Rohstoff-Welt.de

Heißer Sommer für Benzin und Diesel

01.08.2017 | 14:34 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Die Preise für Ölprodukte sind im letzten Monat stärker gestiegen als die Ölpreise. In der Folge weiteten sich die Crackspreads deutlich aus. Unterstützt wird diese Entwicklung durch fallende Lagerbestände von Ölprodukten, eine robuste Nachfrage und Raffinerieausfälle. Die attraktiven Verarbeitungsmargen sprechen für eine hohe Rohölverarbeitung und weiterhin hohe US-Netto-Exporte von Ölprodukten. Aufgrund des von uns erwarteten Ölpreisrückgangs dürften auch die Preise für Ölprodukte bis zum Jahresende wieder nachgeben.

Die Ölpreise sind im Juli deutlich gestiegen und erreichten zu Wochenbeginn das höchste Niveau seit der OPEC-Sitzung Ende Mai. Die Preise für Ölprodukte sind in den letzten Wochen sogar stärker gestiegen als die Ölpreise.

In der Folge weiteten sich die Crackspreads, also die Preisdifferenzen zwischen dem verarbeiteten Ölprodukt und Rohöl, deutlich aus. Besonders ersichtlich ist dies in den USA. Der Crackspread für die Verarbeitung von Rohöl (WTI) zu Benzin stieg auf mehr als 21 USD je Barrel und ist damit so hoch wie zuletzt Anfang April (Grafik 1).

Bei Heizöl bzw. Diesel beläuft sich die Preisdifferenz zu WTI auf fast 20 USD je Barrel. Höher war sie zuletzt im September 2015. Die Ausweitung der Verarbeitungsmargen ist eng mit der Entwicklung der Lagerbestände bei Ölprodukten verbunden.

Die US-Benzinvorräte sind zuletzt an sechs Wochen in Folge gefallen. Der Lagerabbau in dieser Zeit beläuft sich auf gut 12 Mio. Barrel. Die Benzinvorräte liegen inzwischen 11 Mio. Barrrel unter dem Vorjahresniveau und nur noch 9 Mio. Barrel über dem 5-Jahresdurchschnitt. Noch Mitte Juni war die Abweichung doppelt so hoch. Niedriger waren die Benzinbestände zuletzt Ende 2016, also nach dem Ende der Sommerfahrsaison.

Bei den Destillatebeständen ist dagegen in den letzten Wochen kein klarer Trend zu erkennen. Wochen mit steigenden und fallenden Vorräten wechseln sich vielmehr ab. Für gewöhnlich steigen die Destillatebestände während der Sommermonate an, weil die Raffinerien zur Befriedigung der Nachfrage mehr Benzin produzieren und entsprechend auch mehr Destillate als "Nebenprodukt" anfallen. Aktuell liegen die Destillatebestände 2,5 Mio. Barrel unter dem Vorjahresniveau, aber noch 15 Mio. Barrel über dem 5-Jahresdurchschnitt. Vor vier Wochen lag die Abweichung noch bei mehr als 20 Mio. Barrel, im ersten Quartal sogar noch bei gut 30 Mio. Barrel.

Begünstigt wird der Lagerabbau durch eine robuste US-Benzinnachfrage zur Sommerfahrsaison. Diese liegt zwar noch gut 1% unter dem Rekordniveau des Vorjahres. In den letzten vier Wochen lag sie aber nahezu gleichauf und erreichte in der letzten Berichtswoche wieder den Ende Mai verzeichneten Spitzenwert. Die Destillatenachfrage liegt sogar deutlich über dem Niveau des Vorjahres. Eine saisonale Schwäche während der Sommermonate lässt sich nicht ausmachen. Hinzu kommen anhaltend robuste Netto-Exporte von Destillaten, die seit Wochen zwischen 1 Mio. und 2 Mio. Barrel pro Tag schwanken.



