs, das Niveau des gesamten Vorjahres deutlich zu übertreffen. Die starke Investmentnachfrage hilft auch, die nach wie vor nur verhaltene physische Nachfrage in Asien zu kompensieren.

Die spekulativen Finanzanleger haben ihre Netto-Long-Positionen bei Gold zwischen Ende Mai und Anfang Juli innerhalb von fünf Wochen um insgesamt 84% auf ein Rekordniveau von 273 Tsd. Kontrakten ausgeweitet (Grafik 3). Dies hat den Preisanstieg verstärkt, birgt aber auch Korrekturpotenzial für den Goldpreis. Ein erneuter Rückzug der spekulativen Finanzanleger würde den Goldpreis wie im Mai geschehen unter Druck setzen, als der Preis innerhalb von zwei Wochen um 80 USD nachgab. Auslöser damals war die Rückkehr der Fed-Zinserhöhungserwartungen in den Markt.

Von daher sind die Signale der US-Notenbank für die Goldpreisentwicklung in den kommenden Wochen von großer Bedeutung. Die Fed dürfte aufgrund der Unsicherheit nach dem Brexit-Referendum die nächste Zinserhöhung voraussichtlich bis Ende des Jahres verschieben. Nach robusten US-Konjunkturdaten für Juni liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung bis zum Jahresende laut Fed Fund Futures aktuell bei rund 40%.

Es ist unseres Erachtens unwahrscheinlich, dass der Goldpreis wieder auf das Niveau von vor der Brexit-Abstimmung zurückfällt. Dagegen spricht auch, dass sich die Renditen für Staatsanleihen weiter im Sinkflug befinden und die Nominal- bzw. Realzinsen vielfach negativ sind. Investments in Gold kosten dem Anleger dagegen keine Zinsen. Wir haben daher unsere Goldpreisprognose für das Jahresende um 100 USD auf 1.350 USD je Feinunze erhöht. Für das nächste Jahr sehen wir einen weiteren Preisanstieg auf 1.450 USD je Feinunze.

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Silber

Der Silberpreis hat Anfang Juli ein 2-Jahreshoch von gut 21 USD je Feinunze markiert. Seit dem Brexit-Referendum hat sich Silber um mehr als 20% verteuert, seit Jahresbeginn sogar um 50%. Damit ist Silber deutlich stärker gestiegen als Gold. Das Gold/Silber-Verhältnis fiel daraufhin auf ein 2-Jahrestief von 65. Vor der Brexit-Abstimmung mussten noch 75 Silberunzen für eine Goldunze bezahlt werden, im April noch mehr als 80 (Grafik 4). Silber wird somit seinem Ruf gerecht, die Preisbewegungen von Gold überproportional nachzuvollziehen.

Außerdem hat sich ein weiteres Mal gezeigt, dass Silber nach länger anhaltenden Phasen von Stagnation zu urplötzlichen massiven Preissprüngen neigt. Dies war bspw. auch 2010 der Fall. Damals notierte Silber in den ersten acht Monaten des Jahres in einer Spanne zwischen 15 und 19 USD je Feinunze, ehe es in den darauffolgenden vier Monaten bis auf 30 USD nach oben schnellte. Die Preisrally setzte sich damals bis Ende April 2011 fort und endete in einer Übertreibung, als Silber wieder das Rekordniveau aus dem Jahr 1980 bei 50 USD je Feinunze erreichte und das Gold/Silber-Verhältnis bis auf 30 fiel.

Ähnlich wie bei Gold ging auch der Preisanstieg bei Silber in diesem Jahr mit kräftigen ETF-Zuflüssen und einem merklichen Anstieg des spekulativen Interesses einher. Seit Jahresbeginn flossen bislang gut 1.570 Tonnen Silber in die ETFs, seit dem Brexit-Referendum gut 480 Tonnen. Die Bestände der von Bloomberg erfassten Silber-ETFs stiegen auf ein Rekordniveau von mehr als 20.400 Tonnen (Grafik 5). Die spekulativen Netto-Long-Positionen erreichten Mitte Juli mit 86 Tsd. Kontrakten ebenfalls ein Rekordniveau (Grafik 14, Seite 6). Dies entspricht umgerechnet 13,4 Tsd. Tonnen.

Innerhalb von fünf Wochen kam es zu einem Aufbau um 75%. Der Großteil erfolgte allerdings bereits vor dem Brexit-Referendum, also bei deutlich niedrigeren Preisen. Auch die Nachfrage nach Silbermünzen war im ersten Halbjahr sehr robust. Laut USMünzanstalt wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres mehr als 800 Tonnen an USSilbermünzen verkauft. Das waren 20% mehr als im Vorjahr. Im Juni und Juli ebbte das Interesse allerdings merklich ab. Offensichtlich macht sich das deutlich gestiegene Preisniveau bremsend auf die Nachfrage bemerkbar.

Wir denken nicht, dass sich der Preisanstieg bei Silber noch wesentlich länger fortsetzt. Vielen Marktteilnehmern dürfte noch der Preiseinbruch ab Mai 2011 schmerzlich in Erinnerung sein, als sich Silber innerhalb von acht Monaten nahezu halbierte und erst Ende 2015 bei 13,6 USD je Feinunze das Tief markierte. Insbesondere die rekordhohen spekulativen Netto-Long-Positionen bergen Korrekturpotenzial. Zur Vorsicht mahnt auch, dass die Silberimporte Chinas in den letzten Monaten spürbar an Dynamik verloren haben. Lagen diese im ersten Quartal noch 20% höher als im Vorjahr, so ist dieses Plus nach fünf Monaten auf 6% zusammengeschrumpft (Grafik 12).

Der starke Preisanstieg der letzten Monate und das höhere Preisniveau dürften die Silbernachfrage für industrielle Anwendungen bremsen, welche etwa die Hälfte der gesamten Silbernachfrage ausmacht. Wir haben unsere Jahresendprognose aufgrund des starken ersten Halbjahres auf 19,5 USD je Feinunze und auf 21 USD je Feinunze für Ende 2017 erhöht. Damit würde sich der Silberpreis allerdings schlechter entwickeln als der Goldpreis und das Gold/Silber-Verhältnis wieder auf 69 steigen.

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets



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