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Zu viel Hitze am Kohlemarkt

31.08.2016 | 11:30 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Die Preise am internationalen Kohlemarkt haben sich rasant erholt. Ausschlaggebend waren massive Produktionsrückgänge in China, dem mit Abstand größten Produzentenland. Sie begünstigten ein deutliches Anziehen des dortigen Importbedarfs.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass das chinesische Angebot bei einer Lockerung der staatlichen Restriktionen wieder stärker wächst und dann auf die sich abschwächende heimische Nachfrage trifft. Wir erachten deshalb die Preiserholung teilweise als überzogen und rechnen mit einem erneuten Rückgang der Kohlepreise. Dieser dürfte auch die deutschen Börsenstrompreise belasten.

Die Kohlepreise haben im Frühsommer massiv angezogen (Grafik 1). Mit 60 USD je Tonne handelt der nächstfällige Kontrakt für Kohle in Rotterdam an der ICE noch immer 33% höher als Mitte Februar. Der Preisanstieg relativiert sich allerdings angesichts des starken Preisverfalls zuvor: So hatte der Börsenpreis im Februar ein neues Rekordtief markiert und Kohle war mit gut 40 USD je Tonne 80% günstiger als im Rekordhoch 2008. Aber auch wenn Kohle mit 60 USD je Tonne gerade mal so teuer ist wie in der ersten Jahreshälfte 2015, denken wir, dass die Preiserholung überzogen war und in den kommenden Monaten mit einer Preiskorrektur zu rechnen ist. Warum?

Ausschlaggebend für die deutliche Preiserholung war der massive Produktionsrückgang in China, dem mit Abstand größten Förderland der Welt. Das hat den Preis nicht allein deshalb angeschoben, weil China knapp die Hälfte des weltweiten Kohleangebots fördert. Vielmehr spielt China als Importeur eine dominante Rolle am Markt für seewärtig gehandelte Kohle. So war das Reich der Mitte mit mehr als einem Fünftel des weltweiten Kohlehandels 2014 noch Nummer eins der weltweiten Kohleimporteure.

Im vergangenen Jahr brachen die Importe dann um mehr als 30% ein, weil die heimische Nachfrage spürbar schrumpfte. In der ersten Jahreshälfte 2016 folgte überraschend die Gegenbewegung: Denn die chinesische Regierung hat mit zahlreichen Maßnahmen die Produktion im Kohlebergbau deutlich abgebremst. Die Verringerung der maximalen Arbeitstage in den Minen von 330 auf 267 Tage, die Stilllegung einiger Bergwerke und die Nichtvergabe von Förderlizenzen führten dazu, dass die Kohleförderung in der ersten Jahreshälfte fast 10% unter der des Vorjahres lag.

Und obgleich die Kraftwerke auch auf die Vorräte in den Häfen zurückgriffen (Grafik 2), wurde deutlich mehr Kohle importiert (Grafik 3). Gleichzeitig schrumpft die Produktion in den USA, dem zweitgrößten Produzentenland, das immerhin noch 12% des weltweiten Kohleangebots stellen. Die US-Energiebehörde rechnet im laufenden Jahr mit einem Rückgang der Förderung um 18%, was der stärkste Produktionseinbruch in Tonnen und Prozent seit 1949 wäre.





Die Auswirkungen auf den globalen Kohlemarkt sind jedoch weitaus geringer. Denn die USA, die per saldo Exporteur sind, spielen schon immer eine kleinere Rolle am internationalen Markt; sie haben zudem aufgrund des starken US-Dollar in den letzten zwei Jahren nochmals deutlich Marktanteile verloren: so entfielen 2015 nur noch knapp 3% des seewärtigen Handels an Kesselkohle auf die USA.

An dem größtenteils eigenversorgten US-Markt begründet sich die sinkende Produktion vor allem durch eine deutlich schrumpfende Nachfrage. Schon seit Jahren sinkt der Kohleverbrauch, doch im letzten Jahr war der Rückgang mit einem Einbruch von gut 12% massiv. Auch im laufenden Jahr wird mit einem Minus von 9% gerechnet. Neben dem Verdrängungswettbewerb der kohlebasierten Stromproduktion durch Gas und eneuerbare Energien erzwingen verschärfte Vorschriften der US-Umweltbehörde (EPA) einige Stilllegungen von Kraftwerken, auf die 90% der US-Kohlenachfrage entfällt.

Aber auch wenn die USA für den Weltmarkt weniger relevant sind, so haben beide Entwicklungen zusammen die Preise kräftig angeschoben. Wir sind jedoch skeptisch, dass die Preiserholung nachhaltig ist. Für einen Rücksetzer spricht vor allem, dass sich Chinas Kohleimportsog kaum ungebremst fortsetzen dürfte. Denn die Nachfrage in China, das über die Hälfte der weltweiten Kohleförderung konsumiert, schwächt sich immer stärker ab. War der Kohleverbrauch in der letzten Dekade noch jährlich knapp 10% gewachsen, hatte sich das Wachstum in den letzten Jahren schon halbiert. In den letzten beiden Jahren war der Verbrauch erstmals rückläufig.

