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Eisenerz - die Nacht ist noch nicht vorüber

13.02.2015 | 12:03 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Der seewärtige Eisenerzmarkt ist derzeit von einem massiven Überangebot geprägt. Die Produktion wird trotz der niedrigen Preise auch weiter ausgeweitet, was wohl einer Preiserholung zunächst entgegenstehen wird. Erst wenn umfangreiche Produktionskapazitäten stillgelegt werden, dürfte sich der Eisenerzpreis stabilisieren.

Der Eisenerzpreis befindet sich seit Dezember 2013 nahezu ununterbrochen im Sinkflug. Nach einem Verlust von 47% im letzten Jahr hat sich der Preis auch seit Beginn des neuen Jahres bereits wieder um 13% verbilligt. Mit 61,2 USD je Tonne wurde Anfang Februar das niedrigste Niveau seit Beginn der Datenreihe im Mai 2009 erreicht (Grafik 1).

Grund für den starken Preisverfall ist die massive Ausweitung des Angebots. Denn da der Eisenerzpreis seit dem Jahr 2010 bis Anfang 2014 mit wenigen Ausnahmen dauerhaft über 120 USD je Tonne notierte, wurde viel in den Ausbau bestehender und die Erschließung neuer Minen investiert. Das so entstandene neue Angebot hat sich seinen Weg an den Weltmarkt gebahnt. Laut dem brasilianischen Produzenten Vale sind allein in den letzten beiden Jahren 234 Mio. Tonnen Eisenerz neu in den seewärtigen Handel gekommen. Bis 2020 sollen weitere 196 Mio. Tonnen hinzukommen. Der Großteil der Angebotsausweitung stammt aus Australien und Brasilien. Der Welthandel mit Eisenerz, der 2015 laut Schätzung der staatlichen australischen Rohstoffbehörde (BREE) ein Volumen von 1,4 Mrd. Tonnen erreichen könnte, wird somit weiter deutlich zunehmen (Grafik 2).

Auf Unternehmensebene sind es Vale sowie Rio Tinto und BHP Billiton, die als die "großen Drei" bekannt sind, die die Produktion deutlich hochgefahren haben und auch noch weiter ausbauen. Diese drei Unternehmen zeichnen sich durch sehr niedrige Produktionskosten aus. Eigenen Angaben zufolge liegen die Produktionskosten von Rio Tinto für nach China geliefertes Eisenerz bei 40 USD je Tonne. Bis zum Jahr 2020 sollen sie auf gut 35 USD je Tonne sinken. Die Produktionskosten von BHP Billiton liegen nur leicht darüber.

Schon kurzfristig hilft den Produzenten in Australien und Brasilien die Abwertung des Australischen Dollars bzw. des Brasilianischen Reals. Letzterer ist so schwach wie seit 2004 nicht mehr. Und auch die massiv gefallenen Ölpreise sowie die niedrigen Frachtraten (der Baltic Dry Index ist auf ein Rekordtief gefallen) haben die Kostenbasis entlastet.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass unter den Produzenten ein Verdrängungswettbewerb eingesetzt hat. Die großen Eisenerzförderer drängen über die Mengenausweitung mittlerweile erfolgreich kleinere Konkurrenten und solche mit hohen Produktionskosten aus dem Markt. Auch in China wurden zuletzt ineffiziente Minen stillgelegt. Dort liegen die Produktionskosten gemäß einer früheren Einschätzung der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission in etwa bei 75-145 USD je Tonne.



Für gewöhnlich stellen viele chinesische Eisenerzminen in den Wintermonaten ihre Produktion vorübergehend ein. Viele von ihnen werden in diesem Frühjahr erst gar nicht wieder eröffnet. Die Produktionskürzungen in China - der Verband der chinesischen Eisen- und Stahlhersteller (CISA) schätzt, dass die Produktion in diesem Jahr qualitätsbereinigt um 70 Mio. Tonnen sinken wird – reichen bislang aber nicht aus, das zusätzliche Angebot aus anderen Ländern aufzufangen. Dies relativiert sich zudem, wenn man bedenkt, dass China gemäß Daten des Nationalen Statistikbüros im letzten Jahr gut 1,3 Mrd. Tonnen Eisenerz produziert hat.

Nachfrageseitig ist der Blick auf die stahlproduzierenden Länder, die Hauptabnehmer von Eisenerz, und hier vor allem auf China zu richten. Gemäß Daten des Weltstahlverbands ist die globale Stahlproduktion 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 1,2% auf 1,662 Mrd. Tonnen gestiegen. China stand dabei für fast die Hälfte der Gesamtmenge. Sowohl auf globaler Ebene als auch in China hat sich die Produktionsausweitung aber spürbar abgeflacht.


[pagebreak]Dennoch zeigte sich die Nachfrage nach Eisenerz bis zuletzt sehr robust. Schon 2014 hatte China mit 933 Mio. Tonnen eine rekordhohe Menge Eisenerz importiert. CISA schätzt, dass China in diesem Jahr erstmals 1 Mrd. Tonne Eisenerz einführen wird (Grafik 3). Mehr als 80% davon sollen demnach aus Australien und Brasilien kommen. Daten von Shanghai Steelhome Information Technology Co. zufolge sind die Eisenerzvorräte in den chinesischen Häfen per 6. Februar auf 97,6 Mio. Tonnen gesunken, den tiefsten Stand seit zwölf Monaten. Dies deutet ebenfalls auf eine solide Nachfrage hin.

Der seewärtige Eisenerzmarkt befindet sich derzeit in einer Übergangsphase. Das Angebot übertrifft aktuell deutlich die Nachfrage. Bis der Markt ein neues Gleichgewicht gefunden hat, dürfte noch einige Zeit vergehen und der Eisenerzpreis wohl keine großen Sprünge nach oben machen. Nach Einschätzung von Rio Tinto wird der Übergang nicht reibungslos erfolgen, sondern mit einer hohen Volatilität einhergehen. Der Eisenerzpreis wird sich unseres Erachtens wohl erst dann stabilisieren, wenn die Produktionsausweitung gebremst wird bzw. im großen Stil Produktionskapazitäten vom Markt genommen werden. Ende des Jahres erwarten wir einen Eisenerzpreis von 62 USD je Tonne.

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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