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Düngemittel - Wachstum und mehr

14.05.2010 | 8:04 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Der Großteil der Steigerung der Agrarproduktion, die notwendig ist, um die wachsende Weltbevölkerung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln versorgen zu können, wird aus einer Erhöhung der Flächenerträge stammen müssen. Um bis 2050 die nach Schätzungen der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO zusätzlich benötigte Milliarde Tonnen an Getreide produzieren zu können, wird ein erhöhter und verbesserter Einsatz von Inputfaktoren unabdingbar sein. Düngemittel spielen dabei neben Saatgut, Pflanzenschutzmitteln, der maschinellen Ausrüstung und dem Know-How zu deren adäquaten Einsatz eine tragende Rolle.

Eine hohe Produktion kann nur bei guter Bodenfruchtbarkeit nachhaltig sein, wozu gutes Nährstoffmanagement und Best-Management-Praktiken auch bei der Ausbringung (Zeit, Form) und der Bodenbearbeitung zur Anwendung kommen müssen. So werden etwa in Westeuropa Ernten von 8-10 Tonnen Weizen je Hektar erzielt, während auf noch immer ungedüngten alten Testfeldern nur Erträge von 0,5 bis 1,5 Tonnen je Hektar erzielt werden. Dem Boden werden im Wachstumsprozess der Pflanzen Nährstoffe entzogen, so dass einem Mangel durch Düngung vorgebeugt werden muss. Die meisten Böden der Erde benötigen eine Zufuhr von Nährstoffen, da sie von Natur aus allenfalls mittelmäßig fruchtbar sind und der Wanderfeldbau angesichts der Herausforderungen durch die wachsende Weltbevölkerung keine Alternative darstellt. Quellen der Nährstoffe können organischer Art (z.B. Dung der Tiere, Pflanzenreste wie Stroh), biologischer Art (durch bestimmte Mikroorganismen) oder Mineraldünger sein.

In organischen Düngern ist die Nährstoffzusammensetzung oft schwankend. Während sie für die Bodenbeschaffenheit und -struktur (bessere Durchlüftung, Wasserhaltefähigkeit, Erosionsschutz) sehr wichtig sind, spielen sie in der eigentlichen Nährstoffversorgung gegenüber Mineraldüngern eine untergeordnete Rolle. Diese werden in drei große Bereiche unterteilt: Stickstoff (N) -, Phosphor (P) - und Kaliumdünger (K), die zum Teil auch in Mehrnährstoffdüngern kombiniert werden. Manche Pflanzen, wie die Sojabohne und andere Leguminosen, können Stickstoff mit Hilfe von Knöllchenbakterien aus der Luft binden - 78% der Erdatmosphäre ist Stickstoff - und sind daher nicht so stark auf externe Stickstoffgaben angewiesen. Ganz anders ist das bei Pflanzen wie etwa Mais und Weizen (Grafiken 1-2).

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Eine Verbesserung der Nährstoffversorgung von einer Mangelsituation hin zu einer guten Versorgung erhöht nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität des Produkts deutlich. Die Stickstoffgaben haben in der Regel den höchsten Einfluss auf das Pflanzenwachstum. Auch die Qualität, etwa die Backqualität von Getreide, wird verbessert. Allerdings ist bei Stickstoff auch die Gefahr einer qualitativen Einbuße am höchsten, wenn die Versorgung zu stark ausgedehnt wird, da dies zu Toxizität führen kann. Phosphor ist für die Energiegewinnung, die Photosynthese, notwendig, ebenso für die Zellteilung. Phosphate verbessern auch die Produktqualität, da Knochenschwächen und -deformationen bei Vieh reduziert werden, auch werden bei Getreide Proteingehalt und Saatqualität verbessert. Meist bewegt sich die Phosphatversorgung in einem normalen Bereich und eine Überdüngung ist kaum zu befürchten, die zu erhöhten Rückständen in Nahrung oder Futter führen könnte.

