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El Niño: Das Wetter spielt verrückt

26.11.2015 | 11:57 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

Ungewöhnlich starke Regenfälle in Verbindung mit Überschwemmungen auf der einen Seite und große Dürreperioden, wo sie sonst nur selten auftreten, auf der anderen Seite - das ist die Handschrift von El Niño. Etwa alle vier bis sechs Jahre tritt diese Wetteranomalie auf und bedroht die Rohstoffproduktion weltweit. Betroffen sind vor allem Agrarrohstoffe, aber auch der Energiesektor und die Industriemetalle spüren den Einfluss der klimatischen Veränderung.

Das Wetterphänomen El Niño kommt aus bis jetzt ungeklärten Gründen zustande. Wenn sich der Luftdruck über Südostasien und dem daran angrenzenden westlichen Pazifik erhöht und dieser gleichzeitig im östlichen Pazifik stark abnimmt, ist dies ein erstes Anzeichen für das Phänomen.

Was folgt, ist eine Verringerung des Druckgegensatzes über dem Pazifik, was die Passatwinde, die das Oberflächenwasser des Humboldtstroms von Südamerika westwärts nach Indonesien schieben, abflauen lässt (Grafik 1). Dies wiederrum führt zu einer wärmeren Meeresoberfläche und zu einem Meeresspiegelanstieg im östlichen Pazifik. Im Westpazifik sinken Meeresspiegel und Wasseroberflächentemperatur.

Der letzte starke El Niño trat 1997/98 auf und hat den Rohstoffmärkten das Fürchten gelehrt. Dürren und Überschwemmungen setzten den Agrarrohstoffen stark zu und auch die Minen zum Abbau von Kupfer mussten aufgrund von starken Regenfällen und dadurch ausgelöster Erdrutsche ihre Produktion unterbrechen. Wie dramatisch die Auswirkungen von El Niño sein können, wurde in einer von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) veröffentlichten Studie beleuchtet.

Demnach beliefen sich die weltweiten Schäden damals auf 34,3 Mrd. US-Dollar und 24.120 Menschen verloren aufgrund von Stürmen, Überschwemmungen, Sturmfluten oder Dürren ihr Leben.

Die Auswirkungen in Europa können nicht eindeutig definiert werden, da sie je nach Ausprägung und Eintrittszeitpunkt der Anomalie variieren. In der Regel sind die Auswirkungen in Europa in den Wintermonaten jedoch meist stärker als in den Sommermonaten zu spüren. So kommt es in Nordeuropa meist zu kälteren und trockeneren Bedingungen. Der Mittelmeerraum und der Süden Europas erfahren einen feuchteren, aber zugleich auch milderen Winter.

In Nordamerika kann es an der Westküste zu starken Regenfällen und Stürmen kommen. Im westlichen Kanada hingegen ist mit milderen Temperaturen zu rechnen, aus denen schneearme Winter hervorgehen (Grafik 2, Seite 2). Dadurch fehlt es nach dem Winter an Feuchtigkeit auf den Feldern der Prärieregionen. Die geringe Feuchtigkeit kann zu schlechteren Anbau- und Erntebedingungen für die dort heranwachsenden Agrarrohstoffe wie Weizen und Raps führen.

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An der Westküste Südamerikas macht sich El Niño durch kräftige Schauer und Gewitter bemerkbar, die das 10- bis 50-fache der durchschnittlichen Niederschläge mit sich bringen. Normalerweise ist es an den Küsten von Ecuador, Peru und Nordchile extrem trocken. Zu Zeiten von El Niño sind die Niederschläge dagegen außergewöhnlich hoch. In Indien ist während El Niño ein deutlich schwächerer Monsun zu erwarten. Dies ist eine Folge der abgeschwächten südhemisphärischen Passatwinde. Die Konsequenz ist geringerer Niederschlag in den Sommermonaten, im Winter hingegen nehmen die Niederschläge überdurchschnittlich zu.

In Australien zeigen sich die Auswirkungen hauptsächlich durch ausbleibende Niederschläge während der dortigen Wintermonate und im Frühjahr im nördlichen und östlichen Teil des Landes (Grafik 3). Im Süden und Osten, wo der Hauptteil der australischen Bevölkerung lebt, drohen Dürreperioden. Gleichzeitig sind die bevölkerungsreichen Gebiete auch die Hauptanbauflächen für Agrarrohstoffe und damit direkt betroffen von möglichen Dürren. In Westaustralien sind die Auswirkungen von El Niño während der Wintermonate kaum bis gar nicht zu bemerken.


