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Industriemetalle: LME Week im Zeichen hoher Preise

19.10.2017 | 12:49 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Nach den starken Preisanstiegen der Industriemetalle in diesem Jahr dürften die Auswirkungen auf das Angebot und die Nachfrage einer der wesentlichen Diskussionspunkte auf der bevorstehenden LME Week sein. Die höheren Preise geben zweifellos Anreiz, die Produktion auszuweiten. Zugleich gibt es Hinweise, dass sie die Nachfrage bremsen. Die meisten Metallmärkte sollten in absehbarer Zeit daher besser versorgt sein, was für niedrigere Preise spricht.

Die Anfang September eingesetzte Korrektur der Metallpreise währte nur kurz; sie sind mittlerweile wieder im Aufwind und der LME-Industriemetallindex (LMEX) hat kürzlich sogar ein 4½-Jahreshoch erreicht (Grafik 1).

Die Nachhaltigkeit und die Auswirkungen der stark gestiegenen Preise auf das Angebot und die Nachfrage dürften zentrale Themen auf der LME Week, dem alljährlichen Branchentreffen, sein, die vom 30. Oktober bis zum 3. November in London stattfindet. Zu Beginn der LME Week bzw. kurz davor werden auch die International Study Groups ihre neuen Schätzungen zum Angebot und zur Nachfrage vorlegen. Von besonderem Interesse wird dabei der Blick auf 2018 sein und ob die Branchenverbände hier schon einen Einfluss der Preisentwicklung sehen.

Der starke Anstieg der Metallpreise in diesem Jahr hat dazu geführt, dass in einigen Minenunternehmen anscheinend wieder größere Investitionen geplant werden, was zu einer Ausweitung des Angebots führen sollte. Daneben wird durch die hohen Preise offenbar teilweise die Nachfrage gebremst. Sowohl für die Auswirkungen auf das Angebot als auch auf die Nachfrage gibt es Fallbeispiele. So nimmt laut Angaben des Verbands der chilenischen Minenproduzenten, Sonami, die Aktivität zur Erschließung neuer Projekte wieder zu.

Demnach würden derzeit unter anderem Umweltgenehmigungen beantragt und Machbarkeitsstudien durchgeführt. Dies sind die ersten Schritte in einem für gewöhnlich langjährigen Prozess zur Erschließung neuer Vorkommen. Dieser dauert meistens 5-7 Jahre, mitunter auch bis zu 10 Jahre.

Ein Beispiel hierfür ist BHP Billiton, das weltweit größte Minenunternehmen. Dieses hatte Mitte August die Expansion der "Spence"-Kupfermine in Chile angestoßen, die das Unternehmen eigenen Angaben zufolge rund 2,5 Mrd. USD kosten wird. Die erste Produktion hieraus soll im Geschäftsjahr 2021 erreicht werden. In den ersten zehn Jahren nach Inbetriebnahme rechnet BHP Billiton mit einer jährlichen Kupferproduktion von 185 Tsd. Tonnen.

Im Falle von Zink wird schon kurzfristig eine höhere Produktion in Aussicht gestellt. So hat der kanadische Minenproduzent Teck Resources die Produktionserwartung für die "Red Dog"-Zinkmine in Alaska, die weltweit zweitgrößte Zinkmine, für 2017 um 10% nach oben genommen (auf bis zu 550 Tsd. Tonnen). In Australien wird das in chinesischem Besitz befindliche Unternehmen MMG Ltd. eigenen Angaben zufolge die "Dugald River"-Zinkmine schon Ende des Jahres und damit ein halbes Jahr früher als geplant in Betrieb nehmen. "Dugald River" ist eines der qualitativ hochwertigsten Zinkvorkommen weltweit und die Mine wird später mit einer jährlichen Produktion von rund 170 Tsd. Tonnen zu den zehn größten Zinkminen der Welt zählen.

Für Mitte 2018 plant Vedanta Resources den Start der "Gamsberg"-Zinkmine in Südafrika. Nach neun bis zwölf Monaten Anlaufzeit soll die Mine rund 250 Tsd. Tonnen Zink jährlich produzieren. Und in Peru, dem weltweit zweitgrößten Zinkproduzenten auf Länderebene, wurde die Zinkminenproduktion Angaben der peruanischen Zentralbank zufolge in den ersten sieben Monaten des Jahres im Vorjahresvergleich um fast 12% ausgeweitet. Dies ist in erster Linie auf die Kupfer-Zink-Mine "Antamina" zurückzuführen, in der die Zinkproduktion laut Unternehmensangaben in diesem Jahr auf bis zu 350 Tsd. Tonnen fast verdoppelt werden soll.



In China wiederum versuchen die Stahlproduzenten derzeit noch aufgrund der nach wie vor hohen Stahlpreise und der damit verbunden hohen Gewinne so viel Stahl wie möglich herzustellen. Im August wurde wieder einmal eine rekordhohe Menge Stahl produziert. Die hohe Stahlproduktion war zugleich einer der Treiber der Zinknachfrage. Die behördlich angeordneten Kapazitätsschließungen in der chinesischen Stahlindustrie - aus Umweltgründen oder weil sie illegal sind - haben sich bislang noch nicht in den offiziellen Produktionsdaten niedergeschlagen.

