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Wie sicher ist das Ölangebot aus dem Irak?

26.06.2014 | 8:35 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Der Vormarsch sunnitischer Extremisten der Terrorgruppe ISIS im Nordirak hat den Brentölpreis zuletzt deutlich steigen lassen. Allerdings sind die Sorgen vor Angebotsausfällen übertrieben, da es im für die irakische Ölproduktion wichtigeren Süden bislang keine Probleme gibt. Folglich dürfte der Ölpreis in den kommenden Wochen seine jüngsten Gewinne größtenteils wieder abgeben. Jedoch wird die Ölproduktion des Irak in den kommenden Jahren wohl weniger steigen als bislang angenommen. Dies spricht für langfristig höhere Ölpreise als in der Terminkurve derzeit unterstellt.

Die Ölpreise haben nach dem Ausbruch von Kämpfen im Irak spürbar zugelegt. Handelte Brentöl Anfang Juni noch unter 110 USD je Barrel, so war es zwei Wochen später mit knapp 116 USD je Barrel so teuer wie zuletzt vor neuneinhalb Monaten (Grafik 1).

Damit wurde auch die seit Herbst bestehende Handelsspanne nach oben verlassen. Auslöser für den plötzlichen Preisanstieg war der Vormarsch der sunnitischen Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) im Norden und Westen des Irak. In der Nähe befindet sich das von den Kurden kontrollierte zweitgrößte Ölfeld des Landes, Kirkuk, mit einer geplanten Produktionskapazität von knapp 600 Tsd. Barrel pro Tag.

Zeitweise fiel die wichtigste Ölraffinerie des Irak in Baidschi ca. 200 km nördlich von Bagdad in die Hand der ISISExtremisten. Diese hat eine Verarbeitungskapazität von 300 Tsd. Barrel pro Tag und versorgt die irakische Hauptstadt und die Kurdengebiete mit Treibstoff. Das weitere Vorrücken von ISIS in Richtung Bagdad schürte Sorgen vor Ausfällen der irakischen Ölproduktion. Denn weiter im Süden befinden sich die anderen großen Ölfelder des Landes.

Dort werden etwa 75% des irakischen Ölangebots produziert und 90% der irakischen Ölexporte verladen. Etwa die Hälfte der irakischen Ölexporte gehen dabei nach Asien und jeweils ein Fünftel in die USA und nach Europa.

Eine Beeinträchtigung der irakischen Ölproduktion hätte schwerwiegende Folgen. Anfang 2014 stieg die Ölproduktion des Irak auf 3,6 Mio Barrel pro Tag und erreichte damit das höchste Niveau seit 35 Jahren. Aktuell ist der Irak der sechstgrößte Ölproduzent der Welt und der zweitgrößte der OPEC. Bislang hatten die Kämpfe im Irak noch keine Auswirkungen auf das Ölangebot.

Die Ölexporte im Norden des Landes waren nach einem Anschlag auf eine Ölpipeline und aufgrund des Streits zwischen der kurdischen Provinzregierung und der Zentralregierung in Bagdad um Vermarktungsrechte ohnehin weitgehend lahmgelegt. Die wesentlich wichtigere Ölproduktion im Süden des Irak ist von den Kämpfen bislang nicht betroffen. Das bestätigen auch aktuelle Verladezahlen von Reuters. Denen zufolge liegen die Öllieferungen aus Basra und den anderen Ölterminals im Süden weiterhin bei gut 2,5 Mio. Barrel pro Tag und damit nur knapp unter dem im Mai verzeichneten 11-Jahreshoch.



Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass es aufgrund der Kämpfe im Irak zu nennenswerten Ausfällen bei der irakischen Ölproduktion kommen wird. Denn in den betroffenen Gebieten befinden sich keine wichtigen Ölfelder oder Transportrouten. Im von den Kurden kontrollierten Nordosten des Irak könnte es mittelfristig sogar zu einer Normalisierung der Öllieferungen kommen, nachdem kürzlich eine neue Pipeline-Verbindung in Betrieb genommen wurde. Dann würde das Ölangebot um ca. 300 Tsd. Barrel pro Tag steigen.

