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Wien, El Nino und der Ölpreis

07.08.2015 | 7:30 Uhr | Robert Rethfeld

Dies ist die aktuelle Wettervorhersage für Wien. Vielleicht kommt es nicht ganz so arg. Aber wenn doch, würde dies den Absatz von Klimageräten in diesem heißen Sommer weiter ankurbeln.

Wettervorhersage Wien 6. bis 19. August 2015

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Ist der El Nino Schuld? Für das Wetterphänomen sind auf dreiviertel der Weltregionen Einflüsse belegbar. Klimaforschern ist es bisher nicht gelungen, einen nennenswerten Einfluss auf Wetter in Europa nachzuweisen. Allerdings wird ein Zusammenhang diskutiert, wonach ein El Nino vermehrt Atlantikblockaden vor Europa mit sich bringt. Ein Hoch bei Island drängt den Jetstream nach Süden ab. Über Südspanien dreht der Jetstream wieder Richtung Norden und führt heiße Luft mit sich. Genau diese Situation herrscht aktuell vor.

Laut Vorhersagen der US-Wetterbehörde NOAA befindet sich der El Nino auf dem Weg, die Stärke früherer Extrem-El-Ninos (1997/98, 1982/83; 1972/73) zu erreichen. Die zyklische Erwärmung des Pazifiks vor Südamerika - die Hauptauffälligkeit des El Nino - erreicht meist um Weihnachten seinen Höhepunkt, deshalb der Begriff El Nino („Das Christkind“).

Der Durchschnitt der Vorhersagen rechnet mit dem Höhepunkt des Phänomens im November, wobei die El-Nino-Konditionen bis weit in das Frühjahr 2016 anhalten sollen. Die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens von El Nino im kommenden Herbst/Winter beträgt laut US-Wetter-behörde NOAA neunzig Prozent.

Die wohl offensichtlichste Auswirkung eines El Nino ist ein fallender US-Erdgaspreis. Ein starker El Nino sorgt im mittleren Westen und Nordosten der USA für deutlich höhere Winter-Temperaturen. Entsprechend geringer gestalten sich der Heizbedarf und damit der Erdgasverbrauch. Zwischen Oktober 1997 und Februar 1998 halbierte sich der Preis für "Natural Gas" von vier auf zwei US-Dollar.

Die Asienkrise von 1997 reduzierte die Nachfrage nach Erdöl. Der El Nino setzte noch einen drauf, weil der niedrigere Heizbedarf sich nicht nur auf Erdgas, sondern auch auf den Ölpreis negativ auswirkte. In Kombination beider Einflussfaktoren halbierte sich der Ölpreis zwischen Oktober 1997 und Juni 1998 von 22 auf 11 US-Dollar. Entsprechend reduzierte sich die US-Inflationsrate von 2,3 Prozent im August 1997 auf 1,4 Prozent im März 1998.

Auch im Jahr 2015 wirkt die asiatische Wirtschaft angeschlagen. Dem Plot "Asienkrise/El-Nino" droht eine Wiederholung. Auch im El-Nino-Zeitraum 1982/83 fiel der Ölpreis, damals von 36 US-Dollar im Oktober 1982 auf 28 US-Dollar im März 1983. Halten wir fest, dass das El-Nino Phänomen einen schwachen Ölpreis begünstigt.

Betrachten wir den Ölpreis (WTI-Crude) aus verschiedenen Perspektiven. Er bewegt sich stufenförmig (folgender Chart).

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25 Jahre lang rannte WTI Crude gegen die 40-Dollar-Marke an, bevor sie überwunden werden konnte. Eine neue Handelsspanne - zwischen 40 und 150 Dollar ansiedelt - entstand.

Ende 2008/Anfang 2009 erfolgte ein erster Retest der 40-Dollar-Marke. Aktuell bereitet der Markt für den Ölpreis einen zweiten Retest der 40-Dollar-Marke vor. In den vergangenen 130 Jahren wurde eine einmal eingerichtete Handelspanne nicht mehr unterschritten. Aus Sicht des obigen Charts ist die 40-Dollar-Marke deshalb so etwas wie Beton.

Für ein Tief an der 40-Dollar-Marke spricht auch die Preisveränderung gegenüber dem Vorjahresmonat.

