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Was Sie schon immer über Platin wissen wollten

09.02.2017 | 7:00 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Der Platinpreis hat nach den Verlusten im vierten Quartal seinen Aufwärtstrend im Januar 2017 wieder aufgenommen. Unterstützt wurde er dabei durch die Abwertung des US-Dollar und rückläufigen Anleiherenditen im Vorfeld und nach der der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Dadurch wurde Gold als sicherer Hafen wieder gefragter, was sich auch positiv auf Platin auswirkte. Welche Faktoren den Platinpreis darüber hinaus maßgeblich beeinflussen, wird im Folgenden analysiert.

Die folgende Analyse der zugrunde liegenden fundamentalen Angebots- und Nachfragefaktoren am globalen Platinmarkt soll Aufschluss über die jeweilige Bedeutung der einzelnen Komponenten der Marktbilanz für die Preisentwicklung geben. Zu diesem Zwecke werden die Einschätzungen der wichtigsten Marktteilnehmer und Beobachter für das vergangene sowie das laufende Jahr miteinander verglichen. Dabei geben übereinstimmende Sichtweisen Aufschluss über die gängige Markteinschätzung. Im Gegenzug weisen unterschiedliche Auffassungen auf vorhandene Risikofaktoren bezüglich der künftigen Entwicklung der Marktbilanz und des Platinpreises hin.

Auf den ersten Blick überrascht, dass der Platinpreis von den deutlichen Angebotsdefiziten kaum profitieren konnte. Im letzten Jahr verteuerte sich Platin trotz des fünften Angebotsdefizits in Folge um magere 1,4% gegenüber dem Vorjahr. Dagegen stiegen die Preise von Gold und Palladium um 8,6% bzw. 21,0% (Grafik 1).

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Dabei entwickelt sich der Platinpreis zwar häufig im Windschatten des Goldpreises. Gleichzeitig werden Platin und Palladium in der Regel gemeinsam gefördert und werden im wichtigsten Nachfragesegment beider Edelmetalle, dem Automobilsektor, häufig als Substitute betrachtet. In Januar konnte der Platinpreis von der allgemeinen Verteuerung der Edelmetalle profitieren und stieg um 10% gegenüber dem Dezemberschlussniveau.

Entgegen der beobachteten Preisentwicklung verhielten sich 2016 die Zu- bzw. Abflüsse in die bzw. aus den Platin-ETFs. Für das gesamte Jahr 2016 standen Abflüsse i.H. von knapp 33 Tsd. Unzen zu Buche. Ohne die Zuflüsse im vierten Quartal wären diese sogar deutlich höher ausgefallen. In den ersten drei Quartalen 2016 summierten sich die Netto-Abflüsse noch auf 131 Tsd. Unzen. In der ersten Jahreshälfte 2016 kam es dabei zu massiven Abflüssen i.H. von knapp 145 Tsd. Unzen bei den südafrikanischen Platin-ETFs. Diesegerieten insbesondere durch die Aufwertung des südafrikanischen Rand zum US-Dollar unter Verkaufsdruck, da diese den Anstieg des Platinpreises in lokaler Währung bremste.

Die Abflüsse aus den Platin-ETFs im dritten Quartal erklären sich hingegen mit den Anteilsverkäufen beim Anbieter ETF Securities kurz vor und nach der Preisspitze im Ende Juli 2016. Mitte Juli gab es Abflüsse von knapp 52 Tsd. Unzen und Mitte August Abflüsse von knapp 36 Tsd. Unzen. Im vierten Quartal meldete ETF Securities trotz der schwachen Preisentwicklung und einem zwischenzeitlichen Rückgang des Platinpreises auf ein 10-Monatstief Zuflüsse von 103 Tsd. Unzen. Da auch der Verkaufsdruck südafrikanischer Platin-ETFs nachließ, summierten sich die Zuflüsse im vierten Quartal auf knapp 99 Tsd. Unzen. Offensichtlich erachteten die ETFAnleger den Preisrückgang als übertrieben und das Preisniveau als attraktiv zum Einstieg.

