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Meine Meinung zu den aktuellen Informationen über den Markt für Selten-Erd-Metalle

03.04.2012 | 7:07 Uhr | Dietmar Siebholz

Kaum, dass sich die Preise für Seltene Erden und deren Explorationsgesellschaften von ihren Tiefstwerten erholt haben, erscheinen wieder umfangreiche Publikationen, die nach meiner Auffassung geeignet sind, nur neue Verwirrungen zu stiften. Zugegeben, die chinesische Publikationsstrategie ist verwirrend und sicherlich in keinster Weise zuverlässig, weil im Reich der Mitte viele verschiedenen Strömungen diese Veröffentlichungen beeinflussen, also die Vorstellungen der Zentralgewalt einerseits, der Versuch der Provinzregierungen andererseits, diese Zentralgewalt teils zu umgehen und ihr eigenes Süppchen zu kochen und die noch immer teilweise in der Illegalität arbeitenden REO-Unternehmen vor den Verfügungen der Zentralregierung zu verschonen. Alles in allem ist die Lage verwirrend.

Aber man sollte eines nicht übersehen. Das ist der Beschluss der Zentralregierung, den Markt für Selten-Erd-Metalle voll in den Griff zu bekommen, die illegalen Produzenten aus dem Markt zu werfen und zuerst die Liefersicherstellung für die chinesischen Unternehmen zu gewährleisten.

Bei der Beurteilung der realen Lage der Weltversorgung mit Selten-Erd-Metallen sind fünf wichtige Fragen zu prüfen. Frage Nummer 1: Wie viele Seltene Erden wird China selbst verbrauchen? Frage Nummer 2: Wann kann wer wie viele Tonnen von welchen Selten-Erd-Metallen außerhalb Chinas sicher dem Markt zuführen, um die restliche Welt mit Seltenen Erden zu versorgen? Frage Nummer 3: Wie hoch ist die reale Nachfrage und welche Steigerungstendenzen sind zu erwarten ggfl. in welcher Höhe ist ein Nachfragerückgang wegen der Entwicklung von Surrogaten (also der Ersatz von Selten-Erd-Metallen in der produzierenden Industrie) einzuschätzen? Frage Nummer 4: Welcher Bedarf an den einzelnen Selten-Erd-Metallen besteht aktuell und welcher Nachfrage wird in den nächsten fünf Jahren geschätzt? Frage Nummer 5: Wer beherrscht außerhalb Chinas die Separationstechnik und wenn zu welchen Kosten?

Vorab ein Seitenhieb auf die Main-Stream-Presse: Sie verwendet bei der Beurteilung der Lage nach meiner Auffassung fehlerhafte Ausgangswerte. Es hilft nichts, die Nachricht zu verbreiten, dass "China die Exportkontingente für 2012 verdoppelt haben soll", wenn man nicht darauf verweist, dass für 2011 die Kontingente auf "sicher zugeteilte" Tonnage und auf "noch zu genehmigende Kontingente“ aufgeteilt wurden und nur die sicheren Kontingente zur uneingeschränkten Verfügung standen. Beide Kontingentformen partizipierten mit etwa der Hälfte an den insgesamt genehmigten Kontingenten, von denen die eine Hälfte aber von der Erfüllung bestimmter Konditionen abhängig war.

Wenn man nun für 2012 die insgesamt erteilten Kontingente mit den genehmigten des Jahres 2011 vergleicht, dann mag ja die Steigerung um 100% stimmen, aber korrekt ist dieser Vergleich nicht, denn so wie im Vorjahr sind auch die noch nicht genehmigten Kontingente in eine Vergleichsrechnung der beiden Jahr einzubeziehen. Korrekt ist, dass die Summe der beiden Kontingentsarten in etwa gleich blieb. Also keine Verdoppelung stattfand.