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Diese Veränderung betrug selten mehr als 50% - so wie aktuell. Der untere Rand des Spektrums wurde erreicht.

Nichtsdestotrotz könnte ein Argument für einen weiter fallenden Ölpreis sein, dass die untere Trendlinie des langfristigen Aufwärtstrends bisher nicht erreicht wurde (siehe Pfeil folgender Chart).

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Die untere Trendlinie verläuft bei etwa 30 US-Dollar mit steigender Tendenz. Halten wir fest, dass die 40-Dollar-Marke eine enorme Unterstützung darstellt. Im Extremfall würde die 30-Dollar-Marke die untere Begrenzung bilden.

Wie sind die Händler am Terminmarkt für die Ölpreis positioniert? Die so genannten Commitment of Traders (CoT-) Daten geben Aufschluss. Wir schrieben in der jüngsten Montagsausgabe zu den Öl-CoT-Daten: "Die Absicherungen wurden zwar zurückgefahren, erreichen aber noch nicht frühere Werte. Auch die Fonds-Manager sind noch netto-long positioniert. Insofern fällt es schwer, für den Ölpreis an dieser Stelle ein Tief zu erkennen."

Hinzu kommt, dass die Kleinspekulanten nicht aufgeben (folgender Chart).

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Ihre Positionierung liegt nahe null. Die Netto-Positionierung müsste auf minus 10.000 bis minus 20.000 fallen, damit eine Kapitulation zustande kommt.

Gleiches würden wir annehmen - nämlich eine Kapitulation -, wenn die Fondsmanager ihre Netto-Positionierung in die Nähe der Nulllinie bringen würden (von derzeit plus 100.000) und gleichzeitig die Produzenten und Swap-Dealer ihre Absicherung so herunterfahren würden, dass sie aus ihren Netto-Short-Positionierungen herauskämen.

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Ein Ölpreistief könnte somit durch ein Treffen der Produzenten, Swap-Händler und Fondsmanager an der Null-Linie zustande kommen.

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Die wichtige 40-Dollar-Marke ist auf dem obigen Monatschart blau eingezeichnet. WTI-Crude notiert aktuell knapp 5 Dollar darüber.


Fazit:

Das El-Nino-Phänomen begünstigt einen schwachen Ölpreis. Aus Sicht der Terminmarkt-Daten liegt noch kein belastbares Tief für WTI-Crude vor. Aus Sicht der Langfristperspektive kommt der 40-Dollar-Marke eine enorme Bedeutung zu. Davon ist WTI Crude knapp 5 Dollar entfernt. Wir rechnen damit, dass der Ölpreis diese Marke ansteuert. Würden sich Produzenten, Swap-Händler und Fonds-Manager in dem Moment, in dem WTI Crude die 40 Dollar-Marke erreicht, an der Null-Linie treffen, wäre die Gelegenheit für die Ausbildung eines langfristigen Tiefpunktes günstig.

Im Sinne des Aufwärtstrendkanals besteht ein Restrisiko eines Falls auf die Marke von 30 US-Dollar. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass die 40-Dollar-Marke eine Beton-Unterstützung ist, die mit viel Power gebohrt werden müsste, um zu fallen. An dieser Marke werden eine ganze Reihe Marktteilnehmer long gehen, Shorts werden ihre Positionen auflösen. Deshalb sollte die 40-Dollar-Marke - oder einen Touch darunter - eine sehr gute Unterstützung bieten.

Auch wenn die Wiener jetzt Klimageräte kaufen: Die Hitze in Mitteleuropa reicht nicht aus, um den Ölpreis zu treiben. Die OPEC - mit subventioniertem Sitz in Wien - würde sich dies sicherlich wünschen. Verhältnisse wie in den USA, wo Klimageräte Standard sind, haben wir nicht. Manche sagen noch nicht. Man sollte nicht verkennen, dass der aktuelle Hitzesommer in Mitteleuropa auf eine spezielle Wettersituation zurückzuführen ist, wie sie keineswegs in jedem Sommer vorkommt. Normale, auch unterkühlte Sommer dürften weiterhin auf der Tagesordnung stehen.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de



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