Auch in Europa haben sich die Preisdifferenzen zwischen den Ölprodukten und Rohöl ausgeweitet (Grafik 2). Der Crackspread zwischen Gasöl und Brent erreichte im Juli das höchste Niveau seit November 2015, liegt mit 13,5 USD je Barrel aber noch deutlich niedriger als die vergleichbare Preisdifferenz in den USA. Die Gasöl-Terminkurve befindet sich aktuell in Backwardation und deutet damit auf ein knapperes Angebot hin.

Die Gasölbestände in der Region Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen (ARA) sind seit Mitte Mai kräftig gefallen und befinden sich mittlerweile deutlich unter dem entsprechenden Vorjahresniveau sowie nur noch leicht über dem 5-Jahresdurchschnitt (Grafik 3). Im Mai hatte die Abweichung noch zeitweise bis zu 40% betragen. Der Crackspread zwischen Benzin und Brent stieg ebenfalls auf 13 USD je Barrel und liegt damit am oberen Ende des Korridors seit Jahresbeginn.

Die ARA-Benzinvorräte fielen von Mitte April bis Mitte Juli nahezu kontinuierlich. Sie liegen bereits deutlich unter dem Vorjahresniveau und auch unter dem 5-Jahresdurchschnitt. Bis Ende April hatte noch eine beträchtliche Abweichung nach oben bestanden (Grafik 24, Seite 7). Unterstützt wurde der Anstieg der Preisdifferenzen und der Lagerabbau diesseits und jenseits des Atlantiks durch einige Raffinerieausfälle. So fehlten an der US-Ostküste vorübergehend Verarbeitungskapazitäten von 200 Tsd. Barrel pro Tag.

Die Benzinlagerbestände an der US-Ostküste sind daraufhin auf den tiefsten Stand seit Jahresbeginn gefallen und liegen nur noch knapp über dem 5-Jahresdurchschnitt. Auch in Europa kam es zu Raffinerieausfällen, so z.B. in der Leuna-Raffinerie in Deutschland und in der größten europäischen Raffinerie in den Niederlanden. Wegen einer starken Nachfrage aus Lateinamerika und Indien konnten diese Ausfälle nicht durch höhere Dieselimporte ausgeglichen werden. Stattdessen lagen die europäischen Dieselimporte aus den USA im Juli sogar 500 Tsd. Tonnen niedriger als im Juni.

Die aktuell hohen Verarbeitungsmargen dürften den Raffinerien einen Anreiz zur Rohölverarbeitung geben. In den USA nähert sich diese wieder dem Ende Mai verzeichneten Rekordniveau (Grafik 18, Seite 6). Seit März wird in den US-Raffinerien deutlich mehr Rohöl verarbeitet als im Vorjahr. Seit Mitte April liegt die US-Rohölverarbeitung mit Ausnahme von zwei Wochen bei mehr als 17 Mio. Barrel pro Tag. Im gesamten letzten Jahr wurde dieses Niveau nicht ein einziges Mal erreicht, im Jahr 2015 nur in zwei Wochen während der nachfragestarken Zeit im Sommer.

[pagebreak]Nicht das gesamte verarbeitete Rohöl wird allerdings in den USA verbraucht. Die Nachfrage nach Ölprodukten stagniert weitgehend. Die Benzinnachfrage liegt aufgrund des schwachen ersten Quartals noch gut 200 Tsd. Barrel pro Tag unter dem Niveau des Vorjahres, die Destillatenachfrage knapp 300 Tsd. Barrel pro Tag höher als im Vorjahr. Entsprechend steigen die US-Netto-Exporte von verarbeiteten Ölprodukten. Diese belaufen sich seit Jahresbeginn auf durchschnittlich 2,6 Mio. Barrel pro Tag (Grafik 4, Seite 3). In einzelnen Wochen wurden sogar mehr als 3 Mio. Barrel pro Tag exportiert.