Als Bestätigung meiner Beurteilung der Qualität der aktuelle Berichte flattert mir gerade eine Veröffentlichung auf den Tisch, in der berichtet wird, dass "vor einigen Tagen eine Mine in Malaysia genehmigt worden sei, die bis zu 22.000 Tonnen jährlich produzieren soll“. Welch Schwachsinn: Die "Mine" ist keine Mine, sondern die Separationsanlage von Lynas in Malaysia, die in der zweiten Ausbaustufe dann in etwa zwei bis drei Jahren 22.000 Tonnen Seltene Erden ausliefern soll. Minen, die heute genehmigt werden, werden frühestens - wenn sie denn einen Finanzier finden - in acht bis zehn Jahren den Markt beglücken dürfen. Aber so bleibt die Aussage der baldigen Produktion von weiteren 22.000 Tonnen - mithin ca. 16% des Weltverbrauches - als geistige Seifenblase im Raum stehen. Die Qualität der Journalisten war auch schon einmal besser, meine ich.

Um die Frage Nummer 1 zu beantworten, muss man sich die reale Lage für die Explorationsunternehmen vergegenwärtigen. Auf der Erfolgswelle der explodierenden Preisentwicklung für REO´s (also Selten-Erd-Oxyde) sind nun über 400 Unternehmen dabei, Lagerstätten für Seltene Erden zu explorieren. Dabei ist festzustellen, dass Seltene Erden gar nicht selten sind. Sie sind sogar sehr häufig. Ihr Problem liegt darin, dass sie in der Regel immer zusammen mit anderen Metallen der Gruppe und meist auch mit Uran und /oder Thorium aufgefunden werden. Beide letztgenannten Minerale sind aber unerwünscht, weil sie die Bearbeitung der Erze erheblich erschweren und verteuern.



[pagebreak]Die Antwort auf die Frage 2 ist leichter: Um eine ökonomische Förderung überhaupt zu erreichen, müssen bei einer Lagerstätte folgende Voraussetzungen stimmen (die Höhe der REO-Gehallte in den Erzen ist da nicht prioritär zu bewerten):

• 1. Die Gehalte aller Selten-Erd-Metalle sollte nicht unter 5 % liegen, denn sonst besteht die Gefahr, dass unabhängig von der Mischung der einzelnen Selten-Erd-Metalle in den Erzen eine Förderung als Mine kaum wirtschaftlich werden kann.

• 2. Die Erze müssten einen relativ hohen Gehalt an den schwereren Seltenen Erden (HANRe oder HREO) aufweisen, weil diese einen wesentlich höheren Marktwert haben als die leichteren (LANRe oder LREO). Als Richtwert ist ein Anteil von mindestens 3,5% von allen in den Erzen enthaltenen Seltenen Erden anzusehen.

• 3. Die metallurgischen Überprüfungen müssen ergeben, dass die Separation der einzelnen Selten-Erd-Metalle in relativ einfachen Verfahren von statten gehen kann. Berücksichtigen Sie bei der Beurteilung dieser Forderung bitte, dass die neue Separationsanlage, die Lynas in Malaysia errichtet hat, geschätzte ca. 500 Mio australische Dollars gekostet hat. Solche Vorlaufkosten werden nur wenige Lagerstätten außerhalb Chinas finanzieren können.

Aus meiner Sicht können nur maximal drei oder vier Unternehmen diese Bedingungen erfüllen, um dauerhaft als Konkurrenten am Markt auftreten zu können, eines in Europa, eines in Südafrika und maximal zwei in Nordamerika. Wann diese aber zur Marktversorgung wesentliche Tonnage beisteuern können, erscheint äußerst fraglich. Selbst staatliche Subventionen, nach denen zum Beispiel Molycorp laut in Richtung Washington ruft, werden da nicht helfen, denn die Ökonomie spricht gegen deren Business-Konzept. Sie haben zwar in der Zischenzeit ein wichtiges Verarbeitungsunternehmen in den USA für Selten Erden übernommen, aber ihr Mangel an schweren Seltenen Erden ist dadurch nichtbeseitigt.