Kalium verbessert den Wasserhaushalt und verringert die Anfälligkeit gegenüber Trockenheit, Frost und Krankheiten. Die Versorgung mit Kalium hat einen sehr engen Bezug zur Produktqualität, da es über die Beeinflussung der Enzymaktivität den gesamten Stoffwechsel berührt. Auch kann es zu höheren Zucker-, Stärke-, Ballaststoff- und Vitamingehalten beitragen. Da ein Nährstoff aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben kaum durch einen anderen ersetzt werden kann, ist weitgehend ein gewisses Verhältnis der Nährstoffe untereinander einzuhalten.

Mangelt es an einem Nährstoff, kann durch die vermehrte Gabe eines anderen dieses Defizit nicht wettgemacht werden (Liebigs ‚Gesetz des Minimums’), vielmehr restringiert der knappste Nährstoff das Wachstum der Pflanze. Der Bedarf an Düngung unterscheidet sich nach Bodenbeschaffenheit und Frucht. In welchem Umfang eine Düngung sinnvoll ist, hängt zudem von der Preisrelation zwischen Dünger- und Produktpreisen ab. Aus wirtschaftlicher Sicht ist nämlich der maximale Ertrag nicht der optimale, vielmehr sollen die Erlöse aus dem zusätzlich gewonnenen Produkt den zusätzlichen Düngeraufwand gerade noch lohnen. Dabei ist von einem abnehmenden Ertragszuwachs bei steigendem Düngemitteleinsatz auszugehen.

Tatsächlich reagieren die Landwirte mit einer Anpassung der Düngung auf Preissignale - allerdings auch auf Beschränkungen bei Liquidität oder Kredit -, wobei auch eine begrenzte Verzögerung der Wiederanreicherung des Bodens mit Nährstoffen möglich ist. Allerdings gilt das deutlich stärker für die Kali- und Phosphatdüngung als für Stickstoffgaben. Der Einsatz von Mineraldüngern weltweit hat sich nach Angaben der FAO seit 1960 verfünffacht.

Die Düngerproduktivität (Output je kg Dünger) variiert stark mit Boden, Klima und ökonomischen Anreizen. Während in Industrieländern die Effizienz des Einsatzes stark stieg, ist sie in vielen Entwicklungsländern mangelhaft. Bei Reis kam die FAO zu dem Schluss, dass oft die Hälfte des N-Einsatzes als Verlust zu betrachten ist, was unter Umwelt- und Ernährungsgesichtspunkten bedenklich ist. Hoffnung richtet sich nun auf die Ausbringung größerer “Briketts“ in tieferen Bodenschichten, was die Auswaschung verhindern, eine kontinuierliche Bereitstellung der Nährstoffe bedingen und so bei geringerem N-Einsatz (-40%) zu höherem Ertrag (+20%) führen soll.



[pagebreak]Harnstoff: Die Nummer 1 unter den Stickstoffdüngern

Harnstoff, engl. Urea, ist mit 146 Mio. Tonnen Produktgewicht in 2008 das am meisten produzierte N-Düngemittel der Welt mit einem Stickstoffgehalt von 46%. Die Produktion, in der aus Luftstickstoff zunächst Ammoniak (Haber-Bosch-Verfahren) und durch dessen Reaktion mit Kohlendioxid Harnstoff entsteht, ist sehr energieintensiv, da Erdgas den Stickstoff für diesen Prozess liefert. Der Gaspreis hat damit großen Anteil an den Produktionskosten von Ammoniak, in den USA etwa 85%. Die Produktion hat sich stark nach Asien und insbesondere Ostasien (+6% p.a. 1999-2008) verlagert, während sie in Westeuropa aufgrund von Wettbewerbsnachteilen bei energieintensiver Produktion stagnierte und in Nordamerika sogar rückläufig war (-2,2% p.a.).

Auch absolut hat Asien damit seine dominierende Stellung weiter ausgebaut. Der mit Abstand größte Produzent ist China, der über ein Drittel stellt, gefolgt von Indien und Russland. Allerdings ist auch der Verbrauch in Asien am höchsten, und das jährliche Wachstum von 5% in Ostasien (v.a. China) war weit überdurchschnittlich stark (Ø: +3.6% p.a.). Die EU-27 hat einen Anteil von 5,3% an der Weltproduktion nach einem durchschnittlichen Wachstum um gut 2% in den Jahren seit 1999. Durch den starken Anstieg in den neuen Mitgliedsstaaten wies die EU-27 ein durchschnittliches Wachstum des Verbrauchs um 4,3% p.a. auf. Auf der Handelsseite fällt auf, dass Ostasien durch den starken Aufbau an Produktionskapazitäten von einem Nettoimporteur zu einem Nettoexporteur an Harnstoff wurde, während Südasien (v.a. Indien) seine Nettoimporte stark erhöhte und weitgehend aus China und der arabischen Halbinsel versorgt wird.

