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Hat Zucker aktuell noch weiteres Aufwärtspotenzial?

29.05.2009 | 7:36 Uhr | Marc Nitzsche, Rohstoff-Trader

Einen näheren Blick ist derzeit ganz sicher der Zuckermarkt wert. Nach dem herben Absturz der Notierungen zwischen August und November 2009 von 16 auf elf US-Cents haben sich die Kurse in den zurückliegenden Monaten ungeachtet des eher mäßigen Gesamtumfelds erkennbar erholt und liegen zur Stunde im Bereich der Höchststände des vergangenen Jahrs. Damit stellt sich zum einen die Frage, wie es zu der von vielen Marktteilnehmern unbemerkten “Rallye“ gekommen ist und - noch wichtiger - ob Zucker auf dem momentanen Niveau noch weiteres Aufwärtspotenzial besitzt.


Schwindende Lagerbestände

Signifikanten Auftrieb erhielten die Preise auf Grund der zunehmend angespannten Versorgungssituation. Für die laufende 2008/09er Saison prognostizierte die Internationale Zucker-Organisation kürzlich einen Nachfrageüberhang von stattlichen 7,8 Millionen Tonnen. Das US-Landwirtschaftsministerium rechnet sogar mit einem primären Angebotsdefizit in Höhe von 9,1 Millionen Tonnen. Trifft diese Vorhersage zu, werden die Endbestände von vormals 41,1 auf 32 Millionen Tonnen und das Ending Stock to Use Ratio von 25 auf 20 Prozent fallen.

Für das kommende Wirtschaftsjahr ist man da schon wesentlich optimistischer. Dennoch herrscht unter den Experten weitgehende Einigkeit, dass das primäre Angebotsdefizit uns auch 2009/10 erhalten bleibt. Lediglich im Hinblick auf die genaue Höhe gibt es unterschiedliche Auffassungen. So erwartet die Internationale Zucker-Organisation ein Defizit von 4,75 Millionen Tonnen und das amerikanische Landwirtschaftsministerium ein solches von 0,8 Millionen Tonnen. Tatsache ist allerdings, dass selbst die tendenziell günstige Vorhersage aus den Vereinigten Staaten zu weiter schwindenden Endbestände und einem nochmals rückläufigen Verhältnis zwischen Vorräten und Verbrauch auf 31,2 Prozent führt. Dies ist der geringste Wert der letzten 16 Jahre. Angesichts dieser Zahlen war die gesehene Verteuerung bei dem beliebten Süßstoff nur folgerichtig.


Massive Ernteausfälle in Indien

In erster Linie verantwortlich für die Situation ist die Lage in Indien. Der zweitgrößte Produzent und weltweit größte Verbraucher hat gegenwärtig mit erheblichen Ernteausfällen zu kämpfen. Im schlimmsten Fall könnte sich der Produktionsrückgang auf 45 Prozent belaufen. Der Gesamt-Output würde dann nur noch bei vergleichsweise mageren 14,5 Millionen Tonnen liegen. In der nächsten Saison wird die Erzeugung aller Voraussicht nach zwar wieder zunehmen. In Indien ist jedoch ein Trend zu beobachten, dass viele Bauern statt Zucker lieber andere Agrar-Produkte anbauen, die höhere Renditen versprechen. Nicht zuletzt deshalb prophezeit man für den Subkontinent 2009/10 einen Rückgang der Anbaufläche um 70.000 auf nur noch 2,14 Millionen Hektar. Letztlich ist nicht auszuschließen, dass Indien Zucker am Weltmarkt zukaufen muss und befindet sich damit in guter Gesellschaft mit China. Aus dem “Reich der Mitte“ waren zuletzt ebenfalls bedeutende Käufe zu sehen. Von der Nachfrageseite aus sollten die Kurse somit eine solide Unterstützung erfahren.


Wachsende Ethanol-Produktion

Gleiches gilt für den Faktor “Ethanol“. Die derzeit wieder anziehenden Öl- und Benzinpreise dürften dafür Sorge tragen, dass der “Sprit vom Acker“ sich wieder steigender Beliebtheit erfreut. Zu dem von einigen Experten gebetsmühlenartig prognostizierten Megaboom wird es unserer Ansicht nach zwar nicht kommen. Aber ein zumindest moderates Wachstum ist durchaus wahrscheinlich. Das US-Landwirtschaftsministerium sieht in Brasilien für das kommende Wirtschaftsjahr einen Anstieg der Ethanol-Produktion auf 28,4 Milliarden Liter. Damit wird die voraussichtlich einprozentige Produktionsausweitung vollständig kompensiert. Mit einer “Zuckerschwemme“ aus dem südamerikanischen Staat ist demzufolge nicht zu rechnen.

Alles in allem lässt sich somit zusammenfassen, dass die Fundamentals für Zucker bemerkenswert “bullisch“ sind. Auf der anderen Seite sollte aber auch bedacht werden, dass ein Großteil der Situation in den aktuellen Notierungen bereits enthalten ist. Vor diesem Hintergrund hat Zucker aus fundamentaler Sicht sicherlich weiteres Aufwärtspotenzial, welches sich aber insgesamt in einem überschaubaren Rahmen bewegen dürfte.


Charttechnisch stark

Charttechnisch präsentiert sich der Zuckermarkt nach den signifikanten Kurszuwächsen naturgemäß recht stark. Seit November 2008 besteht ein solider Aufwärtstrend, der unverändert intakt ist. Zudem bewegt sich der Future erkennbar über seiner 18-Tage-Linie und der RSI befindet sich ungeachtet zuletzt leichter Rückgänge nach wie vor komfortabel über 50 und damit im “bullischen“ Terrain. Allerdings wollen wir nicht verhehlen, dass es auch Argumente für ein Ende der “Rallye“ gibt.

Nachdem vor einigen Tagen ein neues Kontrakthoch erreicht wurde, kamen die Notierungen wieder etwas zurück. Oder anders ausgedrückt: Der außerordentlich zähe Widerstand bei 16 US-Cents konnte bislang nicht überwunden werden. Im Zusammenhang mit den erwähnten Rücksetzern hat die Stochastik auf “verkaufen“ gedreht und auch der MACD steht kurz davor ein Verkaufssignal zu generieren. Wir können daher nicht guten Gewissens zum Aufbau von Long-Positionen raten, da eine nicht zu unterschätzende Wahrscheinlichkeit besteht, dass den “Bullen“ im Bereich von 16 US-Cents die “Puste“ ausgeht. Prozyklische Long-Engagements sollten erst im Anschluss an ein nachhaltiges Überwinden der Marke eingegangen werden. Ob es dazu wirklich kommt, muss abgewartet werden. Wird die zentrale Unterstützung bei 15 US-Cents unterschritten, könnten Anleger sogar spekulative Short-Positionen in Betracht ziehen.


© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader







Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de


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