Zuvor muss allerdings die seit Anfang März durch einen Anschlag beschädigte Pipeline zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan repariert werden. Die großen Ölfelder im Süden des Irak liegen weit von den durch ISIS kontrollierten Gebieten entfernt. Die erbitterten Kämpfe um die im Nordirak gelegene Raffinerie in Baidschi zeigen, dass die irakischen Streitkräfte die strategisch wichtigen Öleinrichtungen nicht kampflos den Islamisten überlassen werden.

Es ist daher unwahrscheinlich, dass es ISIS gelingen wird, das Ölangebot nennenswert zu beeinträchtigen. Dagegen spricht auch, dass die sunnitischen ISIS-Extremisten im mehrheitlich von Schiiten bewohnten Süden über keinerlei Rückhalt genießen und dort im Gegensatz zu den sunnitisch geprägten Regionen im Westen und der Mitte des Irak mit erheblich stärkerem Widerstand rechnen müssten.

Die aktuellen Ereignisse werfen allerdings ein schlechtes Licht auf die politische Stabilität und die Sicherheitslage im Irak, was die Investitionen in die irakische Ölinfrastruktur bremsen dürfte. Es ist daher fraglich, ob die irakische Ölproduktion in den kommenden Jahren so stark wachsen wird wie bislang angenommen. In ihrem jüngsten Mittelfristausblick senkte die Internationale Energieagentur IEA ihre Prognose für die irakischen Produktionskapazitäten im Jahr 2018 bereits um 470 Tsd Barrel pro Tag (Grafik 2).



[pagebreak]Bis 2019 rechnet die IEA nur noch mit einem Anstieg um 1,28 Mio auf 4,54 Mio Barrel pro Tag. Das ist nur etwa halb so viel wie das Produktionsniveau, welches bislang von der iralischen Regierung angestrebt wurde. Der Irak soll laut IEA zwar noch immer 60% des in diesem Zeitraum erwarteten Zuwachses des OPECAngebots stellen. Allerdings wird am Ende des laufenden Jahrzehnts auch wesentlich mehr OPEC-Öl benötigt, weil dann der Schieferölboom in den USA spürbar an Dynamik verliert.

Damit der Irak sein Ölangebot deutlich steigern kann, müsste jede Bevölkerungs- und Religionsgruppe geichberechtigt in einer Einheitsregierung vertreten sein. Unter dem derzeit amtierenden Ministerpräsidenten Maliki scheint dies kaum möglich. Es besteht sogar das Risiko eines Bürgerkrieges und dass sich einzelne Landesteile wie das irakische Kurdistan abspalten.

Falls es - wie wir erwarten - zu keinen nennenswerten Störungen der irakischen Ölproduktion kommt, sollte der Brentölpreis den Großteil seines jüngsten Anstiegs korrigieren und in den kommenden Wochen in die angestammte Handelsspanne zwischen 105 und 112 USD je Barrel zurückkehren. Sollte es wider Erwarten doch zu spürbaren Beeinträchtigungen des irakischen Ölangebots kommen, würde Saudi-Arabien wie angekündigt sein Ölangebot entsprechend erhöhen. Zudem dürften die IEA-Länder bei Bedarf mit einer Freigabe der strategischen Reserven reagieren.

Dennoch wäre je nach Ausmaß und Dauer der Ausfälle mit einem Preisanstieg auf mindestens 120 USD je Barrel zu rechnen. Würden andere Länder der Region wie bspw. der Iran in den Konflikt hineingezogen, dürfte der Ölpreis noch stärker steigen. Das voraussichtlich geringere Wachstum der irakischen Ölproduktion spricht außerdem für merklich höhere Ölpreise in den kommenden Jahren als die Terminkurve derzeit impliziert. Trotz eines Anstiegs in den letzten zwei Wochen liegt diese am Ende des Jahrzehnts noch immer bei weniger als 100 USD je Barrel (Grafik 3).

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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