Der Platinmarkt wies laut Johnson Matthey in den letzten 5 Jahren ein Angebotsdefizit auf (Grafik 2), welches sich in diesem Zeitraum auf gut 2,6 Mio. Unzen summiert. Allerdings fiel dieses im letzten Jahr mit 422 Tsd. Unzen geringer aus als von Johnson Matthey zunächst erwartet, da die Schmucknachfrage insbesondere in China überraschend schwach ausfiel. Dem gegenüber stand eine bis einschließlich Oktober 2016 weiterhin starke Barrennachfrage aus Japan, die den Rückgang aus der Schmucknachfrage allerdings nur bedingt ausgleichen konnte.

Damit hat sich das Angebotsdefizit das dritte Jahr in Folge verringert. Johnson Matthey zufolge wird der Platinmarkt in diesem Jahr wegen einer anhaltenden Nachfrageschwäche in der Schmuckindustrie sowie einer schwächeren Nachfrage in der Autoindustrie sogar einen leichten Überschuss verzeichnen. Zudem könnte das Angebot aus der Wiederverwertung von Altfahrzeugen steigen.

Ausgehend von Südafrika ist die globale Platinproduktion im letzten Jahr gemäß Daten des weltweit größten Verarbeiters von Platin und Palladium knapp 2% gegenüber Vorjahr auf 6 Mio. Unzen gefallen. Für 2017 erwarten Johnson Matthey und der World Platinum Investment Council WPIC ein stabiles Minenangebot. Letzterer sieht den Markt nach einem Angebotsdefizit 2016 in Höhe von 170 Tsd. Unzen auch 2017 im Angebotsdefizit, welches mit 100 Tsd. Unzen allerdings nur gering ausfallen soll.


Angebot

Das weltweite Platinangebot speist sich aus der primären Bergbauerzeugung und dem Metall, das durch Recycling von ausgedienten Abgaskatalysatoren, Platinschmuck und Elektronik mit Platinanteilen gewonnen wird. Die wichtigste Angebotskomponente ist mit 76% Anteil am Gesamtangebot (basierend auf den Daten von Johnson Matthey) die Minenförderung (Grafik 3).

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Dieses findet vorrangig in Südafrika statt, das im letzten Jahr 72% des globalen Minenangebots stellte (Grafik 4). Mit knapp 11% Anteil am weltweiten Minenangebot folgt Russland mit großem Abstand auf Platz zwei. Simbabwe, das im letzten Jahr laut Johnson Matthey seine Produktionsspitze erreichte, folgt mit rund 8% Marktanteil, während Kanada, die USA und Kolumbien die verbliebenen 9% des weltweiten Minenangebots ausmachen. Dabei erreichten die größten Produzentenländer bereits vor einem Jahrzehnt ihre Produktionsspitze, sodass eine Angebotsausweitung kurz- bis mittelfristig als unwahrscheinlich anzusehen ist.

Mit einer Förderung von mehr als 2,4 Mio. Unzen ist Anglo American Platinum (Amplats) der weltweit größte Platinproduzent. Implats ist der zweitgrößte Platinproduzent (25% des jährlichen Minenangebots), gefolgt von Lonmin. Allerdings befindet sich die Platinindustrie derzeit im Umbruch. So hat sich seit 2015 der Goldproduzent Sibanye in die PGM-Industrie eingekauft und Minen unter anderem von Amplats und Implats. übernommen. Damit dürfte Sibanye künftig der fünftgrößte Platinproduzent weltweit sein.

Der laufende strukturelle Wandel in der Platinminenindustrie ist auf die niedrigen Platinpreise zurückzuführen. Vor allem die südafrikanischen Minen kämpfen seit Jahren mit Kostensteigerungen, welche über der Inflationsrate liegen und in Verbindung mit den niedrigen Preisen zu Verlusten der südafrikanischen Platinminen in den letzten Jahren führten (Grafik 5).

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Daher ist es durchaus möglich, dass sich neben Lonmin weitere Unternehmen dazu entschließen werden, einen Teil ihrer Produktion bei den aktuell meist nicht kostendeckenden Preisen zurückzuhalten. Im letzten Jahr ist die Minenproduktion in Südafrika auch deshalb überproportional stark um 5% gefallen.