Der Lagerabbau von Betonstahl in China wurde laut Angaben des Datenanbieters Steelhome zudem schon vor einigen Monaten gestoppt. Seit Anfang August steigen die Lagerbestände sogar leicht und haben mittlerweile ein Mehrmonatshoch erreicht (Grafik 2). Dies deutet auch auf Bremsspuren bei der Nachfrage hin. Diese könnten noch sichtbarer werden, wenn die Maßnahmen zur Abkühlung des überhitzten Immobiliensektors wie von uns erwartet ihre volle Wirkung entfalten und die Investitionen insbesondere der Staatsunternehmen zurückgeführt werden.

Ebenfalls die Nachfrage betreffend sehen Marktbeobachter den stark gestiegenen Zinkpreis kritisch. So geht zum Beispiel das Beratungsunternehmen Wood Mackenzie davon aus, dass Zinkkonsumenten versuchen werden, Zink zu substituieren oder weniger Zink zu verbrauchen (Grafik 3). Gut die Hälfte des weltweiten Zinkverbrauchs wird zur Galvanisierung von Stahl verwendet, um diesen korrosionsbeständig zu machen. Die Autoindustrie ist dabei ein großer Abnehmer von galvanisiertem Stahl.

[pagebreak]Die Rally der Zinkpreise könnte laut Einschätzung von Wood Mackenzie nun dafür sorgen, dass die chinesische Autoindustrie den Anteil von galvanisiertem Stahl in der Produktion (derzeit weniger als 20%) langsamer ausweitet als geplant. Und die westliche Autoindustrie könnte versuchen, dünnere Beschichtungen zu verwenden, um so über Gewichtsreduzierungen die strikteren Emissionsvorgaben zu erfüllen. Dies würde bedeuten, dass weniger Zink je Tonne Stahl verwendet wird.

Angaben des Research-Instituts CRU zufolge wird es für die Galvanikunternehmen bei Zinkpreisen über 3.000 USD je Tonne zunehmend schwierig, die Zinkaufschläge an die Kunden weiterzugeben. Mittlerweile hat sich mit Vedanta Resources auch der erste Zinkproduzent kritisch zu den hohen Zinkpreisen geäußert. Kurzfristig würde demnach zwar der Gewinn im Unternehmen steigen, langfristig verprellen die hohen Preise laut Unternehmensaussagen aber die Kunden. Vedanta sieht demnach zwischen 2.500 USD und 2.800 USD je Tonne ein eher gerechtfertigtes Preisniveau für Zink, das den Kunden Anreiz gebe, Zink zu kaufen.

Auch wenn es wie oben aufgeführt einige Fallbeispiele gibt, dass Angebot (positiv) und Nachfrage (negativ) auf starke Preisveränderungen reagieren, lässt sich dies rein rechnerisch mit einfachen Mitteln nicht nachweisen. Zwar ist der Preis eine wesentliche Einflusskomponente auf die Veränderung des Angebots und der Nachfrage, daneben spielen aber auch noch etliche weitere Faktoren eine Rolle.

So kann es zum Beispiel sein, dass der Preis zwar stark steigt, aber absolut betrachtet immer noch auf einem zu niedrigen Niveau notiert, so dass sich eine Produktionsausweitung nicht rentiert. Oder aber die Produktion wird trotz fallender Preise und möglicher Verluste dennoch aufrechterhalten, da das Herunterfahren und später die Wiederinbetriebnahme einer Produktionsanlage (Mine oder Schmelze) noch teurer kämen als die operativen Verluste.

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Aufgrund der mehrjährigen Erschließungszeit eines neues Projektes wird dieses bei stark fallenden Preisen nur selten gänzlich gestoppt - mitunter allerdings verschoben -, wenn es einen bestimmten Punkt der Erschließung überschritten hat. Verzerrt wird die Betrachtungsweise auch durch Wettereinflüsse wie zum Beispiel Erdbeben, Wirbelstürme und Überflutungen. Auch spielen Streiks eine Rolle oder Produktionskürzungen/-stilllegungen, die aus Umweltgesichtspunkten bzw. aus politischen Gründen im Allgemeinen angeordnet wurden.

Die Nachfrage wiederum wird bei stark steigenden Preisen nicht zwangsweise zurückgehen, wenn der betroffene Rohstoff ein essenzieller Bestandteil eines bestimmten Produktes ist bzw. in diesem nur schwer ersetzt werden kann. Zudem beeinflussen mehr und mehr die Finanzinvestoren die Nachfrage, die auf ihrer Jagd nach Rendite durch ihre Transaktionen Material binden, aber sonst kein Interesse an dem jeweiligen Material haben.

Nicht zu vergessen ist der US-Dollar, da die meisten Rohstoffpreise in der US-Währung gehandelt werden und der Kauf von Rohstoffen bei einer Aufwertung des US-Dollar gegenüber der heimischen Währung teurer wird. Auch in der jüngsten Aufwärtsbewegung der Metallpreise hat der US-Dollar eine prominente Rolle gespielt. Denn die Metallnachfrage außerhalb des Dollarraums zog an, da die schwächere US-Währung dazu führte, dass die Preise für Nicht-USD-Konsumenten weniger stark gestiegen waren.

Die meisten Metallmärkte dürften unseres Erachtens aufgrund der starken Preisanstiege zukünftig besser versorgt sein. Dies spricht für niedrigere Metallpreise. Wir gehen weiterhin von einer starken Preiskorrektur in den nächsten Monaten aus und behalten daher unsere niedrigen Preisprognosen bei. Anpassungen - sofern notwendig - werden wir im Rahmen des Jahresausblicks 2018 vornehmen, der im Dezember veröffentlicht wird.


Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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