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Naturkautschuk: Preisrutsch trotz Defizitprognosen

12.07.2017 | 6:00 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Der dramatische Preisrutsch bei Kautschuk in der ersten Jahreshälfte erstaunt angesichts der Prognosen, wonach der globale Markt für Naturkautschuk auch 2017 ein Angebotsdefizit aufweisen soll. Doch lasten der niedrige Ölpreis, hohe Lagerbestände in China und schwache Daten insbesondere zu den US-amerikanischen Autoverkäufen in den letzten Monaten auf den Notierungen.

Nachdem sich der Kautschukpreis in der zweiten Jahreshälfte 2016 und bis in den Februar 2017 hinein auf über 230 US-Cents je Kilogramm fast verdoppelt hatte, brach er seither wieder auf unter 150 US-Cents je Kilogramm ein (Grafik 1).



So schnell, wie der Preis stieg, als die Marktversorgung enger eingeschätzt wurde, so schnell gab er wieder nach, als die Versorgungslage doch üppiger gesehen wurde. Während für die Einengung aber ein niedriger als erwartetes Angebot als Begründung diente, war es nun die schwächer eingeschätzte Nachfrage, die dem Preisrückgang zugrunde liegen sollte. Auch ermöglicht der niedrige Ölpreis eine kostengünstige Produktion des konkurrierenden synthetischen Kautschuks, der etwas mehr als die Hälfte des gesamten Kautschukverbrauchs bedient.

Zudem lastet auf dem Preis, dass zwar von Seiten der großen Exporteure immer wieder die Absicht geäußert wird, die Exporte zu begrenzen, es aber bisher nicht zu einer neuen solchen Verabredung gekommen ist.

Die Vereinigung der Naturkautschuk produzierenden Länder ANRPC prognostiziert, dass wie 2016 auch 2017 die Nachfrage das laufende Angebot übersteigen wird. Für die ersten sechs Monate des Jahres beziffert sie das Defizit auf 688 Tsd. Tonnen. Bis Dezember soll sich die Fehlmenge auf 103 Tsd. Tonnen einengen. 2016 waren es laut IRSG 198 Tsd. Tonnen.

Für das Gesamtjahr 2017 schätzt die ANRPC die Angebotsmenge auf 12,8 Mio. Tonnen, 5,9% höher als 2016. Zwischen Januar und Juni wurde nach Angaben der ANRPC bereits knapp 6% mehr Naturkautschuk hergestellt. Für Thailand, den größten Produzenten, weist sie allerdings ein Minus aus, nachdem die Produktion Anfang des Jahres durch Überschwemmungen beeinträchtigt war.

Die Nachfrage nach Naturkautschuk soll 2017 um 1,7% auf 12,9 Mio. Tonnen steigen. Dabei wird unterstellt, dass die chinesische Nachfrage nur marginal steigt. Ein Indiz dafür, dass diese Sicht möglicherweise zu pessimistisch ist, sind die chinesischen Importe an Naturkautschuk. Diese waren im Mai 17,6% höher als im Vorjahresmonat, in den ersten 5 Monaten zusammen liegen die Importe sogar 23,5% im Plus.

Allerdings könnte ein Teil davon zunächst auf Lager gelegt und eben nicht gleich verarbeitet werden. Die nach einer kurzen Stabilisierung zuletzt wieder stark steigenden Bestände an der Börse in Shanghai geben darauf einen Hinweis (Grafik 2). Dafür spricht auch, dass die Autoabsatzzahlen Chinas zuletzt nur verhalten waren. Gemäß Daten des Verbands der chinesischen Automobilproduzenten wurden in China im Mai 1,75 Mio. Autos verkauft, 2,6% weniger als im Vorjahr. Dies war der zweite Monat in Folge mit negativen Jahresveränderungsraten. Nach den ersten fünf Monaten des Jahres lagen die Autoverkäufe nur noch 1,5% über Vorjahr.

Die Dynamik hat in den letzten Monaten also stark abgenommen und die anfängliche Prognose der chinesischen Vereinigung der Automobilproduzenten, dass auch 2017 die Autoverkäufe des Landes mit 5% kräftig weiter steigen würden, wird enttäuscht. Richtig negativ waren in den letzten Monaten allerdings die Daten zu den US-amerikanischen Fahrzeugabsätzen. Nachdem die annualisierten saisonbereinigten Fahrzeugverkäufe im Dezember 2016 auf den höchsten Stand seit vielen Jahren gestiegen waren, gaben sie seither deutlich nach (Grafik 3).

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Behält die ANRPC recht, dann weist der Markt für das Gesamtjahr 2017 trotz der nur moderat zulegenden Nachfrage noch immer ein Defizit auf. 2016 hatte bereits mit einem deutlichen Defizit geendet. Hauptgrund dafür war, dass das Angebot nach den durch El-Niño gebeutelten Vorjahren und dem durch die lange sinkenden Preise geringeren Produktionsanreize ein weiteres Mal nur marginal gestiegen war.

Die International Rubber Study Group beziffert das Defizit 2016 auf 198 Tsd. Tonnen. Die Defizitphase dürfte sich nach Einschätzung des Analysehauses The Rubber Economist von Ende Mai auch noch bis ins Jahr 2019 fortsetzen, eine Einschätzung, die allerdings nicht alle Beobachter teilen.

Dass sich die Preise dennoch nicht erholen, wird aktuell denn auch eher Faktoren wie dem Ölpreis und den hohen chinesischen Lagerbeständen zugeschrieben. Wenn sich der Fokus aber wieder mehr auf die aktuellen und zu erwartenden Marktdefizite ausrichtet, dürfte es für den Kautschukpreis zumindest moderates Aufwärtspotenzial geben.


© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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