Die Verteilung der einzelnen Kostenkomponenten der Platinproduktion richtet sich nach der jeweiligen Abbaumethode und deren Mechanisierungsgrad: Konventionell, mechanisiert und Tagebau. Der Tagebau wird vorrangig angewendet, wenn die abzubauenden Erze des Felsen lang und erdoberflächennah sind. Dies ermöglicht das Abtransportieren großer Mengen des Gesteins mit Schaufeln und LKWs, sodass eine schnellere Produktion im Vergleich zum Untertagebau möglich ist.

Infolgedessen können unter diesen Bedingungen auch Erze mit geringerem Erzgehalt noch wirtschaftlich rentabel abgebaut werden, die ansonsten brach liegen gelassen werden würden. Kostenseitig ist der Tagebau laut Amplats die günstigste Möglichkeit, um an Platinmetalle zu gelangen. Zudem mindert der mit 23% verhältnismäßig niedrige Anteil der Arbeitskosten an den Gesamtkosten die Abhängigkeit von zu hohen Lohnforderungen der südafrikanischen Gewerkschaft AMCU.

Dagegen haben Verbrauchsmaterialien einen vergleichsweise hohen Kostenanteil von 44% (Grafik 6). Kosten für Diesel, Elektrizität und sonstige Kosten inkl. Wasser machen jeweils rund 10% bzw. 13% aus. Die Kostenverteilung beim Tagebau lässt sich vor allem mit dem vergleichsweise hohen Mechanisierungsgrad erklären.

Neben dem Tagebau wird Platin meist untertage abgebaut. Dies geschieht in der Regel durch konventionelle Abbaumethoden, die arbeitsintensiv sind, jedoch zunehmend mechanisiert werden. Beim konventionellen Platinabbau machen die Kosten für Arbeiter und Vertragspartner laut Amplats rund 67% der Gesamtkosten aus (Grafik). Dadurch entstehen wie in den vergangenen Jahren geschehen starke Abhängigkeiten von hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften.

Für Lonmin stiegen 2016 die Arbeitslöhne bspw. um 8,2%. Auch im mechanisierten Abbau machen die Arbeitskosten einen Anteil von 65% an den Gesamtkosten als wichtigste Kostenkomponente aus. Verbrauchsmaterialien, die zur Platinproduktion benötigt werden, tragen jeweils knapp ein Fünftel zu den Kosten beim konventionellen und mechanisierten Bergbau bei und liegen damit deutlich unter dem entsprechenden Anteil im Tagebau. Die übrigen Kostenanteile machen in beiden Verfahren jeweils weniger als 10% an den Gesamtkosten aus.

In der Zukunft werden langfristig laut der südafrikanischen Minenkammer mechanisierte 24/7 Abbaumethoden bedeutsam für die Industrie. Hierbei handelt es sich um eine extern von Mitarbeitern gesteuerte, automatisierte Abbaumethode, die es ermöglicht, vor allem in großen Tiefen durch den Einsatz von Maschinen oder Drohnen an 7 Tagen in der Woche 24 Stunden zu arbeiten. Der Einsatz solcher Methoden würde vermutlich die Zahl der tödlich verunglückten Bergleute, die im letzten Jahr laut dem südafrikanischen Statistikamt bei 30 Menschen lag, senken.

Zudem würden bei einem vollmechanischen oder sogar automatisierten Platinabbau auch weniger sicherheitsbedingte Produktionsausfälle im Rahmen von Paragraph 54 des Gesundheits- und Sicherheitserlasses im Bergbau (Mine Health and Safety Act) in Südafrika auftreten, welche die Platinproduktion in der betroffenen Mine stilllegen. Paragraph 54 sieht eine temporäre Stilllegung von Minen vor, die unzureichende Sicherheitsvorkehrungen bei einer Kontrolle aufweisen oder bei denen ein Unfall passiert ist.