Welche Auswirkungen hat El Niño auf Agrarrohstoffe?

Agrarrohstoffe sind mit Abstand am stärksten von den Auswirkungen eines El Niños betroffen. Da sich die Wetterbedingungen durch die Anomalie stark von den üblich vorherrschenden Bedingungen unterscheiden, nehmen die Ernteerträge in vielen Fällen stark ab. Trockenes Wetter und lang anhaltende Dürren können Angebot und Preise ebenso beeinflussen wie deutlich steigende Niederschläge, extreme Temperaturschwankungen oder Umweltkatastrophen.

Weizen ist einer der Rohstoffe, der von El Niño am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wird. Da in Sommer- und Winterweizen unterschieden werden kann, müssen nicht nur die Ernte- und Anbaubedingungen im Sommer beobachtet werden, sondern auch die der Wintermonate. In Australien, wo größtenteils Winterweizen angebaut wird, sind die Auswirkungen erheblich.

Gerade im Winter und Frühling ist der Niederschlag vor allem im Osten des Landes deutlich verringert und schmälert den Ernteertrag damit dramatisch, wobei der Eintrittszeitpunkt des Wetterphänomens entscheidend für den Ausgang der Ernte ist. Für gewöhnlich gilt, dass eine Entwicklung eines El Niños am Frühlingsanfang die Erträge dramatisch schmälert und eine Entwicklung im November oder Dezember förderlich für diese sein kann.

Laut der Universität Queensland und des dort entwickelten Modells zur Bestimmung der Ernteerträge in Australien könnte das diesjährige Wetter einen stark negativen Einfluss in der (Winter-)Weizensaison haben. In den letzten acht El Niño-Jahren reduzierte sich die australische Weizenernte um durchschnittlich 29% (Grafik 5 und Grafik 6).

Im folgenden Erntejahr normalisierten sich die Erträge wieder. Generell ist ein Ertragsrückgang der Weizenernte von fast 50% möglich, was den internationalen Weizenpreisen Auftrieb geben würde. Zurzeit spricht allerdings wenig für einen stark rückläufigen Ernteertrag, da sich das Wetter in den letzten Wochen trotz aller Prognosemodelle deutlich besser entwickelte. Wir sehen daher momentan keinen Anlass zur Sorge, zumal auch das weltweite Weizenangebot auf einem hohen Niveau liegt und zur Not eine etwas schlechtere Ernte in Australien dadurch aufgefangen werden kann.

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Bei Sojabohnen und Mais hat El Niño eher positive Auswirkungen auf die US-Ernteerträge,solange sich die Anomalie nicht wie Mitte des Jahres 1988 geschehen zu La Nina umkehrt. In diesem sogenannten Wechseljahr fiel die Ernte für Mais und Sojabohnen deutlich schwächer aus. Dies ist mit Abstand das schlechteste Szenario für die Erträge von Sojabohnen und Mais. Neben dem Wechsel zwischen El Niño und La Niña wirkt sich ein regenreiches Frühjahr in den globalen Anbaugebieten negativ auf die Erträge aus.

Durch den starken Regen verzögert sich die Aussaat und sehr heiße trockene Sommermonate ziehen die bereits zu spät ausgesäten Pflanzen in Mitleidenschaft. Jedoch bleibt festzuhalten, dass ein durchgängiges El Niño Phänomen, was sich in der zweiten Jahreshälfte entwickelt, meist positive Auswirkungen auf die Ernten von Sojabohnen und Mais hat, da die Niederschläge nach der Aussaat einsetzen und dadurch das Pflanzenwachstum fördern. So fielen die Erträge in 8 von 11 El Niño-Jahren besser aus (Grafik 7).

[pagebreak]Bei Baumwolle können durch El Niño Niederschläge, Bodenfeuchtigkeit und Temperaturen, die zum Wachstum benötigt werden, beeinflusst werden. Entwickelt sich El Niño und beeinflusst das Wetter während der Wachstumsphase in den US-Baumwollanbaugebieten, können die Erträge dadurch ansteigen. Hier gilt es allerdings zu differenzieren: Im Südosten der USA fallen die Erträge leicht geringer aus, während es in den Südstaaten, wo der Großteil der Ernte anfällt, tendenziell zu höheren Erträgen kommt.

Während die US-Baumwollerträge von El Niño somit per Saldo profitieren können, verschlechtert sich das Bild beim zweitgrößten Baumwollproduzenten Indien. Der für die Produktion benötigte Monsun lässt deutlich nach und kann zu einer Verringerung der Erträge führen. Auch in Australien und Teilen von Afrika kommt es zu Dürren. Sollte El Niño die Baumwollproduktion in vollem Umfang treffen, dürfte dies zu einer Abnahme der weltweiten Produktionserträge und einer Verminderung der globalen Lagerbestände führen. Da allerdings der weltgrößte Baumwollimporteur China noch immer sehr hohe Lagerbestände hält, erwarten wir keinen großen Preissprung bei Baumwolle.

Kaffee: Für Brasilien, den wichtigsten Anbauer von Kaffee, könnte ein Eintreten von El Niño positive Folgen haben. Die wichtigsten Anbaugebiete liegen im Süden und Osten des Landes und profitieren daher von den starken Regenfällen in den Gebieten. Durch die verstärkten Regenfälle können die Blüten und die Ausbildung der Früchte profitieren. Erste Schätzungen gehen für 2016/17 von einer deutlich höheren brasilianischen Kaffeeernte aus. Die positiven Aussichten durch El Niño 2016/17 setzten die Preise zuletzt unter Druck.

Zucker: Die Zuckerproduktion im weltgrößten Zuckerexportland Brasilien könnte ähnlich positiv beeinflusst werden wie die Kaffeeproduktion. Denn die brasilianischen Zuckerrohrplantagen befinden sich weitgehend in derselben Region wie die Kaffeeanbaugebiete. Kurzfristig verzögern die Regenfälle allerdings die Verarbeitung.

Die Zuckerrohrernten in Thailand und Australien könnten durch Trockenzeiten sowohl negativ als auch positiv beeinflusst werden. Es bleibt daher abzuwarten, welche Erträge am Ende der Erntezeit (Australien: Dezember; Thailand: März) erzielt wurden.

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Die durch El Niño geringer ausfallenden Niederschläge in der Monsunzeit in Indien könnten hingegen die dortige Zuckerrohrernte beeinträchtigen. Die Auswirkungen von El Niño auf das globale Zuckerangebot sind somit nicht eindeutig. Die Internationale Zuckerorganisation ISO geht in ihrem veröffentlichten Quartalsbericht (November) von einem globalen Defizit von 3,5 Mio. Tonnen aus, was sie u.a. auf eine geringere Produktion in Indien zurückführt.

Kakao: Die globale Kakaoproduktion reagiert hochempfindlich auf klimatische Veränderungen. Das schließt sowohl Dauer und Intensität der Sonneneinstrahlung als auch Niederschläge und Bodenfeuchtigkeit mit ein. Durch die teilweise starken klimatischen Veränderungen und die daraus resultierenden Dürren durch El Niño muss laut der Internationalen Kakaoorganisation (ICCO) mit einer abnehmenden Produktion gerechnet werden.

Im Durchschnitt geht die Produktion bedingt durch El Niño weltweit um 2,4% zurück. Ecuador ist mit fast 6% sinkender Produktion am stärksten betroffen. Die vier wichtigsten Produktionsländer Elfenbeinküste, Ghana, Indonesien und Nigeria haben mit einem durchschnittlichen Produktionsrückgang von knapp 2% zu rechnen. Laut ICCO wird die Kakaoproduktion nach den neuesten Schätzungen in diesem Erntejahr zwar 4,4% geringer ausfallen.

Der Rückgang ist fast allein auf Ghana (-22%) zurückzuführen, wo sowohl starke Winde während der Blütezeit als auch Pflanzenkrankheiten auftraten. Diese Schätzungen berücksichtigen allerdings noch nicht den Einfluss von El Niño.

Aus diesem Grund bleibt abzuwarten ob die Ernten weiteren Schaden von El Niño davontragen werden. Dies könnte den Kakaopreisen weiteren Aufwind geben, welche sich bereits auf einem 4½-Jahreshoch befinden.

Vieh: Wenig Regen und dadurch verursachte Dürren treffen nicht nur die pflanzlichen Rohstoffe und deren Erträge. Lebendvieh ist zum Beispiel stärker betroffen als man vielleicht erwarten könnte. Gerade die australische Rindfleischindustrie spürt die Folgen eines El Niños deutlich.

Die Weideflächen verkommen durch die Dürren zu ausgedörrtem Ödland und können nicht mehr zur Fütterung genutzt werden. Dies führte in diesem Jahr dazu, dass die Schlachtungen von Rindern und Schafen sprunghaft angestiegen sind und die Exporte der letzten 12 Monate Ende Juni mit 1,3 Mio. Tonnen auf einem neuen Rekord lagen. Gleichzeitig führte dies jedoch zu einer Verkleinerung der australischen Herden, die nun so klein sind wie vor ca. 20 Jahren.

