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Weizen - Wohin geht die Reise?

19.06.2007 | 7:43 Uhr | Jens Rabe

Die Problematik bei der Aufstellung jeglicher Analyse ist die eigene Positionierung in dem zu analysierenden Objekt. Ist man in einem Rohstoff als Käufer engagiert, wird man naturgemäß und oftmals auch unbewußt versuchen Argumente zu finden, welche die eigene Positionierung rechtfertigen.

Als bereits engagierter Verkäufer wird man dagegen (auch hier unbewußt) versuchen, genau die Argumente herauszufiltern, die auf einen Preisrückgang hindeuten und damit die eigene Position in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Diese menschliche Schwäche führt dann dazu, dass man eben keine objektive Analyse für sich selbst erarbeitet, sondern vielmehr eine Bestätigung des eigenen Handelns.

Ich werde daher versuchen, die Möglichkeiten der weiteren Entwicklung von Weizen möglichst objektiv mit Pro & Contra zu untersuchen. Gleichzeitig möchte ich allerdings meine Leser animieren, selbst eigene Überlegungen anzustellen und die vorgebrachten Argumente durchaus kritisch zu hinterfragen.


Fundamental

Lt. den Veröffentlichungen der USDA befindet sich die Versorgungslage bei Weizen weltweit an einem äußerst kritischen Punkt. Kritisch deshalb, da die weltweiten Lagerbestände auf ein Niveau abgefallen sind, welche zuletzt in den Jahren 1980/81 gesehen wurden. Noch angespannter wirkt die Situation, wenn man anstatt der Lagerbestände in nackten Zahlen eine Kennzahl heranzieht, die beschreibt, wie lange die vorhandenen Lagerbestände ausreichen um die tatsächliche Nachfrage zu bedienen. Ich halte diese Kennziffer - das Stocks to Use Ratio - für wesentlich aussagekräftiger, da es eben nicht nur die Angebotsseite sondern auch die Nachfrageseite mit berücksichtigt.

Das Stocks to Use Ratio drückt in einer Prozentzahl zwischen 0-100 aus, wie viel der derzeit realen Nachfrage mit Hilfe der vorhandenen Lagerbestände befriedigt werden kann. Beim Weizen ist diese Ratio zuletzt auf 18,1% gefallen. Dies wäre der niedrigste Wert seit 1962. Für weiter zurückliegende Zeiten liegen mir keine Daten vor.



Ein Stocks to Use Ratio von 18,1% bedeutet, die Vorräte reichen noch für ca. 66 Tage. Ein solch geringes Angebot muss zu steigenden Preisen führen, damit über die höheren Preise neues Angebot generiert werden kann. Als 1972 das Ratio auf 21,3% fiel, stiegen die Preise von Juni 1972 bis März 1974 von 1,40 $ auf 6,44 $ und somit um ca. 350% an.



[pagebreak]Weitere große Anstiege gab es bei Weizen immer dann zu verzeichnen, wenn die Ratio stark nach unten fiel, wobei die Stärke der Anstiege prozentual nicht 1:1 mit dem Rückgang der Ratio verläuft.

So stiegen die Preise zwischen März 1995 und April 1996 um über 100% auf den bislang höchsten Stand @ 750,00 (März 96 Kontrakt), die Ratio selbst war dabei lediglich auf ein Niveau von ca. 28% gefallen (siehe Chart Seite 1).

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Interessant daran ist, dass die Preise damals extrem volatil gewesen sein müssen (ich selbst habe diese Phase nicht aktiv als Wheat-Trader erlebt), da dieser Höchstpreis von 750 Cent/Bushel im Märzkontrakt am Verfallstag erreicht wurde, wobei dieser Kontrakt am fraglichen Tag (20.03.1996) eine Bewegung von über 240 Cent machte (?). Die anderen Kontrakte erreichten dann ihre bisherigen Höchstpreise im April 1996 im Bereich zwischen 717 und 632 Cent.