Die Neuausrichtung der wirtschaftlichen Strukturen hin zu mehr Dienstleistungen dämpft den Kohleverbrauch ebenso wie das Bestreben, den Energiemix zugunsten von umweltfreundlicheren Energien auszubauen. Nicht zuletzt hat sich China im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zum Ziel gesetzt, seine CO2-Emissionen bezogen auf das Bruttoinlandsinprodukt bis zum Jahr 2030 um 60 bis 65% gegenüber dem Niveau von 2005 zu verringern.

Aber auch die Angebotsentwicklung könnte die Importe bremsen: Denn die Konsolidierung in Chinas Kohleindustrie kann schnell ins Stocken geraten, denn sie beruht teilweise auf staatlichen Ad-hoc Maßnahmen. So kann die Reduzierung der Arbeitszeit schnell wieder aufgehoben werden, zumal höhere Importe wohl kaum im Interesse der Regierung liegen, wenn die deutliche Preiserholung schon wieder Produktionsanreize setzt.

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[pagebreak]Produktionsanreize setzt die Preiserholung auch in den großen Exportländern, auch wenn sie mancherorts von einer Aufwertung der Landeswährung begleitet war. Die australischen Produzenten beispielsweise hatten ihre Explorationsausgaben seit Beginn des Kohlepreisverfalls im Jahr 2011 kontinuierlich auf das niedrigste Niveau seit dem Jahr 2004 zurückgeschraubt. Erstmals seit Jahren dürften sie 2016 weniger fördern.

Dieser Trend könnte mit der Preiserholung stoppen. Das staatliche australische Forschungsinstitut erwartet ohnehin im nächsten Jahr wieder höhere Exporte, zumindest für den Fall, dass größere Produktionsunterbrechungen durch starke Regenfälle und Überschwemmungen von La Niña ausbleiben (siehe ersten grauen Kasten).

Auch andere große Exportländer werden mehr produzieren: Das staatliche australische Forschungsinstitut sieht für Kolumbien, Russland und Südafrika höhere Kohleausfuhren. Kolumbiens Steigerungsrate ist dabei am kräftigsten, weil das Land mit der Erweiterung des Panama-Kanals auch den pazifischen Markt bedienen kann. Einzig in Indonesien, dem allerdings größten Exportland, ist die Tendenz weiter fallend: Das erklärt sich zum einen mit der sinkenden Nachfrage nach indonesischer Kohle, die größtenteils von minderer Qualität ist.

Zum anderen ist die indonesische Regierung restriktiver geworden, um die schnelle Ressourcenausbeutung im eigenen Land zu verhindern. Doch allein dies dürfte die Versorgung am Kohlemarkt nur mäßig beeinflussen, so dass wir weiterhin einen gut versorgten Markt sehen, zumal auch Indien, das Land mit dem derzeit stärksten Nachfragewachstum, zuletzt mit einer guten Produktionsentwicklung überraschte, was den Importbedarf dämpft. Die Lagerbestände bei den Kraftwerken seien zudem mit einer Reichweite von 22 Tagen so gut gefülllt, dass selbst ein möglicher Streik bei Coal India, dem mit Abstand größten Kohleanbieter Indiens, wenig Sorgen bereiten würde.

Alles in allem sehen wir deshalb die Gefahr, dass die Preise nochmals nachgeben. Schließlich kann auch der momentan häufig angeführte zeitgleiche Anstieg der Ölpreise nicht allein den Preis stützen (siehe Kasten). Zwar dürfte der Kohlepreis nicht auf die Tiefs zu Jahresbeginn zurückfallen, aber sofern stärkere Produktionausfälle in Australien von La Niña ausbleiben, dürfte er zur Jahreswende wieder Richtung 50 USD je Tonne rutschen. Im nächsten Jahr dürften sich die Preise für Kohle im Laufe des Jahres bei 55 USD etablieren.

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Deutscher Börsenstrompreis: Im Auf und Ab der Kohlepreise

Der deutsche Börsenstrompreis für Grundlast im nächsten Kalenderjahr konnte von der Erholung der Kohlepreise profitieren und notierte in der Spitze im Juni mit 28 Euro je MWh knapp 7 Euro höher als im Allzeittief Ende Januar. In den letzten Wochen hat der Preis aber bereits wieder rund 2 Euro nachgegeben. Wir denken, dass die von uns erwartete Korrektur der Kohlepreise auch die Strompreise in den Abwärtssog ziehen wird. Bereits jetzt ist der für den Strompreis maßgebliche Kohlefuture mit 12-monatiger Laufzeit von über 60 US-Dollar je Tonne auf gut 56 USD je Tonne zurückgefallen.

Zusätzlich wirkt der unaufhaltsame Vormarsch der erneuerbaren Energien preisdämpfend: Denn laut ISE (Fraunhofer Institut) führte das leichte Minus in der Stromproduktion in den ersten sieben Monaten zu einem deutlichen Rückgang der konventionellen Stromerzeugung von knapp 2%, während die Stromerzeugung aus Wind- und aus Solarenergie um mehr als 3% zulegte. Dank der niedrigen Grenzkosten und des Merit-Order-Effekts wirkt dies weiterhin preisdämpfend. Allerdings ist zu beachten, dass sich der Zubau an erneuerbaren Energien in Deutschland verlangsamt hat, so dass der Effekt künftig immer geringer ausfallen wird.

Alles in allem haben wir wir unsere Preisprognose für Grundlast im nächsten Kalenderjahr zwar angehoben, rechnen aber wie am Kohlemarkt mit einem spürbaren Rücksetzer in den kommenden Monaten.

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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