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Kohlemarkt: Hängen im Schacht

25.06.2015 | 6:00 Uhr | Eugen Weinberg, Commerzbank AG

China importiert immer weniger Kohle: Der zuletzt schwache Importsog des in den letzten Jahren zum weltweit größten Importeur aufgestiegenen Landes lastet schwer auf den Preisen, zumal die Nachfrage in den Industrieländern aufgrund des Vormarsches der Erneuerbaren Energien ebenfalls schrumpft. Da die Unternehmen ihr Angebot nicht hinreichend angepasst haben, bleiben die Preise vorerst "unterirdisch".

Mittelfristig wird der steigende Bedarf der Schwellenländer die Preise aber unterstützen. Schließlich wächst auch im mit Abstand weltgrößten Exportland Indonesien der Eigenbedarf. Zum Jahresende dürften folglich die Preise am Kohlemarkt wieder etwas steigen. Eine Preiserholung an der deutschen Strombörse dürfte bis dahin auf sich warten lassen.

Am Kohlemarkt sind bis vor kurzem die Preise gefallen. Auch nach der leichten Preiserholung in den letzten Tagen notiert der nächstfällige Kohlefuture mit knapp 60 USD je Tonne nur knapp über dem Sechs-Jahrestief, auf das er zu Jahresbeginn gefallen war. Preisdruck geht vor allem von dem deutlich nachlassenden Importsog Chinas aus. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres lagen die Netto-Importe Chinas im Durchschnitt nur noch bei gut 16 Mio. Tonnen und damit fast 40% niedriger als im Vorjahr.

Dabei hatte sich der Abwärtstrend zuletzt sogar noch verstärkt (Grafik 1): Im Mai wurde mit knapp 14 Mio. Tonnen netto gerade mal halb so viel Kohle importiert wie ein Jahr zuvor. Wird sich der Abwärtstrend fortsetzen? Dafür spricht zum einen die Verlangsamung des chinesischen Konjunkturwachstums, zumal Kohle mit dem Fortschreiten des Zyklus immer weniger gebraucht wird. Zum anderen will die Regierung stärker gegen die Umweltverschmutzung vorgehen. Schon im letzten Herbst hatte sie deshalb die Auflagen für Importkohle verschärft. Zudem hatte sie in manchen Städten die Verstromung von Kohle mit hohem Aschegehalt verboten.

Dem neuen Aktionsplan für Saubere Kohle der Nationalen Energy Administration (NEA) (2015 bis 2020) zufolge sollen diese Zonen sogar noch ausgeweitet werden. Nicht zuletzt arbeitet China verstärkt daran, andere Energiequellen als Kohle zu erschließen. Wasserkraft ist mittlerweile eine entscheidende Energiequelle für China. Mit 300 Gigawatt verfügt China über die weltweit größten Kapazitäten und stellt damit mittlerweile knapp 19% des inländischen Energiebedarfs.

Aber auch andere Erneuerbare Energien werden erschlossen: Vor allem wurden immer mehr Kapazitäten zur Nutzung von Windkraft geschaffen. Doch trotz dieser nachfragedämpfenden Faktoren gibt es auch Gründe, die für eine Belebung des Kohleimportbedarfs sprechen. Denn zum ersten ist die Kohleproduktion im eigenen Land rückläufig. Bereits im letzten Jahr war ein Minus verzeichnen. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres lag die Förderung sogar 6% unter der des Vorjahres.

Zusätzlich, bedingt durch die fallenden Preise, sind die Gewinne im Bergbau in den ersten vier Monaten um 61% eingebrochen, was für eine Fortsetzung des Produktionsrückgangs spricht.



Auf einen die Produktion übersteigenden Bedarf deutet auch der allmähliche Abbau der hohen Vorräte in den Minen sowie eine in China zu beobachtende leichte Preiserholung im Mai hin. Auch mittelfristig dürfte Chinas Kohlenachfrage weiter wachsen. Zwar wird die Bedeutung von Kohle im chinesischen Energiemix schrumpfen, aber die Internationale Energieagentur stellt in Aussicht, dass Chinas Nachfrage nicht vor Ende dieses Jahrzehnts ihren Hochpunkt erreichen wird.