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Nach Indien sind die USA zum zweitgrößten Importeur aufgestiegen und beziehen ihre Importe zumeist aus Kanada. Der energiereiche Nahe Osten dagegen ist der größte Nettoexporteur der Welt, gefolgt von der Region Osteuropa/Zentralasien (u.a. Russland, Ukraine). Das zweite wichtige N-Düngemittel Ammoniumnitrat, das aus der Reaktion von Ammoniak mit Salpetersäure entsteht, hat einen niedrigeren Stickstoffanteil (33%). Größter Produzent ist hier die Region Osteuropa/Zentralasien, die auch der Lieferant am Weltmarkt ist. Es folgt Nordamerika, das allerdings ebensoviel verbraucht wie produziert. Größter Exporteur ist Russland, während Mittel- und Südamerika am meisten importieren.

Da Phospate in ursprünglicher Form, als meist im Tagebau gewonnenes Gestein Phosphorit (Phosphate Rock), schlecht pflanzenverfügbar sind, werden sie meist unter Verwendung von Schwefelsäure zu Phosphorsäure verarbeitet. Diese wiederum kann durch Reaktion mit Ammoniak zu den wichtigsten P-Düngemitteln DAP (Di-Ammonium-Phosphat, 46% P2O5 und 18% N) und MAP (Mono-Ammonium-Phosphat, 52% P2O5 und 11% N) verarbeitet werden. Nach Ostasien ist Nordamerika der größte DAP-Produzent. Die größten Verbraucher sind Süd- und Ostasien. Während Ostasien netto kaum am Weltmarkt aktiv ist, läuft der bedeutendste Handelsstrom von den USA nach Indien. Größere Vorkommen an Phosphorit sind in China, den USA, Marokko, Russland und Jordanien zu finden. Aufgrund des unterschiedlichen Verbrauchs der Länder, sind es v.a. Marokko und Jordanien, die den Grundstoff in alle Welt liefern.

Das wichtigste unter den K-Düngemitteln ist Kaliumchlorid (MOP). Kalisalze sind nur in relativ wenigen Ländern zu finden, wo sie im Untertagebau gewonnen werden. Kanada weist die höchsten Vorkommen auf und dominiert den Markt. Größere Vorkommen gibt es außerdem u.a. in Russland, Weißrussland, aber auch in Deutschland. In vielen Ländern ist der Markt auf der Angebotsseite durch wenige Unternehmen vertreten, in Deutschland ist dies die K+S AG, die 2008 einen Anteil von 11% an der weltweiten Kalium-Produktion hatte. Nr.1 im Export ist Kanada mit einem Anteil von fast 40%, leicht darunter liegt Russland. Die EU (hier Deutschland) tätigt etwa 11% der Exporte, wobei die Lieferungen weitgehend in der EU verbleiben und nur zu einem kleineren nach Brasilien gehen. Kanadische Exporte gehen meist in die USA, ein Teil auch nach China und Brasilien, während Russland v.a. den größten Verbraucher China versorgt.

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Die FAO erwartet in ihrer Prognose des Düngerverbrauchs bis 2013 (Grafiken 3-5), dass gegenüber 2008 vor allem in Asien die Nachfrage nach N-Dünger stark steigen wird, etwas auch in Süd- und Nordamerika. Hauptexporteure werden die energiereichen Regionen Westasien sowie Osteuropa/Zentralasien bleiben. Ostasien wird durch den weiteren Aufbau eigener Kapazitäten wohl seine Importe nicht wesentlich steigern, wohl aber Nordamerika und Südasien, aber auch Mittel- und Westeuropa. Alle Regionen außer West-, Mitteleuropa und Ozeanien werden ihren Verbrauch an P-Düngern deutlich steigern. Dabei steigt der Importbedarf v.a. in Südasien, während er in Lateinamerika durch den Ausbau eigener Produktion recht stabil bleiben soll.