Beispielsweise gab Sibanye an, knapp 68% der verlorenen Umsätze aufgrund von sicherheitsbedingten Minenschließungen erlitten zu haben. Auch Implats wertet die Ausfälle durch diesen Erlass als kritisches operatives Risiko. Die Mechanisierung dürfte sich somit direkt positiv auf die Produktivität und senkend auf die Kostenbasis auswirken. Durch Automatisierung von Arbeiten in den Schächten würden zudem diejenigen Schließungen minimiert werden, die zum Beispiel wegen nicht gewährleisteter Stromversorgung erfolgen. Tiefere Schächte sind zum Teil 40 bis 70 Grad Celsius warm. Eine konstante Klimatisierung dieser Bereiche ist für die Bergleute somit unerlässlich.

Eine zunehmende Mechanisierung und Automatisierung bei den Abbaumethoden würde die direkten Stromkosten senken. Der mit 95% Marktanteil beherrschende staatliche Stromanbieter Eskom belastet die Minen des Landes mit jährlichen Preiserhöhungen, die über den Inflationsraten Südafrikas liegen, was in Zeiten von niedrigen Platinpreisen, Verlusten und industrieweiter Konsolidierung eine schwere Bürde ist. Mangels ausreichender Kapitalinvestitionen stellt dies auch in der nahen Zukunft einen großen Unsicherheitsfaktor für die Gewährleistung einer reibungslosen Stromversorgung dar.

Allerdings deutet die aktuelle Debatte unter den führenden Minengesellschaften über die neuen Anforderungen an Bergleute bereits Zwist mit den Gewerkschaften an. Die in Südafrika für die breite Masse mangelhafte Bildung stellt dabei ein ernsthaftes Problem dar. Es ist fraglich, ob die Unternehmen durch eigene Schulungsprogramme ihren Mitarbeitern die erforderlichen Fähigkeiten lehren oder dies durch Kooperationen mit Universitäten geschehen könnte. So gab der Vorstand von Amplats zu bedenken, dass sich das Verhältnis zwischen der (südafrikanischen) Gesellschaft und den dort tätigen Bergwerken wohl künftig grundlegend ändern wird.

Waren die Bergwerke vorrangig ein großer Arbeitgeber für die südafrikanische Bevölkerung, wird sich dies bei unveränderter Bildungsgrundlage in den nächsten Jahren zwangsläufig ändern. Allerdings werden die Gewerkschaften dies wohl kaum ohne Widerstand akzeptieren. Folglich birgt die technologische Entwicklung im Minensektor die Gefahr von Streiks, insbesondere bei fortschrittsbedingten Kündigungen. Wann diese erfolgen, ist noch nicht genau absehbar. Allerdings kündigten bereits alle großen Platinproduzenten an, sich künftig verstärkt auf mechanisierte Abbaumethoden zu fokussieren.

Zurückzuführen ist dies insbesondere auf die niedrigeren Produktionskosten von mechanisierten Minen. Amplats setzt bereits seit 2011 eine Strategie zum Übergang in mechanisierte Abbaumethoden um. Diese soll bis 2023 abgeschlossen sein und beinhaltet, dass rund 80% der Produktion mit mechanischen Methoden abgebaut werden. Vor dem Hintergrund der sich daraus ergebenden neuen Kostenkomposition unter den Herstellern verändert sich vor allem der Anteil der Diesel- und Stromkosten an den Gesamtkosten. Während Diesel an Bedeutung gewinnt, wird Strom weniger wichtig.

Der Platinpreis wird in US-Dollar gehandelt. Allerdings wird wie bereits erwähnt das Gros des weltweiten Platinminenangebots in Südafrika sowie zu einem geringeren Anteil in Russland produziert. Folglich ist die Profitabilität der Minenproduzenten in diesen Ländern auch immer von den Wechselkursentwicklungen am Devisenmarkt abhängig. Eine Aufwertung des US-Dollar bzw. Abwertung der lokalen Währungen wirkt sich dabei positiv auf die Gewinnmarge der Produzenten aus. Zurückzuführen ist dies auf die größtenteils in Südafrikanischem Rand (ZAR) oder Russischem Rubel (RUB) notierenden Produktionskosten. Bleibt die Kostenbasis konstant, während der in USD erworbene Verkaufserlös in mehr ZAR oder Rubel umgetauscht werden kann, so wirkt dieser Wechselkurseffekt wie eine Subvention (Grafik 7).