Alltimehigh Wheat CBOT

Mar96 – 750,00 (20.03.1996)
May96 - 717,00 (29.04.1996)
Jul96 - 636,00 (26.04.1996)
Sep96 - 632,00 (25.04.1996)
Dec96 – 632,75 (25.04.1996)

Zum damaligen Zeitpunkt lag also eine Backwardation vor, die nahen Kontrakte notierten preislich über den entfernteren Kontrakten, was auf eine tatsächliche physische Nachfrage hindeutet. Aktuell befindet sich der Markt auch wieder in einer Backwardation in den nahen Kontrakten, so dass auch hier wieder ein Nachfragemarkt vorliegen dürfte.

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[pagebreak]Charttechnik

In einem Langfristchart zeigt sich, dass die Wheat-Futures letzte Woche den Widerstand welcher aus dem Hoch im letzten Jahr resultiert, gebrochen und auch über diesem geschlossen haben. Dies ist ein bullisches Zeichen, da weitere Widerstände erst an den Hochs aus dem Jahr 1996 zu finden sind. Nimmt man zudem das Tief aus dem Jahr 2005 als Beginn der aktuellen Aufwärtsbewegung, dann war der Rückgang zwischen Oktober und April lediglich eine "normale" 50% Korrektur. Der Trend ist damit als intakt anzusehen.

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CoT Report

Hier müssen wir jetzt erstmals neben dem Pro für weiter steigende Preise auch ein Contra für ein Ende der Aufwärtsbewegung einbeziehen.

Der CoT Report vom letzten Freitag zeigt, dass die Commercials wie zu erwarten Ihre Longposition seit April deutlich reduziert haben. Durch die Bewegung der letzten Tage (die Daten des CoT Reports zeigen die Situation vom letzten Dienstag) dürfte sich die Positionierung mittlerweile in eine Nettoshortposition verändert haben. Die letzte Nettoshortposition wurde im Dezember 2006 bei Preisen um 480-490 Cent gesehen, so dass hier von einem sehr deutlich angestiegenen fairen Wert ausgegangen werden muss.

Die trendfolgenden Fonds besitzen eine Nettolongposition, welche noch nicht ganz an die Hochpunkte der letzten Jahre heranreicht. Die Bewegungen vor allem an Donnerstag und Freitag letzter Woche dürften allerdings auch hier dazu beigetragen haben, dass die tatsächliche Positionierung deutlich höher ist.

Damit befinden wir uns in einer Situation die noch nicht negativ zu werten ist, allerdings auch nicht mehr übertrieben viel Spielraum nach oben lässt. Das größte Potential zeigt hier noch die Positionierung der Kleinspekulanten, da diese stark short positioniert sind, wobei die Vergangenheit zeigt, dass eine Einschätzung dieser Gruppe sehr schwierig ist.

Sollte sich diese Gruppe noch entschließen ihre Position zu drehen, könnte dies zu einem weiteren Schub nach oben führen und die Preise in den Bereich der 96er Hochs bringen. In früheren Jahren waren die Hochpunkte immer dann erreicht, wenn die Commercials Shortpositionen im Bereich um -45k Kontrakten aufweisen konnten. Davon dürften wir derzeit noch um einiges entfernt sein. Daher wäre sogar ein deutliches Überschiessen über die 96er Hochs möglich.

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[pagebreak]Saisonales Muster

Saisonal ist die derzeitige Bewegung gar nicht so ungewöhnlich, zeigt das Muster doch, dass ein erstes Tief im April in den letzten Jahren durchaus üblich ist.

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Ein einfaches saisonales Tradingsystem welches im Juni kauft und die Position bis in den Monat Oktober hält, zeigt eine sehr gute historische Entwicklung, so dass man davon ausgehen kann, dass das saisonale Muster bei Weizen stark ausgeprägt und wirksam ist.