Bereits jetzt überrascht dagegen Indiens Importnachfrage positiv: In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres importierte Indien 55% mehr Kohle als im Vorjahr. Zwar mag der Anstieg durch eine niedrige Vorjahresbasis etwas überzeichnet sein, aber die Tendenz ist eindeutig steigend. Für das Gesamtjahr wird ein Anstieg des Importvolumens um gut 60 Mio. auf 150 Mio. Tonnen erwartet. Thermische Kohle wird von allem in der stark wachsenden Stromindustrie benötigt. Denn gut zwei Drittel des indischen Stroms wird auf Basis von Kohle produziert.

Indien ist mittlerweile hinter China und den USA der drittgrößte Stromproduzent der Welt. Im internationalen Vergleich liegt der Stromverbrauch pro Kopf in Indien aber immer noch weit hinter dem in den Industrieländern und in vielen Schwellenländern (Grafik 2). Die Regierung hat entsprechend große Pläne nachzurüsten: Bis 2020 sollen Kohlekraftwerkskapazitäten in Höhe von 125 GW geschaffen werden (Grafik 3). Das würde einen zusätzlichen Kohlebedarf von 300 Mio. Tonnen implizieren.

Indien will zwar seine Kohleproduktion weiter ausbauen. So plant die im Kohlesektor tonangebende Regierung, die Kohleförderung bis 2020 fast zu verdoppeln, unter anderem dadurch, dass der vom Staatsunternehmen Coal India Limited dominierte Sektor zunehmend auch für private Unternehmen geöffnet wird. Schwierigkeiten beim Kauf von neuem Land, langwierige Genehmigungsprozesse, unzureichend ausgebaute Transportwege und eine noch geringe Produktivität im Bergbau bremsen aber den Ausbau.

Seit 2008 wurde die Produktion im Durchschnitt nur noch von 2% p.a. gesteigert, in den Jahren zuvor waren es immerhin 6% p.a. gewesen. Somit dürfte die Ausweitung der Kohleproduktion nicht mit dem rasanten Nachfragewachstum Schritt halten können. Entsprechend könnte Indien China als weltgrößten Kohleimporteur bald überholt haben.

Dem in der Tendenz weiter wachsenden Bedarf in den Schwellenländern steht jedoch die sich abschwächende Nachfrage in Industrieländern gegenüber (Grafik 4, S. 3). Momentan einzige Nachfragestütze hier ist wegen des Ausfalls der Atomkraft Japan. Auch wenn die Kohleimporte im April leicht gefallen sind, waren die Importe in den ersten vier Monaten insgesamt noch immer 7% höher als im Vorjahr. Die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken könnte den Bedarf zwar bremsen, aber bislang verzögert sich diese immer wieder. Das Wiederanfahren eines ersten Reaktors wurde eben erst von der Betreiberfirma auf Mitte August verschoben.

In Europa bleibt aber die Kohlenachfrage schwach: Nachdem bereits 2014 vor allem aufgrund eines geringeren Bedarfs in Großbritannien die Kohleimporte in der EU rückläufig waren, deutet die bislang noch recht magere Datenlage an, dass das laufende Jahr ebenfalls enttäuschend gestartet ist: In Deutschland, dem größten europäischen Importeur, lagen die Importe an Steinkohle von Januar bis April gut 1% unter Vorjahr; in Großbritannien lag die Kohlenachfrage gemäß dem Ministerium für Klimawandel sogar 15% unter Vorjahr.

Die Verdoppelung der britischen CO2-Mindeststeuer am 1. April macht die kohlebasierte Stromproduktion unattraktiv: Nun kostet der Ausstoß einer Tonne CO2 18 Pfund bzw. ca 25 Euro zusätzlich zu den im EUEmissionshandel momentan gehandelten 7,5 Euro.