[pagebreak]Afrikas Bedeutung als Exportregion wird zulasten Nordamerikas zunehmen. Auch Ostasien wird seine Kapazitäten so ausbauen, dass trotz steigendem Verbrauch eine positive Bilanz verbleibt. Die K-Düngernachfrage wird am stärksten in Ostasien steigen, aber auch in Latein- und Nordamerika deutlich zulegen. Ostasien wird einen Teil durch vermehrte Eigenproduktion decken und seine Importe damit weitgehend stabil halten. Lateinamerika und Südasien erhöhen ihre Importe. Zusätzliche Exporte werden v.a. aus Nordamerika, hier Kanada, und aus der Region Osteuropa/Zentralasien mit Schwerpunkt Russland und Weißrussland stammen.

In West- und Mitteleuropa sollte sich die Situation nicht wesentlich ändern. In ihrer Langfristprognose von 2008 erwartet die FAO bis 2030 einen Anstieg des weltweiten Verbrauchs an Düngemitteln um knapp 50%, wobei die Nährstoffrelation recht stabil bleiben soll (N:P:K 2005: 1:0,4:0,29), und unterstreicht die große Bedeutung Indiens und Chinas, die auch künftig über 40% der Düngemittel verbrauchen. Dagegen bleibt der Anteil Afrikas südlich der Sahara trotz einer erwarteten Verdopplung des Verbrauchs bei nur etwa 1%.


Preise: Moderater Anstieg wahrscheinlich

Anders als viele wichtige Produkte sind Dünger nicht börsennotiert und der Markt daher auf täglicher Basis weniger transparent. Stickstoff ist der teuerste Teil des Düngermix. Die hohe Maisfläche in den USA hat wie steigende Produktpreise zu den hohen Düngerpreisen in 2008 beigetragen, da die Lagerbestände an Düngern nach der Steigerung der Mais- und Weizenfläche im Vorjahr, für die zusätzlich Dünger nachgefragt wurde, niedrig waren. Auch China, Indien und Brasilien hatten ihre Nachfrage erhöht und hohe Energiepreise die Produktion für N-Dünger und den Transport verteuert. Zudem schwächte sich der US-Dollar ab. Über das letzte Jahr sind die Düngerpreise deutlich gesunken, nachdem die Wirtschafts- und Finanzkrise die weltweite Nachfrage nach Düngemitteln reduzierte (Grafiken 6-8).


Ebenso wurde im letzten Herbst wegen Nässe und der späten Ernte weniger Dünger ausgebracht. Auch die niedrigeren Erdgaskosten drückten die Preise. Da viele Landwirte angesichts hoher Preise ihre Gaben an P und K zuvor deutlich reduziert hatten und im letzten Herbst durch die Witterung abgehalten wurden, ist hier mit Nachholbedarf zu rechnen. Die International Fertilizer Industry Association IFA rechnet nach einem Rückgang des Düngerkonsums um 6,7% in 2008/09 und einem nur geringen Anstieg (1%) in 2009/10 nun für 2010/11 mit einem Nachfragewachstum um 4,9%. Auch die Handelstätigkeit soll wieder steigen, nachdem im Vorjahr insbesondere die K-Importe Chinas massiv einbrachen und auch die USA merklich weniger Harnstoffdünger importiert hatten.

Wir rechnen damit, dass die Düngemittelpreise mittelfristig moderat weiter ansteigen werden, wozu zum einen die steigende Nachfrage beitragen sollte, aber auch die von uns erwarteten Preissteigerungen bei Erdgas. Langfristig wird es darauf ankommen, ob angesichts des weiter steigenden Bedarfs an Düngemitteln zur weltweiten Ertragssteigerung die Angebotskapazitäten ausreichend ausgeweitet werden. Wir sind optimistisch, dass dies in einem Umfang geschieht, der massive Preissteigerungen verhindert, zumal Länder wie China ein politisch durchsetzbares Interesse an einer weiter verbesserten Düngemittelversorgung haben.

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: “Rohstoffe kompakt“, Commerzbank AG





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