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LME-Nickel markiert neues Jahrestief, Volatilität kräftig gestiegen

07.06.2011 | 7:00 Uhr | Sven Streitmayer, LBBW

Markt: LME-Nickel vom Highflyer zum Nachzügler

Der Nickelmarkt ist nicht erst seit gestern berühmt berüchtigt für seine Kapriolen. Zieht man zudem noch die Fülle an exogenen Ereignissen der letzten Monate, allen voran die Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan sowie die weiter ungelöste Verschuldungskrise innerhalb der Eurozone in Betracht, so überrascht es eigentlich nicht, dass die Preisentwicklung von Nickel im bisherigen Jahresverlauf wieder einmal einer Berg- und Talfahrt gleicht.

Nach starkem Jahresstart in dessen Zuge die Notierung für das vorwiegend zur Edelstahlherstellung verwendete Metall bis auf über 29.000 USD/t im Hoch gestiegen ist, folgte im März (Japan, Libyenkrise) zunächst ein kräftiger Rücksetzer unter die 25.000 USD-Marke. Und auch die anschließende Erholungsphase erwies sich als kurzlebig, nachdem die allgemeine Korrektur an den Rohstoffmärkten Anfang Mai sowie die Auflösung spekulativer Nickelpositionen zur Monatsmitte zu einem jähen Preissturz und einem neuen Jahrestief bei rund 22.400 USD/t führte. Damit wurde auch der relative Kursverlauf 2011 auf den Kopf gestellt.

Während LME-Nickel gemeinsam mit Zinn noch bis in den März hinein den stärksten Preiszuwachs aller NE-Metalle aufwies, nimmt das Legierungsmetall inzwischen mit einem Abschlag von 5% seit Jahresbeginn den vorletzten Platz im Sektorranking ein. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die im Marktvergleich deutlich höhere Volatilität (Abb. 2).



LME-Lagerbestände seit Januar stark rückläufig

Nicht in das obige Bild passt indes die Entwicklung der LME-Lagerbestände von Nickel, welche sich im Unterschied zu allen anderen in London gehandelten Metallen seit Jahresbeginn beständig reduziert haben und somit für sich genommen auf eine robuste physische Nachfrage hindeuten. Gegenüber dem Startwert Anfang Januar verzeichneten die an der Londoner Metallbörse registrierten Bestände einen Abfluss von rund 23.000 t bzw. 16%. Bei einem Stand von aktuell gut 114.000 t und einer rechnerischen Reichweite von etwa 27 Tagen des Weltverbrauchs ist das Lagerniveau gleichwohl noch immer historisch hoch.



Globale Nickelnachfrage auf Wachstumskurs

Weltweit ist der Nickelverbrauch im vergangenen Jahr nach aktuellen Schätzungen der International Nickel Study Group (INSG) um fast 19% auf 1,47 Mio. t angestiegen. Das Nachfrageplus fiel damit noch höher aus, als wir dies in unseren bereits weit über dem Marktkonsens liegenden Prognosen erwartet hatten. Als Haupttreiber erwies sich die boomende Edelstahlproduktion, die auf Basis vorläufiger Zahlen des International Stain-less Steel Forum (ISSF) 2010 ein Wachstum von beinahe 25% bzw. 6 Mio. t auf 30,7 Mio. t zu verzeichnen hatte.

Platzhirsch China erhöhte seinen Ausstoß von rostfreien und hitzebeständigen Stählen allein um 2,5 Mio. t auf knapp 11,3 Mio. t, womit die Volksrepublik für fast die Hälfte der weltweiten Produktionsausweitung verantwortlich war. 2011 setzte sich das Wachstum der Edelstahlindustrie bislang weiter fort, wenn auch mit erwartungsgemäß vermindertem Tempo. Für das Gesamtjahr rechnet der ISSF mit einem Bedarfsplus von etwa 8%, was wir ebenfalls für realistisch halten. Dies dürfte mit einer Zunahme der globalen Nickelnachfrage von ca. 5% auf dann 1,54 Mio. t einhergehen, was zugleich auch der neuesten INSG-Prognose von Mitte April entspricht.





[pagebreak]Angebotsschub: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Auf der Angebotsseite ist der Nickelmarkt seit einiger Zeit von zwei gegensätzlichen Entwicklungen geprägt. Den kurzfristigen Produktions- und Lieferstörungen einerseits, welche im vergangenen Jahr zu einem unerwarteten Marktdefizit geführt haben und aktuell wieder durch die Katastrophe in Japan (einem der größten Verbraucher, aber auch Produzent und Exporteur von Nickel) akut geworden sind. Und dem mittelfristig zu erwartenden Angebotsschub aus zahlreichen neuen Minenprojekten, Wiederinbetriebnahmen und Kapazitätserweiterungen andererseits.

Während momentan noch ersteres überwiegt, droht darüber hinaus analog zu den Jahren 2007 bis 2009 wieder ein Überangebot an Nickel. Nach Schätzungen der Beratungsgesellschaft Brook Hunt werden allein die fünf größten Neuprojekte (Goro, Onca-Puma, Barro Alto Ambatovy, Koniambo) bis 2015 für ein Zusatzangebot von jährlich 220.000 t bzw. etwa 14% der heutigen Produktionsmenge sorgen. Bereits im laufenden Jahr dürfte das weltweite Nickelangebot mit einer Rate von 9% (LBBW) bis 11% (INSG)
auf bis zu 1,6 Mio. t signifikant ansteigen und damit per saldo zu einem Marktüberschuss in der Größenordnung von 40.000-60.000 t bzw. 3-4% des Weltverbrauchs führen.



Fazit

Obgleich der Nickelmarkt momentan ein robustes Nachfragewachstum und rückläufige Lagerbestände aufweist, betrachten wir den Aufwärtsspielraum für die Preise des Legierungsmetalls jenseits temporärer spekulativer Übertreibungen für begrenzt. Begründet ist dies in der (selbst bei konservativer Abschätzung) überdurchschnittlich hohen Produktionsausweitung, welche beginnend im laufenden Jahr zu erwarten ist und die den Nickelmarkt u.E. in einen erneuten Angebotsüberschuss überführen wird.

Ein stärkerer Preisverfall erscheint aus unserer Sicht dennoch vorerst unwahrscheinlich. Dies liegt u.a. an der ausgeprägten Korrelation zum Kupfermarkt, bei welchem die ungleich knappere Angebots-Nachfrage-Situation eher steigende Notierungen nahelegt. Auf 12-Monatssicht sehen wir LME-Nickel daher nur leicht über dem heutigem Niveau.



© Sven Streitmayer
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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