Das entscheidende Kriterium sind aber die Tatsachen, dass es einerseits eine stark unterschiedliche Nachfrage nach den einzelnen Selten-Erd-Metallen gibt und sich diese extrem auseinander entwickelnde Tendenz immer weiter durch neue Forschungen und Anwendungen verstärkt und andererseits außerhalb Chinas die Technologie für die hochkomplexe Separierung der einzelnen Selten-Erd-Metalle völlig unterentwickelt ist. Ja es gibt wohl außerhalb von China kein Unternehmen, das diese Separierung übernehmen kann oder eine solche hat, die dem Stand der Technik entspricht.

Eine Ausnahme mag die im Bau befindliche Anlage der Lynas Corp. aus Australien sein, aber deren Anlage wird derzeit durch Demonstrationen gegen das Werk in Malaysia be- hoffentlich nicht sogar verhindert. Auch das Tochterunternehmen der Great Western Minerals in Südafrika ist in der Lage, diese Separierung für kleinere Mengen durchzuführen, ebenso wie die estnische Tochter von Molycorp, aber nur für kleinere Mengen. Ähnliches gilt für die Hoffnung, dass die ehemaligen UdSSR-Anlagen in Kirgisien mit der zwar überalterten jedoch verwendungsfähigen Separationstechnologie wieder den Betrieb aufnehmen könnten.

Hier also von einem baldigen Überangebot zu reden, ist sicherlich stark übertrieben. Die Marktversorgung mit maximal ca. 130.000 Tonnen pro Jahr wird wohl auch in den nächsten Jahren fast ausschließlich aus China kommen; vielleicht werden die oben genannten alternativen Hersteller bis 2015 an die 45.000 Tonnen liefern können (ich bezweifele dieses), aber dabei wird eines übersehen: Das ist die Frage, welche Anteile an der Gesamttonnage von ca. 130.000 Tonne nun den kritischen und den wohl im Überfluss vorhandenen nicht kritischen Selten-Erd-Metallen zuzurechnen sind. Hier hilft ein Blick auf die Zusammensetzung der einzelnen Selten-Erd-Metalle in den diversen Lagerstätten. Generell ist zu sagen, dass in der Regel die leichten Selten-Erd-Metalle bis zu 85% (und einschließlich Neodym und Samarium bis zu 95%) der aufgefundenen Selten-Erd-Metallen ausmachen.



[pagebreak]Frage Nummer 3: Es ist wegen der permanenten Weiterentwicklung in der Forschung kaum auszumachen, welche Seltenen Erden mit welchem Steigerungssatz künftig am Markt nachgefragt werden. Denn einerseits sind noch nicht alle Anwendungen in den Status der industriellen Fertigung eingetreten und andererseits wird verstärkt Substitutionsforschung betrieben. Fest steht, dass - eine Weltrezession einmal ausgeklammert - mit einer Steigerung der Nachfrage von jährlich 5% gerechnet wird. Dieser Satz gilt aber für alle Seltene Erden gemeinsam und diese Steigerung wird relativ stark von den hohen Wachstumsraten der HANRe/HREO getragen.

Frage Nummer 4: Die Nachfrage nach den einzelnen Seltenen Erden (siehe Frage Nummer 3) wird bei den leichteren Seltenen Erden im besten Falle stabil sein, bzw. in geringerem Masse ansteigen als bei den HANRe/HREO.

Frage Nummer 5: Zweifellos haben Lynas, Great Western Minerals über ihre südafrikanische Tochter und ggfl. Molycorp die besten Chancen, die extrem wichtige Separationstechnik zu beherrschen, um kostengünstig einzelne Seltene Erden herstellen zu können.

Dabei ist zu beachten, dass mehr als 70 bis 80% des Weltverbrauchs an Seltenen Erden in Südost- bzw. Ostasien erfolgt, also die Standorte, die schneller und kostengünstiger liefern können, Vorteile aufweisen.

Ferner darf nicht übersehen werden, dass solange die China-Konkurrenz nicht über kostengünstige Separationsanlagen verfügt, China immer günstiger anbieten kann und so den Weltmarkt über die Preise beherrschen wird.