Etwa zwei Drittel davon entfallen auf Destillate, ein Drittel auf Benzin. Der größte Abnehmer ist Lateinamerika und hier insbesondere Mexiko und Brasilien. Bei Destillaten gehen Exporte auch nach Westeuropa. Bei den derzeitigen Preisdifferenzen ist dies allerdings wenig lukrativ, da Benzin und Diesel in den USA gegenwärtig teurer sind als in Europa. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass Europa zumindest kurzzeitig wieder Benzin in die USA exportiert, was bis 2011 noch die Regel war. Als möglicher Abnehmer kommt wegen der oben erwähnten Knappheit und der vergleichsweise kurzen Distanz die US-Ostküste in Frage.

Zum Vergrößern bitte klicken


Für die Preise von Diesel und Benzin bleibt der Rohölpreis die wichtigste Determinante (Grafik 5). Letzterer dürfte im Jahresverlauf wieder nachgeben und am Jahresende deutlich unter 50 USD je Barrel notieren, da sich das Überangebot langsamer abbauen wird als von der OPEC erhofft. Denn Libyen und Nigeria bleiben von den Produktionskürzungen bis auf weiteres ausgenommen, was beiden Ländern die Tür für eine weitere Erhöhung der Ölproduktion offen lässt. Gleichzeitig dürfte die Einhaltung der Produktionskürzungen bei den anderen Ländern bröckeln (siehe Rohstoffe kompakt Energie vom 14. Juli) und die Ölproduktion in den USA weiter steigen.

Dagegen reduzieren die Raffinerien in Herbst für gewöhnlich die Verarbeitung, um Wartungsarbeiten durchzuführen und auf Winterbetrieb umzustellen. Dies dürfte den Lagerabbau bei Rohöl erschweren. Die OPEC dürfte daher ihr Ziel nicht erreichen, den Lagerüberhang gemessen an der Abweichung der kommerziellen Ölvorräte in den OECD-Ländern im Vergleich zum 5-Jahresdurchschnitt bis um Jahresende vollständig abzubauen. Zudem besteht im nächsten Jahr das Risiko eines erneuten Überangebotes, wenn die Produktionskürzungen Ende des 1. Quartals auslaufen und die OPEC ihre Produktion wieder hochfährt.

Die Verarbeitungsmarge von Benzin dürfte ihr gegenwärtig hohes Niveau nicht halten, sondern nach dem Ende der Sommerfahrsaison und damit nachlassender Nachfrage unter Druck geraten. Die Verarbeitungsmarge für Diesel dürfte ihr derzeitiges Niveau verteidigen, das normalerweise erst in den Wintermonaten erreicht wird. Viel Luft nach oben sehen wir aus diesem Grund allerdings nicht mehr. Entsprechend dürfte der europäische Dieselpreis im Einklang mit dem Rohölpreis bis zum Jahresende fallen.

Der Preisrückgang bei Benzin wird wegen der ab Herbst fallenden Verarbeitungsmarge überproportional ausfallen. Wir sehen Diesel am Jahresende bei 460 USD je Tonne, Benzin bei 470 USD je Tonne. Im nächsten Jahr gehen wir aufgrund eines moderat steigenden Ölpreises und leicht steigenden Verarbeitungsmargen von höheren Diesel- und Benzinpreisen aus. Diesel dürfte 2018 im Jahresdurchschnitt 490 USD je Tonne kosten, Benzin 530 USD je Tonne. Beides liegt etwas über dem aktuellen Preisniveau.

Zum Vergrößern bitte klicken


Auf einen Blick

Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


[pagebreak]
Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


Zum Vergrößern bitte klicken


© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets



Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.


Dieser Artikel stammt von Rohstoff-Welt.de

Die URL für diesen Artikel ist: http://www.rohstoff-welt.de/news/artikel.php?sid=62882

© 2007 - 2024 Rohstoff-Welt.de ist ein Mitglied der GoldSeiten Mediengruppe
Es wird keinerlei Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen! Alle Angaben ohne Gewähr!
Kursdaten: Data Supplied by BSB-Software.de (mind. 15 min zeitverzögert)

Werbung | Mediadaten | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutz