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Schneeballsystem Fracking

02.04.2013 | 7:07 Uhr | Uli Pfauntsch, CompanyMaker

Die Welt blickt mit einer Mischung aus Erstaunen und Neid auf den Shale-Boom in den USA. Länder von China über Polen, Frankreich, Spanien oder Großbritannien starten eigene Vorhaben zur unkonventionellen Schiefergas-Ausbeutung, in der Hoffnung, es ist das Allheilmittel für ihre Energiesorgen. Es gibt nur ein Problem mit sämtlichen Vorhersagen einer aufblühenden Energiesupermacht USA, welche die Welt mit ihrem Schieferöl- und Gas überschwemmt: Der Shale-Boom basiert auf einer Blase, einem Hype, der von den üblichen "Strippenziehern“ an der Wall Street konstruiert wurde. Tatsächlich kommt immer mehr zum Vorschein, dass es sich bei der "Shale-Revolution“ um ein vorsichtig aufgebautes Schneeballsystem handelt, konstruiert von denselben Wallstreet-Banken und Marktanalysten, von denen uns viele die Dot. Com-Blase im Jahr 2000 und die US-Immobilienblase von 2002 bis 2007 einbrockten.


Vernichtendes Urteil

Arthur Berman, ehemaliger Petroleum-Geologe, der seit Beginn des Booms Bohrlöcher der wichtigsten Shale-Gas-Regionen der USA auswertet, kommt in einem aktuellen Report zu einem vernichtenden Urteil. Seine Erkenntnisse deuten auf ein neues Schneeballsystem, das durchaus schon in den nächsten Monaten, bestenfalls in den nächsten zwei bis drei Jahren, in einer kolossalen Gas-Pleite münden könnte. Shale-Gas ist alles andere als die "Energierevolution“, die US-Konsumenten oder der Welt Gas für die nächsten 100 Jahre liefern wird, so wie es Präsident Obama gesagt wurde. Berman schrieb bereits in 2011, dass die meisten Wells nicht profitabel sind und für das Break-Even mindestens 8,00 Dollar/mcf benötigen.

Es sei deshalb wahrscheinlich, dass einige Produzenten nicht in der Lage sein werden, ihre Bohr-Levels aus dem Cashflow, Joint-Ventures, Asset-Verkäufen oder Kapitalerhöhungen aufrecht zu erhalten. Was Berman und andere Experten ebenfalls feststellten ist die Tatsache, dass Schlüssel-Player aus der Gasindustrie und ihre Wallstreet-Banker die Mengen an förderbaren Reserven grobfahrlässig aufgeblasen - und somit auch die erwartete Versorgungsdauer verlängert haben. Basierend auf seinen Analysen der aktuellen Well-Daten aus den großen US-Shalegas-Regionen, kommt Berman zum Schluss, dass der exponentielle Rückgang der Produktionsmengen zu einer deutlich schnelleren Schrumpfung führen wird, als es gegenüber dem Markt aufgebauscht wurde.


Saat für eigenen Bankrott

Könnte das der Grund dafür sein, dass finanziell gefährdete US-Shalegas-Produzenten, beladen mit Milliarden von Dollar in potenziellen Liegenschaften, die in Zeiten der Höchstpreise gekauft wurden, verzweifelt versuchen, diese an naive ausländische Investoren abzustoßen? Die einfache Antwort liegt in den hohen anfänglichen Förderraten begründet. "Unglücklicherweise werden diese von Wells mit niedrigerer Lebensdauer und zusätzlichen Kosten in Verbindung mit Well-Rückstimulation ausgeglichen. Die wahren strukturellen Kosten der Shalegas-Produktion sind höher als es die aktuellen Preise erlauben und die Reserven pro Well sind ungefähr die Hälfte dessen, was von den Betreibern behauptet wird“, so Arthur Berman.

Hierin liegt die Erklärung, warum eine ausgereifte Ölindustrie in den Vereinigten Staaten im Vollgas-Modus produziert - und in einem Spiel mit hohen Einsätzen die Saat für ihren eigenen Bankrott gelegt hat: Sie liefern sich ein Wettrennen, um die zunehmend unprofitablen Shale-Assets loszuwerden, ehe die Blase endgültig platzt. Finanzielle Unterstützer aus der Wallstreet befinden sich mitten in diesem Schneeballsystem, mit Milliardeneinsätzen, so wie im jüngsten Immobilien-Verbriefungsbetrug.


100 Jahre Erdgas?

Woher nimmt dann jemand diese Zahl, um dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zu erzählen, dass die USA Gas für die nächsten 100 Jahre zur Verfügung hätten? Hier spielen verdammte Lügen und Statistiken eine entscheidende Rolle. Die USA haben keine 100 Jahre Gas aus Schiefer oder unkonventionellen Quellen. Diese Zahl kommt von jemandem, der den Unterschied zwischen Ressourcen und Reserven vorsätzlich verschweigt. Laut dem "Potential Gas Commitee“ (PGC), dem Standard für Ressourcenbewertungen in den USA, wird zwischen drei technischen Kategorien für förderbares Gas unterschieden: "Probable“, "Possible“ und "Speculative“. Nach sorgfältiger Prüfung der Zahlen ist klar, dass der Präsident und seine Berater die Gesamtsumme aller drei Kategorien (2.170 Billionen Kubikfuß) genommen - und durch den jährlichen Verbrauch von 24 Billionen Kubikfuß - geteilt haben. Damit kommt man auf die Zahl von 90 bis 100 Jahren. Was tatsächlich übrig bleibt wird nicht gesagt, denn der Großteil der Ressourcen befindet sich entweder in Ansammlungen, die zu klein sind, um sie zu jedem Preis zu fördern, ist für das Bohren unzugänglich oder in zu großer Tiefe für eine wirtschaftliche Ausbeutung.


Best-Case 23 Jahre

Arthur Berman stellt in einer weiteren Analyse klar, dass aufgrund der eher konservativen und realistischeren Angabe des PGC, der "Mean Resources“ von 550 Billionen Kubikfuß Gas und unter der Voraussetzung, dass sich die Hälfte davon in Reserven umwandeln lassen, eher mit 11,5 Jahren Gasversorgung zu rechnen ist. Wenn wir weitere "Proved Reserves“ über 273 Tcf, einschließlich der unentwickelten Projekte hinzurechnen, erhöht sich die Dauer bestenfalls auf 23 Jahre. Hinzu kommt, dass pro Jahr rund 42 Milliarden Dollar für die Bohrung von 7.000 Wells aufgebracht werden müssen - nur um die bestehende Produktion aufrecht zu erhalten. Zudem sind die besten Shale-Plays wie Haynesville (welches bereits schrumpft) relativ selten und die Anzahl neuer Wells und der Kapital-Input werden sich im Laufe der Zeit noch weiter erhöhen, weil die besten Gebiete innerhalb dieser Plays ausgebeutet sind. Falls verschiedene Schätzungen auch nur annähernd richtig sind, besitzen die USA unkonventionelles Shale-Gas mit einer Dauer irgendwo zwischen 11 und 23 Jahren und unkonventionelles Öl über vielleicht ein Jahrzehnt, ehe man in einen tiefen Rückgang eintritt. Die jüngste Rhetorik über die "Energieunabhängigkeit“ der USA ist beim aktuellen Stand der Technik absoluter Blödsinn.



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Riesen Verluste

Die extrem schnelle Schrumpfung der Gasfelder erfordert eine jährliche Ersetzung von 30 bis 50 Prozent der Produktion mit noch mehr Bohrungen. Ein klassisches "Der Tiger jagt seinen Schwanz um den Baum“-Syndrom“. Zum Vergleich: Der Wert des gesamten Shale-Gas, das in 2012 produziert wurde, beläuft sich bei einem durchschnittlichen Gaspreis von 3,40 Dollar/mcf auf 32,5 Milliarden Dollar. Mit jährlichen Investitionen von 42 Milliarden Dollar bedeutet das für die Shale-Wetten der US-Gasproduzenten einen Verlust von rund 10 Milliarden Dollar.


Warum dieser Medienhype?