Die australische Rindfleischproduktion macht etwas mehr als 3% der weltweiten Produktion aus. Jedoch zählt Australien hinter Indien und den Brasilien zu den wichtigsten Exporteuren von Rindfleisch. Mit fast 16% der weltweiten Exporte liegt Australien sogar vor den USA, die 2015 voraussichtlich etwas weniger als 11% der weltweiten Exporte ausmachen werden. Dies sollte jedoch dazu führen, dass die Exporte im Jahr 2016 deutlich geringer ausfallen, da die Herden neu aufgestockt werden müssen. Sollte sich El Niño bis in das Jahr 2016 fortsetzen könnte sich der Wiederaufbau jedoch verzögern und die Preise leicht steigen lassen.

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Energie

Auch die Energierohstoffe reagieren auf unterschiedliche Wetterbedingungen, da diese Auswirkungen auf die Produktionsmengen und auf die Nachfrage haben. Allerdings ist der Einfluss regional beschränkt. Zu den betroffenen Energierohstoffen zählen US-Rohöl, US-Erdgas und Kohle.

US-Rohöl und US-Erdgas: Ein Teil der Erdgasförderanlagen und der Ölproduktion sind im Golf von Mexiko angesiedelt, wobei dieser Anteil aufgrund der gestiegenen Produktion von Schiefergas und Schieferöl in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist.

[pagebreak]Laut der US-Energiebehörde EIA wurden im Jahr 1997 noch 26% der US-Erdgasproduktion im Golf von Mexiko gefördert. Bis 2014 fiel dieser Anteil um fünf Prozentpunkte auf 21% zurück. Auch die US-Ölproduktion im Golf von Mexiko nahm ab dem Jahr 2003 ab. Lag diese 2003 noch bei 27% bezifferte sie sich im 2014 nur noch auf einen Anteil von 16% der gesamten US-Ölproduktion. Dadurch ist die US-Öl- und Gasproduktion nicht mehr so anfällig gegenüber Hurrikans (Grafik 8).

Während eines El Niño sind die Auswirkungen allerdings deutlich geringer, da die Anzahl der Hurrikans oder Tropenstürme für gewöhnlich niedriger ist. So geht die US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA in diesen Jahren von nur 6 bis 11 Stürmen im Atlantischen Becken aus. Aus diesen könnten 3 bis 6 Hurrikans entstehen, wovon nur 0 bis 2 in eine starke Kategorie fallen.

Kurz vor Ende der Hurrikansaison (Juni bis November) hat sich diese Einschätzung bestätigt. Denn sie fiel bislang äußerst ruhig aus und hatte somit keinen Einfluss auf die Öl- und Gasproduktion. Das könnte sich allerdings im nächsten Jahr wieder ändern. Denn nach El Niño besteht das Risiko einer höheren Hurrikanaktivität. Aufgrund der durch El Niño milderen Wintertemperaturen in den USA geht zudem der Verbrauch von Erdgas zu Heizzwecken zurück.

Die US-Erdgasvorräte liegen kurz vor Beginn der Heizsaison bereits auf einem Rekordniveau, was die Erdgaspreise zuletzt stark unter Druck gesetzt hat.

Kohle: Die Kohleproduktion ist zwar nicht direkt von El Niño betroffen, allerdings steigt der Energiebedarf ausgelöst durch den erhöhten Einsatz von Klimaanlagen in Ländern wie Indonesien und Indien deutlich an. Auch Kohlelieferungen aus Vietnam an Länder wie China und Japan können gewisse Unregelmäßigkeiten aufweisen, was das Volumen der Kohlelieferungen angeht. Dies kann zu erhöhten Kohlepreisen am Ende des Jahres führen.


Industriemetalle

Kupfer: Vor der Küste Chiles, dem wichtigsten Kupferproduzenten der Welt, bilden sich durch die Erwärmung der Meeresoberfläche und dem damit verbundenen Tiefdruckgebiet Wolken und es kommt zu kräftigen Regenfällen. Dadurch ausgelöst kann der Abbau und Transport von Kupfer verzögert bzw. gestört werden.

Denkbar sind auch Erdrutsche oder Überschwemmungen, die die Minenproduktion kurzfristig unmöglich machen und die Angebotsseite belasten. Solche Angebotsausfälle können dem Kupferpreis Auftrieb geben. In Indonesien, wo sich mit Grasberg die zweitgrößte Kupfermine der Welt befindet, regnet es dagegen während El Niño für gewöhnlich weniger als üblich. Entsprechend ist hier nicht mit Beeinträchtigungen zu rechnen.