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[pagebreak]Dieser Wechselkurseffekt konnte bis Anfang 2016 die Kostenbasis für die Platinproduzenten senken und so die Auswirkungen der niedrigen Platinpreise in USD gerechnet abmildern. In der Folge blieben Teile der Platinproduktion profitabel. Durch die im weiteren Verlauf des Jahres 2016 erfolgte Aufwertung des Rand verkehrte sich dies aber ins Gegenteil, was die Minenproduktion entsprechend bremste.

Im Gegensatz zur Minenproduktion entwickelte sich das Recyclingangebot letztes Jahr positiv (Grafik 8). Zurückzuführen war dies besonders auf den Bestandsabbau der Einzelhändler im chinesischen Schmucksektor. Im Bereich Schmuck stieg das Angebot aus wiedergewonnenem Platin daher um 24%. Aber auch die anderen Bereiche stellten mehr Recyclingangebot zur Verfügung. Insgesamt lagen das tatsächliche und das ursprünglich geschätzte Recyclingangebot jedoch auseinander. Zurückzuführen wäre dies laut Johnson Matthey auf einen strukturellen Wandel im Konsumentenverhalten, dass auf eine deutlich längere Nutzung der Fahrzeuge hindeutet, die die Prognosen über das Recyclingangebot aus dem Segment der Autokatalysatoren erschwert.

Johnson Matthey erwartet für 2017, dass die Entwicklung des Recyclingangebots richtungweisend für die weltweite Angebotsentwicklung von Platin sein wird. Verantwortlich hierfür sind demnach wie oben beschrieben die eingeschränkten Möglichkeiten für eine Angebotsausweitung seitens der Minen. Dabei erwartet Johnson Matthey jedoch regional divergierende Trends aus dem Recyclingangebot verschrotteter Autokatalysatoren. Einem höheren Angebot am europäischen Markt steht ein niedrigeres Angebot am nordamerikanischen Markt gegenüber.

Dabei geht Johnson Matthey davon aus, dass sich das zunehmende Platinangebot aus Katalysatoren von Europa und das abnehmende Angebot von den USA ausgleichen werden. Allerdings hängt das Recyclingangebot aus diesem Markt stark von den Autokatalysatoren ab, die verschrottet werden. Von 1990 bis 2000 kam es in diesem Segment zu erheblichen Modelländerungen, die jeweils einen ganz unterschiedlichen Platinanteil führen.

Zudem verlängert sich wie oben erwähnt die Nutzungsdauer der Fahrzeuge. In Kombination erschweren diese zwei Aspekte eine Einschätzung der Menge an wiedergewonnenem Platin, die auf den Markt kommt. Kurzfristig fließen allerdings auch die Preise anderer in Autokatalysatoren recycelten Rohstoffe in die Überlegungen von Fahrzeughaltern und besonders von Entsorgungsunternehmen mit ein, ab wann Recycling noch profitabel ist. Somit könnten unerwartete Anstiege der Stahlpreise und Preise von Platinmetallen (dazu zählen neben Platin auch Palladium, Rhodium) im Allgemeinen das Recyclingangebot erhöhen.

Zunächst würde wohl innerhalb des Recyclingangebots auf noch immer zurückgehaltene Bestände zurückgegriffen werden, sollten die Preise der Platinmetalle stark steigen. Denn bei höheren Preisen steigt in der Regel auch das Recyclingangebot.


Nachfrage

Die globale Platinnachfrage legte Johnson Matthey zufolge 2016 nur geringfügig auf 8,33 Mio. Unzen zu. Es gibt vier Kernsegmente für die Platinnachfrage: Automobilindustrie, übrige Industrie, Schmuck- und Investitionsbedarf (Grafik 9).