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Entsprechend wird damit gerechnet, dass die kohlebasierte Stromproduktion durch gasbasierte ersetzt wird. Die kohlebasierte Stromproduktion war bereits im letzten Jahr aufgrund von Ausfällen und Umwidmungen in Kohlekraftwerken um 25% auf den niedrigsten Stand seit Erhebung der Zeitreihe gesunken und ihr Anteil an der Stromproduktion damit unter 30% gerutscht. Steigende Kohleimporte Spaniens können den fallenden Trend der zwei großen europäischen Importeure nicht kompensieren.

Vor allem aber in den USA dürfte die Kohlenachfrage schrumpfen, denn die kohlebasierte Stromproduktion ist immer weiter auf dem Rückzug. Ausschlaggebend sind die niedrigen USGaspreise und strengere Umweltauflagen im Zuge der Mercury and Air Toxics Standards. Nach 4,1 Gigawatt im letzten Jahr werden im laufenden Jahr nochmals Kraftwerkskapazitäten von knapp 13 Gigawatt stillgelegt. Entsprechend schrumpft gemäß EIA im laufenden und im nächsten Jahr die kohlebasierte Stromproduktion zugunsten des grünen und des gasbasierten Stroms (Grafik 5).

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Alles in allem dürfte folglich die Kohlenachfrage in den USA, dem nach China zweitgrößten Kohleverbrauchsland der Welt mit immerhin knapp 12% der Nachfrage, mehr als 5% fallen. Aufgrund der niedrigen Preise und des starken Dollar dürfte dies aber anders als 2012/13 nicht zu höheren Exporten führen. Vielmehr geht die US-Energiebehörde davon aus, dass die Kohleförderung in den USA sogar noch stärker fällt als die Nachfrage.

Das Beispiel USA zeigt, dass lokale Tendenzen den internationalen Kohlemarkt bzw. die Preisbildung nicht unbedingt erreichen müssen. Grundsätzlich gilt nämlich, dass Kohle zumeist dort verbraucht wird, wo sie produziert wird, und der internationale Handel nur einen kleinen Teil des Verbrauchs abdeckt. Letzterer wiederum wird stark durch zwei Länder bestimmt: Indonesien und Australien, die zusammen 57% des Weltexportvolumens stellen. In beiden Ländern hat eine schwache Währung die Belastung des Preisrückgangs für die Produzenten abgefedert.

Zusätzlich wurden seit Mitte 2014 die Produktionskosten durch fallende Ölpreise gedämpft (siehe Rohstoffe kompakt im Februar 2015: Spannungsloser Strommarkt auch dank billiger Kohle). Dennoch scheint nun im mit Abstand größten Exportland Indonesien der Exportboom vorbei. Bereits im letzten Jahr waren die Kohleexporte rückläufig, nachdem sie sich in den fünf Jahren zuvor fast verdoppelt hatten.

Die indonesische Regierung will nun das niedrige Preisumfeld nutzen, um die Konsolidierung im Kohlebergbau voranzubringen und dem künftig stark wachsenden Eigenbedarf sicherzustellen. Denn nach jetzigen Regierungsplänen sollen in Südostasiens größter Wirtschaft bis 2019 zusätzliche Kraftwerkskapazitäten von 35 Gigawatt gebaut werden, 35% davon sind kohlebasiert. Damit könnte sich der heimische Kohlebedarf von aktuell rund 90 Mio. Tonnen verdoppeln. Um die Exporte zu begrenzen, sollen einige der neueren Bergbaulizensen widerrufen werden. Zudem denkt die Regierung darüber nach, die Abgaben im Kohlebergbau zu erhöhen. Diese Maßnahme wird momentan aber nur für kleinere Minenunternehmen angedacht und bedarf noch der Zustimmung des Finanzministeriums.