Man fragt sich, ob die absurden massenmedialen und gleichgeschalteten Theorien vom "neuen Saudi Amerika“, das bald zum "Nettoenergieexporteur“ werde, rein geopolitisch motiviert waren, oder ob es noch andere Gründe dafür gibt. Das Unternehmen, das stellvertretend für den Shale-Gas-Boom steht, ist der hochgelobte führende Player, Chesapeake Energy (CHK). Im August 2012 gab es weitverbreitete Gerüchte, wonach der zweitgrößte Gasproduzent der USA kurz vor der Pleite stünde. Ein solches Ereignis hätte der Welt signalisiert, dass die "Shale-Gas-Revolution“ wohl nur auf einem Hype, inszeniert von Wallstreet-Promotern, beruht, die mit M&A (Fusionen und Übernahmen) und anderen Deals Milliarden verdienen wollen.

Chesapeake Energy gilt als Unternehmen, dessen komplexe Bilanzierungsmethoden es selbst für Analysten und Aktionäre unmöglich machen, exakt zu bestimmen, wo die Risiken liegen. Laut Bill Powers, von Powers Energy Investor, droht das Geschäftsmodell von Chesapeake zusammenzubrechen. "Wenn man die außerbilanziellen Verpflichtungen und bevorrechtigten Verbindlichkeiten zu den bestehenden Schulden von 11 Milliarden Dollar hinzuaddiert, kommt man auf satte 20 Milliarden Dollar an finanziellen Verpflichtungen“,so Powers. Angesichts der hohen Überschuldungen, wird CHK auf "Junk-Status“ geratet und wird es wohl auf absehbare Zeit bleiben. Powers schlussfolgert: "Zu sehen, dass sich der zweit-größte Gaskonzern, genauso wie die rücksichtslosen Zerstörer von Shareholder-Kapital aus dem Gas-Business zurückziehen, ist ein starkes Anzeichen dafür, dass die heutige Gaspreis-Blase am Rande des Knalls steht. CHK hat mit dem Bohren von Shale-Wells noch kein Geld verdient - genauso wie die meisten Mitbewerber - und nun ist das dumme Geld zu Ende“.


Chesapeake Energy 10 Jahre


Um die Pleite zu verhindern, muss das Unternehmen massiv in die Bohrung neuer Wells investieren, um die Förderung von lukrativerem Öl und Gas-Liquids zu steigern. Chesapeake Energy befindet sich derzeit inmitten eines großen Asset-Sale-Programms über geschätzte 7,00 Milliarden Dollar, um die Verschuldung zu reduzieren.Chesapeake gilt als "Aushängeschild“ für den US-Gas-Boom. Zu den Anteilseignern zählen Hochfinanzkreise wie die einflussreichen US-Multimilliardäre Carl Icahn, T. Boone Pickens oder die Geldverwalter Black-Rock, Vanguard und Bank of America. Insofern dürfte die perfekt inszenierte weltweite Medienkampagne auch dazu dienen, Gas-Assets an Investoren aus der ganzen Welt noch rechtzeitig zu verkaufen oder outzufarmen.


Fazit

Entgegen aller überoptimistischen Prognosen der Massenmedien zeigen sich große Risse in der Fracking-Euphorie. Die zweifellos vorhandenen Mengen an Öl und Gas, eingeschlossen in Schiefergestein, sind längst keine Garantie für die problemlose Fortschreibung des fossilen Zeitalters. Dass die Ölindustrie überhaupt eine so aufwendige und kostenintensive Methode einsetzen muss, ist Beweis dafür, dass die Grenze zwischen dem Zeitalter der leicht zugänglichen und der schwer zugänglichen Energie längst überschritten ist. Der immense Aufwand und möglichen Folgekosten durch langfristige Umweltschäden könnten den Ölpreis in Höhen treiben, die von den aktuellen Niveaus weit entfernt sind. Ausgabenkürzungen im US-Haushalt, die Euro-Krise und das anstehende Sommerhalbjahr auf der Nordhalbkugel dürften nicht unbedingt zu einer stark erhöhten Öl-Nachfrage führen. Mittel- bis langfristig führt an steigenden Ölpreisen aber kein Weg vorbei.


© Uli Pfauntsch
www.companymaker.de

Quelle: Auszug aus dem Börsenbrief CompanyMaker, 3. Teil der Serie "US-Shale-Boom: Wahrheit"


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