Ich werde oft gefragt, warum ich mich so vehement gegen die Gesamtbetrachtung des SE-Marktes wehre.. Die Antwort ist einfach: Eine Gesamtbetrachtung führt zu Fehlentscheidungen, denn das einzelne Selten-Erd-Metall ist nicht gegen ein anderes austauschbar, weil die meisten Selten-Erd-Metalle ihre spezifischen Eigenschaften haben, die kein anderes Metall ersetzen kann.

Welche Metalle sind also für die Hochtechnologie unersetzbar? Eine pauschale Antwort wäre: Die schwereren, denn sie sind sehr stark in den Technologieentwicklungen und in der nachfolgenden industriellen Fertigung gesucht. Und das wird sich so schnell nicht ändern, also Terbium, Dysprosium, Erbium und Yttrium. Eine Ausnahme bilden die magnetischen Metalle, also Neodym, Samarium, Praseodym und Dysprosium.. Deren Verwendung in aller Art von Motoren und Generatoren mit höchster Effizienz sichert ihnen langfristig das Anwendungsmonopol (solange kein stärkeres magnetisches Mineral gefunden ist).

Eine weitere Besonderheit im Bezug auf die Zusammensetzung der Lagerstätten ist in China zu beachten; China hat ein großes Potential für die leichteren Seltenen Erden, aber durch die Sanierung der in der Provinz Sichuan aktiven Unternehmen, die aus den ionischen Lehmböden die schweren Seltenen Erden herstellen, besteht schon jetzt in China intern eine große Nachfrage nach den schweren Seltenen Erden. Ob man das Problem der Versorgung des RoW (Rest der Welt) mit den schweren Erden lösen kann, wage ich zu bezweifeln, zumindest nicht auf dem heutigen Preisniveau für diese Minerale. Ein Fachmann sagte mir, er rechne nicht mit Engpässen bei den Seltenen Erden, zumindest nicht in China, was ja nichts anderes bedeutet, dass der Rest der Welt mit einigen Seltenen Erden Lieferprobleme bekommen wird.

Der gleiche Fachmann hat mir erläutert, dass er die besten Chancen außerhalb von China für vertikal aufgebaute Unternehmen sieht, also nach dem Prinzip "von der Mine bis zum Mischmagnet-Material" , das in Motoren und Generatoren eingebaut werden kann, arbeiten. Die oben geschilderten Besonderheiten des REO-Marktes bestätigen diese Aussagen nachhaltig.

Wenn Sie diese Aussagen von Fachleuten beherzigen, werden Sie sehr sorgfältig Ihre Aktienbestände bei den REO-Explorationsunternehmen überprüfen müssen. Leichter ist es schon bei der Anschaffung von physischen Metallen, denn da muss man sich auf Neodym, Praseodym, auf Dysprosium (evtl. auf Samarium als weniger gefragtes Magnetgrundmaterial), sowie auf Terbium, Europium und Yttrium konzentrieren.

Dass in zwei bis drei Jahren ein erhebliches Überangebot auf dem Markt auftreten wird, ist gleichzeitig richtig und doch falsch. Richtig wird sein, dass Cer in erheblichem Masse überversorgt sein wird (wenn keine neuen Anwendungen ins Haus stehen) und eine erhebliche Unterversorgung bei den schweren Seltenen Erden und den "Magnetmetallen" eintreten wird, und zwar im Prinzip unabhängig von der Entwicklung der Weltwirtschaft. An die Theorie, dass in einer Rezession die Ansprüche an die Minerale und Metalle zurückgeschraubt werden, glaube ich nicht. Wer ist schon bereit, wegen gestiegener Kosten einen überproportional stärkeren Leistungsverlust zu akzeptieren? Dazu stellen die Kosten für die Seltenen Erden ja nur einen kleinen Anteil an den Gesamtgestehungskosten für industrielle Produkte dar.

Es wird sicher hilfreich für Sie sein, diese Anregungen sowohl bei der Anschaffung Ihrer physischen Metalle als auch bei Ihrer Aktienauswahl bei den Explorationstiteln zu berücksichtigen.


© Dr. Dietmar Siebholz
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