Im laufenden Jahr hat die Regierung ein Produktionsziel von 425 Mio. Tonnen vorgegeben. Der Präsident der Kohlebergbauverbandes (APBI) befürchtet, dass die Produktion sogar auf 375 Mio. Tonnen schrumpfen könnte. In den ersten fünf Monaten lag die Kohleförderung mit 166 Mio. Tonnen sogar knapp 20% unter Vorjahr. Bei stark steigendem Eigenbedarf wird dies einen noch stärkeren Rückgang der Exporte bedeuten.

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Im zweitgrößten Exportland, Australien, sind dagegen die Exportaussichten weiter intakt. Die langfristig abgeschlossenen Infrastrukturverträge treiben die Produzenten weiterhin an, durch eine hohe Produktion die "Stückkosten" zu verringern. Kostendämpfend wirken auch die noch immer hohen Effizienzfortschritte im Bergbau, wobei die noch in besseren Zeiten angestoßene Öffnung neuer Minen für die Schließung unprofitabler Minen kompensieren. Australien war in den letzten Jahren sogar in der Lage, in einigen Schlüsselregionen Marktanteile auszubauen.

Alles in allem dürfte sich aufgrund des abebbenden Exportbooms Indonesiens das Angebotswachstum allmählich verlangsamen. Für die kurze Frist ist Chinas Nachfrage entscheidend. In unserem Hauptszenario rechnen wir mit einer Stabilisierung des Importbedarfs, dem eine allmähliche Belebung ab dem Herbst folgen sollte. Die Konsolidierung des chinesischen Kohlesektors dürfte mit weiteren Produktionsrückgängen einhergehen, während der niedrige internationale Preis und die momentan sehr niedrigen Frachtkosten Käufe im Ausland attraktiv machen.

Zusammen mit dem anziehenden Kohleimport Indiens und anderer Asean-Staaten dürfte dies für eine marginale Preiserholung sprechen. Die Risiken für diese Prognose liegen zweifellos darin, dass China oder Indiens Nachfrage abermals enttäuschen; in China, weil sich die Konjunktur verlangsamen könnte oder starke Regenfälle eine hohe Stromproduktion durch Wasserkraft begünstigen, in Indien, weil der Aufschwung abermals an Kraft verlieren könnte.


Strompreis an der Leipziger Börse bleibt vorerst niedrig

Auch der Abwärtstrend an der deutschen Strombörse fand bis Mitte Mai kein Ende: Am 22. Mai erreichte der Strompreis für Grundlast im nächsten Kalenderjahr mit 31,3 Euro je Mwh ein 11-Jahrestief (Grafik 6). Seitdem konnte sich der Preis nur geringfügig erholen. Enttäuschend fiel abermals die konventionelle Stromerzeugung aus: Laut Fraunhofer Institut ISE lag die Stromerzeugung auf Basis fossiler Energieträger von Januar bis Mai abermals 3,6% unter Vorjahr, obwohl die Stromproduktion insgesamt sogar höher war als im Vorjahr (Grafik 7).

Der Vormarsch der Erneuerbaren Energien wiederum drückt aber aufgrund der Einsatzreihenfolge in der Stromerzeugung den Strompreis (‚Merit-Order-Effekt“). Und weil sich gleichzeitig mit den gefallenen Kohlepreisen auch die Grenzkosten der konventionellen Stromproduktion reduzieren, sind die Strompreise an der Börse immer tiefer gerutscht.

Kurzfristig dürften die Preise auf niedrigem Niveau verharren. Die von uns erwartete Preiserholung im Emissionshandel sowie die leichte Belebung der Konjunktur geben zwar grundsätzlich Aufwind, aber dieser wird durch den preisdämpfenden Effekt des Ausbaus der Erneuerbaren Energien ausgebremst. Wir halten folglich weiterhin daran fest, dass erst die Erholung der Kohlepreise nachhaltig die Strompreise anschiebt, zumal der gegenüber dem US-Dollar wohl weiter abwertende Euro die Kohlekosten für die deutschen Stromproduzenten weiter erhöht.

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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