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Die Automobilindustrie als wichtigster Sektor auf der Nachfrageseite (rund 40% der jährlichen Nachfrage) benötigte 2016 1,6% mehr Platin (3,3 Mio. Unzen). Dabei ist vor allem der Markt für Diesel-PKWs mit einem Nachfrageanteil von 71% eine wichtige Nachfragesäule (Grafik 10). Regional ist dabei besonders der europäische Dieselmarkt von Bedeutung, welcher etwa die Hälfte der Nachfrage stellt. Daten des Verbands der europäischen Automobilproduzenten zufolge wurden in der Europäischen Union im letzten Jahr 14,64 Millionen Autos neu zugelassen, rund 6,8% mehr gegenüber 2015. Damit wuchs der europäische Fahrzeugmarkt das dritte Jahr in Folge.

Allerdings fiel der Dieselanteil im gleichen Zeitraum von 52% auf 50% und wird in 2017 laut WPIC weiter auf 48,5% fallen. Neben den vergleichsweise milden Auswirkungen des Abgasskandals um VW im Jahr 2015 dürfte hierfür auch eine höhere staatliche Förderung von Elektrofahrzeugen, z.B. in Deutschland, verantwortlich sein. Insgesamt geht Johnson Matthey davon aus, dass im letzten Jahr die Spitze der europäischen Platinnachfrage aus der Automobilindustrie erreicht wurde und die Nachfrage 2017 um 5% auf 1,68 Mio. Unzen zurückgehen wird (Grafik 11). Der WPIC schätzt den Rückgang auf nur 3%.

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Allerdings dürfte die Diskussion über ein Verbot von Dieselfahrzeugen in Innenstädten, die insbesondere in Deutschland lebhaft geführt wurde, die Konsumenten vorsichtig machen, dieselbetriebene Fahrzeuge zu kaufen. Die europäischen Automobilproduzenten könnten dadurch langfristig zu neuen Katalysatorstrategien außerhalb des Dieselmarktes getrieben werden. Sollte dies tatsächlich eintreten würde das einen herben Rückschlag für die Platinnachfrage aus der Europäischen Union bedeuten. In den USA und in China wurden sogar rekordhohe Autoabsatzzahlen für das letzte Jahr veröffentlicht.

Allerdings sind diese beiden Märkte stark benzinlastig und damit für Platin weniger bedeutend. Zukünftig könnte der chinesische und indische Automarkt, die 2016 zusammengenommen lediglich 200 Tsd. Unzen Platin nachfragten, allerdings stark an Bedeutung gewinnen. Zurückzuführen ist dies laut Johnson Matthey auf die ab Juli 2017 geltenden schärferen Vorschriften zu Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen (China V). Voraussichtlich ab 2020 sollen sowohl in China als auch Indien Emissionsvorschriften gelten, die vergleichbar zu denen in Europa sein werden.

Einen stark bremsenden Einfluss auf die Gesamtnachfrage übte dagegen die Schmucknachfrage aus. Diese sank 2016 um 9% auf 2,6 Mio. Unzen und war damit im letzten Jahr für rund ein Drittel der weltweiten Platinnachfrage verantwortlich gewesen. Für 2017 erwartet Johnson Matthey einen nochmaligen Rückgang der Schmucknachfrage, der WPIC dagegen einen leichten Anstieg. Die übrigen industriellen Anwendungen fragten 2016 gut 14% mehr (insgesamt 1,5 Mio. Unzen) nach.

Die Industrienachfrage aus China soll nach Aussage von Johnson Matthey in diesem Jahr aufgrund der schwächer werdenden Expansionsdynamik dort nachlassen. Die Investmentnachfrage soll laut Johnson Matthey und WPIC im Jahr 2017 geringer ausfallen. Denn die in den letzten zwei Jahren überraschend starke Barrennachfrage aus Japan, welche die Investmentnachfrage maßgeblich getrieben hatte, dürfte sich nicht wiederholen lassen. Der Platinpreis in Japanischen Yen stieg seit Oktober wegen der Yenabwertung um 15% und verteuerte somit opportunistische Käufe unter den japanischen Privatinvestoren, die zuvor zur starken Nachfrage aus Japan beitrugen (Grafik 12). Der WPIC rechnet dabei mit 25% weniger Nachfrage aus diesem Segment.