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Nickel, Zinn & Bauxit: Normalerweise sinkt die Produktion in Indonesien, den Philippinen und Malaysia zwischen Dezember und Januar aufgrund starker Regenfälle. Ein geringer ausfallender Monsun, ausgelöst durch El Niño, kann zu einer höheren Produktion führen als saisonüblich. Denn aufgrund von geringeren Regenfällen sind der Abbau und der Transport der Erze unproblematischer. Das höhere Angebot könnte auf den Preisen lasten.


El Niño 2015/16

Wurde im Juni noch von einem mittelstarken El Niño ausgegangen, verdichten sich die Anzeichen, dass das Wetterphänomen deutlich stärker ausfallen könnte als zunächst angenommen. Die Schätzungen der australischen Wetterbehörde gehen mittlerweile von einem starken El Niño aus. Laut US-Wetterdienst MDA bewegt sich die Anomalie momentan gleichauf mit der von 1997/98.

Das Wetterphänomen könnte zudem laut der weltweiten Wetterbehörden und der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bis in das Jahr 2016 andauern. Dies bestätigt auch eine aktuelle Einschätzung von MDA. Demnach haben sich die Oberflächentemperaturen im Pazifik weiter erhöht. Sollte sich die Oberflächentemperatur nicht abkühlen, könnte El Niño bis in den Frühling 2016 andauern und weltweit Ernten und Produktionen beeinträchtigen. Erste Auswirkungen von El Niño sind bereits jetzt festzustellen.

Laut indischer Wetterbehörden lagen die diesjährigen Niederschläge während der Monsunzeit zwischen Juni und September 14% unter dem 50-Jahresdurchschnitt. Auch der Southern Oscillation Index (SOI) zeigt ein ähnliches Bild. Dieser Index ist ein statistisch berechnetes Maß, welches allgemein den Luftmassenaustausch zwischen dem Indischen Ozean und dem Pazifik beschreibt.

Ebenso gilt der SOI als Indikator für die relative Stärke und Schwäche der Passatwinde über dem Pazifischen Ozean. Der SOI verzeichnet einen stetigen Abfall, was in Verbindung mit ungewöhnlich hohen Temperaturen im tropischen Pazifik steht und damit ein guter Indikator für das Eintreten von El Niño ist (Grafik 9).


Fazit: Erhöhte Unsicherheit, aber kein Krisenautomatismus

Innerhalb der durch Wetterunsicherheiten gekennzeichneten Angebotssituation bei den oben erwähnten Rohstoffen spielen spezielle Wetterphänomene wie El Niño die Rolle eines Verstärkers. Dass dies durchaus Krisen verschärfen oder eine angespannte Situation zu einer Krise ausweiten kann, hat nicht zuletzt die Saison 2010/11 gezeigt. Auch beim Anstieg der Agrarrohstoffpreise im Jahr 2007/08 spielte das Klimaphänomen El Niño eine Rolle, weil Ernteerträge gemindert wurden und somit zu den folgeschweren Missernten in Australien und den USA beitrugen.

Der Zusammenhang zwischen El Niño und den Ernteerträgen ist aber nicht eindeutig. Erhöhte Regenfälle können je nach Region und Zeitraum positive Auswirkungen auf die Erträge haben, während sie in anderen Regionen und einige Wochen früher oder später den Wachstumsverlauf der Pflanzen negativ beeinflussen. Wie sich der wiedererstarkende El Niño letztlich auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Es besteht zumindest die Hoffnung, dass sich bei einem moderaten Verlauf dieses Phänomens über die kommenden Monate die negativen Auswirkungen für die Produktion der Rohstoffsektoren in Grenzen halten werden und es nicht zu einer Wiederholung der Entwicklungen von 1997/98 kommt. Zudem sind die Lager der meisten Agrarrohstoffe aufgrund von sehr guten Ernten der letzten Jahre gut gefüllt und bilden daher im Falle eines starken El Niño einen Puffer.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Umkehrung von El Niño zu La Niña, wie sie vom Wetterdienst MDA für möglich gehalten wird. Für die Auswirkungen von La Niña verweisen wir auf unseren Rohstoffe kompakt Agrar (Die Rückkehr von La Niña und mögliche Folgen) vom 20. Oktober 2011. Eine Umkehrung könnte stärkere Ertragseinbußen und damit Preisreaktionen zur Folge haben.


© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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