Negative Jahren waren 71, 76, 79, 82, 84, 85, 90, 96, 2000 sowie 2004 und 2005. In einigen dieser Jahre gab es zu Beginn bis Mitte des Jahres (ähnlich wie aktuell) neue Mehrmonatshochs, in anderen nicht. Eine Systematik lässt sich daraus nicht ableiten. Daher sollten wir derzeit davon ausgehen, dass das saisonale Muster auch in den nächsten Wochen seine Wirksamkeit zeigt und die Preise unterstützt.


[pagebreak]Allgemeine Überlegungen

Aktuell befinden wir uns in der Ernte-phase der Nordhalbkugel. Beginnend mit dem Winterweizen in den USA folgt im Juli/August der Winterweizen in Europa dem letztendlich noch die Ernte des Frühjahrsweizens in den USA folgt, die bis in den Oktober andauert. Gleichzeitig beginnen auf der Südhalbkugel die Aussaaten in Australien und Argentinien.

Es gibt Gerüchte, dass es besonders in Russland Probleme mit der Ernte geben könnte. Jeder weitere Ernteausfall bzw. jedes Gerücht darüber befeuert die Phantasie der Händler und dürfte für weiter steigende Preise sorgen. Gleichzeitig müssen wir davon ausgehen, dass die historisch hohen Preise - die aktuellen Preise wurden zuletzt in 1996 erzielt - spätestens in der Aussaatphase im Herbst diesen Jahres in den USA und Europa zu stark ansteigenden Anbauflächen führen werden. Eine analoge Entwicklung konnten wir im letzten Jahr bei Mais beobachten. Gleichzeitig werden die hohen Preise über kurz oder lang zu einer geringeren Nachfrage nach Weizen führen.

Am 29.06. veröffentlicht die USDA den nächsten Crain Stocks Report. Bislang scheint es so, dass die USDA zu optimistisch mit ihren Aussagen war und es zu einer erneuten Reduzierung der Bestände kommen könnte. Sollte dies eintreten, könnten Preise auch deutlich oberhalb der 96er Hochs machbar sein.

Kurzfristig gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Preise ihre Rallye nicht fortsetzen sollten. Nach 6 Tagen gestiegener Preise sollten Trader aber versuchen, Preisrückschläge zu kaufen. Diese können allerdings auch nur intraday auftreten, so dass eine zeitnahe Verfolgung der Preise notwenig erscheint. Es scheint auch sinnvoll gestaffelte Kauflimite in den Markt zu legen, um von solchen temporären Abschlägen zu profitieren.

Eine Gefährdung des Trends ist derzeit nicht zu erkennen. Am interessantesten erscheint uns der Septemberkontrakt zu sein. Allzu weit entfernte Kontrakte würde ich dagegen nicht kaufen, da ein nachfragegetriebener Markt die vorderen Kontrakte deutlich bevorteilen sollte. Sollte sich der Trend zeitlich noch sehr viel weiter als die nächsten Monate fortsetzen, besteht immer noch die Möglichkeit in die nächsten Kontraktmonate zu rollen.

Trader sollten sich darauf einstellen, dass die Volatilitäten sehr hoch sein werden, da der Markt derzeit sehr viele Gerüchte und Wettermeldungen handelt. Stopps sollten daher unbedingt großzügig gewählt werden. Der Markt ist überkauft, dies heißt aber nicht, dass dies zu einer deutlichen Korrektur führen muss. Der heute nach Börsenschluss zur Veröffentlichung anstehende Crop Progress Report könnte besonders für die Winterweizensorten eine sehr starke Reduzierung in der Kategorie Good/excellent mit sich bringen. Daher ist neben dem Chicago Wheat auch der Kauf von Kansas Wheat eine Möglichkeit.

Eine erfolgreiche Woche wünscht Ihnen


© Jens Rabe
www.pit-trader.com


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