[pagebreak]Lagerbestände

In den letzten fünf Jahren, die der weltweite Platinmarkt sich im Defizit befand, hatte dies nur geringfügige Auswirkungen auf den Platinpreis. Dies könnte seinen Grund in den reichlich verfügbaren oberirdischen Lagerbeständen haben. Diese werden jedoch von den einzelnen Berichterstattern unterschiedlich definiert, sodass auch die Schätzungen über deren Höhe zum Teil erheblich voneinander abweichen.

Der WPIC bezieht sich auf oberirdische Bestände als geschätzte, kumulierte Jahresendbestände an Platin. Ausgenommen sind physisch gedeckte ETFs sowie Bestände, die Handelsplätzen oder dem Umlaufvermögen der Minen, Raffinerien, Verarbeiter oder Endverbraucher zurechenbar sind. Dabei beziffert der WPIC die oberirdischen Bestände für das Jahr 2016 auf 2,145 Mio. Unzen und erwartet, dass diese 2017 um weitere 100 Tsd. auf 2,045 Mio. Unzen zurückgehen werden (Grafik 13).

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Im Gegensatz dazu definiert das auf Edelmetalle spezialisierte Beratungsunternehmen Metals Focus die oberirdischen Lagerbestände etwas weiter, nämlich als solche, die oberirdisch sofort zur Verfügung stünden. Damit sind auch die Platinbestände in der Schätzung enthalten, die von physisch hinterlegten ETFs gehalten werden. Dabei macht Metals Focus allerdings keinen Unterschied zwischen kurzfristig orientierten ETF-Anlegern und langfristig orientierten ETF-Investoren, die in Platin investieren, um ihre Vermögen vor Inflation zu schützen oder dies aus Diversifikationsgründen tun. Somit dürften die den ETFs zurechenbaren Bestände nicht jederzeit zur Verfügung stehen, um die Nachfrage bei einem überraschenden Angebotsengpass auszugleichen.

Wenn überhaupt müsste vorher ein deutlicher Preisanstieg erfolgen, um entsprechende ETF-Verkäufe auszulösen und so neues Material zur Verfügung zu stellen. Während des 5-monatigen Minenstreiks Anfang 2014 in Südafrika sind die ETF-Bestände sogar um ca. 400 Tsd. Unzen gestiegen, weil die Anleger in Erwartung steigender Preise ETF-Anteile kauften. Die Ende Mai 2016 von Metals Focus abgegebene Einschätzung der oberirdischen Lagerbestände zum Jahresende 2016 von 7,92 Mio. Unzen - ausreichend um 11 Monate der Nachfrage zu bedienen - ist daher nur bedingt mit dem vom WPIC angegebenen Wert vergleichbar.

Allerdings reagierte der Preis nur geringfügig auf die zum Teil recht signifikanten Angebotsdefizite in den letzten fünf Jahren. Insofern dürften die dem Markt bei einer unerwarteten Markteinengung tatsächlich verfügbaren oberirdischen Bestände wohl über dem vom WPIC angegebenen Niveau liegen, aufgrund der bereits verwiesenen unterschiedlichen Definitionen jedoch unter der Schätzung von Metals Focus.


Verbund Platin / Palladium

Die Platinpreise können nach aktueller Einschätzung von Johnson Matthey nur bedingt fallen, da sie durch den Verbund mit Palladium aufgefangen würden, es sei denn, Palladium fällt ebenfalls. Durch die schwindende Preisdifferenz zwischen beiden Platinmetallen verlangsamt sich zudem die Substituierung von Platin durch Palladium bei Dieselfahrzeugen. Der WPIC geht für 2017 allerdings davon aus, dass die anhaltende Substitution von Platin durch Palladium bei Autokatalysatoren 2017 zu einem Nachfragerückgang in diesem Segment um 1% auf 3,21 Mio. Unzen führen wird.

Da die Nachfrage aus dem Segment der Autokatalysatoren immerhin knapp 40% der gesamten Platinnachfrage und rund 80% der Palladiumnachfrage ausmacht (Grafik 14), verhindert die Substitution von Platin und Palladium meist eine voneinander abgekoppelte Preisentwicklung über einen längeren Zeitraum. Im November konnten die guten Fundamentaldaten von Palladium dessen Preis nach oben treiben. In Folge der rekordhohen Autoverkäufe für das Jahr 2016 in den USA und in China wies die fast ausschließlich von der Automobilindustrie abhängige Palladiumnachfrage eine bessere Entwicklung auf, als die weitaus diversifizierte Platinnachfrage.

Die einseitige Nachfrage aus der Automobilindustrie birgt für Palladium aber sehr hohe Risiken bei einer unerwarteten Abschwächung der Fahrzeugverkäufe, sodass auch der Palladiumpreis tendenziell anfälliger für hohe Preisschwankungen ist als der Platinpreis. Der Großteil des Palladiums wird in Südafrika (ca. 40%) und in Russland (38%) gefördert (Grafik 15).

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Weitere Produktionsmengen stammen aus Kanada (9%) und den USA (6%). Im Gegensatz zu Platin, das wesentlich als Hauptprodukt von den Minengesellschaften abgebaut wird, erfolgt der Palladiumabbau hauptsächlich als Nebenprodukt im Nickelabbau (Russland) und im Platinabbau (Südafrika). Die mögliche Annäherung der USA und Russland unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump macht eine Verknappung des russischen Palladiumangebots aufgrund von Sanktionen unwahrscheinlich, zumal auch die unter Obama eingeleiteten Sanktionen keinen negativen Einfluss auf das Palladiumangebot aus Russland hatten.


Einschätzung zur Marktbilanz

Die fundamentale Angebots- und Nachfragesituation basierend auf den Prognosen von Johnson Matthey, dem WPIC sowie Metals Focus sprechen 2017 tendenziell für einen ausgeglichenen Markt. Die bestehenden Unterschiede in den Markteinschätzungen von Johnson Matthey und Metals Focus (Überschuss) gegenüber dem WPIC (Angebotsdefizit) fallen recht gering aus, sodass in beide Richtungen der Marktbilanz schon geringe Abweichungen zu einem ausgeglichenen Markt führen können. Zudem bestand in den letzten Jahren stets ein deutlicher Revisionsbedarf unter den Marktbeobachtern.

Ausgehend von den genannten fundamentalen Angebots- und Nachfragetreibern sehen wir das Aufwärtspotential vor allem durch die wohl nachlassende Investmentnachfrage aus Japan begrenzt. Zudem erreichte die Nachfrage aus dem europäischen Dieselmarkt laut Johnson Matthey und dem WPIC letztes Jahr seine Spitze. Der hohe Anteil von dieselbetriebenen PKWs an der Platinnachfrage aus dem Automobilsektor stellt ein daher Risiko dar, insbesondere falls die Nachfrage nach diesen Autos infolge politischer Entscheidungen zurückgeht.

Während die derzeit für die Platinnachfrage unbedeutende Autokatalysatornachfrage aus Indien und China wohl künftig durch die sich verschärfenden Abgasvorschriften wichtiger wird, dürfte eine preisbewegende Markteinengung durch dieses Nachfragewachstum erstmal nicht anstehen. Das Risiko unerwarteter Angebotsausfälle in der Minenproduktion aufgrund von Streiks, vor allem in Südafrika, dürfte dagegen gering sein, da bereits 2016 die Tarifverhandlungen erfolgreich abgeschlossen wurden. Diese wurden auf den 1. Juli 2016 rückdatiert und sind für drei Jahre gültig. Daher sollte Platin vor allem durch den von uns prognostizierten Anstieg des Goldpreises Auftrieb erhalten.

Zwar dürfte die Risikoaversion der Marktteilnehmer im Jahresverlauf durch die steigenden politischen Risiken in Europa und den USA zunehmen, sodass es ein stärkeres Anlegerinteresse für Gold und andere sichere Häfen geben dürfte. Von dieser würde auch Platin profitieren, da das Edelmetall so wieder in den Fokus der Anleger gerückt würde. Bei einem stärkeren Preisanstieg wäre aber mit einem höheren Recyclingangebot zu rechnen, was wiederum das Aufwärtspotenzial begrenzt. Wir erwarten für den Platinpreis einen Anstieg auf 1.100 USD je Feinunze zum Jahresende.


[pagebreak]Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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